Münzgewinn = Vermögensschöpfung "aus dem Nichts"

politicaleconomy, Donnerstag, 29.01.2015, 00:47 (vor 3564 Tagen) @ Liated mi Lefuet13862 Views
bearbeitet von unbekannt, Donnerstag, 29.01.2015, 01:14

Hallo Liated,

Obst und Hintners Werk werde ich mir mal anschauen, ist in der lokalen Uni-Bibliothek in diversen Ausgaben verfügbar - die älteste Ausgabe ist die 8. Auflage von 1916!

Obst lebte von 1873-1938, also in einer Zeit, in der die monetäre Konfusion noch nicht so gezielt etabliert war wie heute z.B. mithilfe des unsäglichen "Monetarismus", und sein Werk ist immer noch ein Standardwerk:

"Seit der 1. Auflage im Jahr 1900 (!) ist der "Obst/Hintner" das Kompendium des nationalen und internationalen Geld-, Bank- und Börsenwesens."
(schreibt amazon)

Das muß erst mal einer leisten!

Daß man nur in frühere Texte schauen muß, um die gesuchte Klarheit zu finden, hatten wir ja früher schon festgestellt. Das werde ich auch gleich tun, mit einem 1966 erschienenen Text von Alfred Stobbe: "Volkswirtschaftliches Rechnungswesen", wo sich alles wesentliche glasklar und in einfacher, weitgehend "entblablahter" Sprache findet(*).

Historisch zu lokalisieren wäre damit noch der Ursprung der Verbreitung der monetären Konfusion - eine schöne Aufgabe für Post-2008-Wirtschaftshistoriker, die jetzt noch Studenten sind und die Finanzkrise während ihres Studiums taufrisch miterlebt haben - und damit die Sprengung ihrer neoklassischen Lehrbuchinhalte.

Aber zurück zu den Münzen.

Der Knackpunkt liegt in Obst/Hintners Formulierung, "unter Beachtung folgender Konventionen" (daß "Scheidemünzen als Forderung gegen ihren Emittenten gelten", ist eine vereinfachende Konvention).

Alfred Stobbe schreibt im o.g. (1966 erschienenen, die damaligen Verhältnisse beschreibenden) Buch:

"Münzen ... werden in der Bundesrepublik im Aufrage des Bundesfinanzministeriums geprägt und an die Bundesbank gegeben, die dem Bund den Nennwert gutschreibt und sie je nach Bedarf in den Verkehr bringt. (...) Münzen nehmen gegenüber den Banknoten insofern eine Sonderstellung ein, als sie keine Kreditbeziehung verbriefen, mithin bei keiner Bank unter den Passiva verbucht werden (hier folgt ein Hinweis auf die im selben Buch abgedruckte Bilanz der Bundesbank zum 31.12.1964, in der "Deutsche Scheidemünzen" als Aktivposten erscheinen, PE).

Da sie jedoch genau wie Banknoten ... gesetzliches Zahlungsmittel sind, ist es bei sehr vielen Untersuchungen zweckmäßig, sie als "auf Metall gedruckte Banknoten" zu behandeln. Die Bundesbank trägt diesem Sachverhalt dadurch Rechnung, daß sie in ihrer "zusammengefaßten statistischen Bilanz der Kreditinstitute einschließlich der Deutschen Bundesbank den Münzumlauf außerhalb der Kreditinstitute passiviert ... Aus der gleichen Überlegung heraus rechnet man Münzen auch nicht zum Realvermögen." (S. 69f.)

Also, im Klartext: der Bund läßt die Münzen herstellen, die Herstellungskosten liegen unter dem aufgedruckten Nennwert. Nun gibt er die Münzen an die Bundesbank und erhält von dieser dafür eine Gutschrift in Höhe des Nennwerts. Für die Bundesbank also eine Nettovermögens-neutrale Bilanzverlängerung, da sie die Münzen zum Nennwert aktiviert und die Gutschrift an den Staat passiviert. Für den Staat dagegen hat sich ein Nettovermögenszuwachs in Höhe der Differenz von Nennwert und Herstellungskosten ergeben. Vermögens-Schöpfung aus dem Nichts also.

Da aber der Anteil der Münzen an der gesamten "Geld-Menge" verschwindend gering ist, vernachlässigt man das einfach und behandelt Münzen der Einfachheit halber ("Konvention") wie ZB-Noten (Stobbe: "Durch Banknoten werden ... Kreditbeziehungen verbrieft, deren Glubiger die Besitzer der Noten und deren Schuldner die Zentralbank ist", a.a.O. S. 69)

Nach dem Modell der "Münzgeldschöpfung" stellen sich aber ja die meisten in Kreditwesen und Buchhaltung unkundigen die GESAMTE "Geldschöpfung" ("aus dem Nichts") vor: "der Staat" oder "ein Banker" rühren mit einer großen Schöpfkelle in einem Topf herum, in dem sich NICHTS befindet. Nun ziehen sie die Schöpfkelle "aus dem Nichts" heraus, und siehe da: sie quillt über vor lauter goldgleichem "Vermögen". Und der glückliche "Schöpfer", der nach dem Muster des lieben Gottes, der es hat Licht werden lassen ("fiat lux"), hat "Geld werden" lassen ("Fiat Money"), streicht damit den "aus dem Nichts" entstandenen "Geldschöpfungsgewinn" ein.

Beim Münzgeld lief es (jedenfalls 1964) tatsächlich so, wobei der Staat derjenige war, der den Münzgeldschöpfungsgewinn ("Seignorage") eingestrichen hat.

Der dottore hat das übrigens hier ebenfalls mal genau so dargestellt, wie die Suchfunktion leicht beweisen kann.

Nur: tatsächlich besteht ja nur der allerkleinste und unwichtigste Teil allen "Geldes" aus Münzen, und nur ein kleiner Teil aus Banknoten. Der Rest besteht aus Guthaben ("Einlagen"), das Geschäftsbanken bei ZBen halten (ZB-Passiva), und Guthaben ("Einlagen"), das Nichtbanken bei Geschäftsbanken halten. Gar nicht zu reden von den Vielerlei "geldnahen Aktiva" wie Wechseln früher) und anderen Wertpapieren, die ihr Besitzer problemlos und schnell durch Verkauf an eine Bank "zu Geld machen" kann (Aktivtausch für ihn, Bilanzverlängerung für die Bank).

In other words, das ganze Gerede um "Geld", "Geldschöpfung" und "Geldwirtschaft" lenkt nur ab von dem, was wir eigentlich verstehen müssen: Kreditwirtschaft. Und da gilt nun mal Saldenmechanik, die deswegen auch Grundlage der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ist.

Danke für Deine entschwurbelte Beschreibung der Fristentransformation der Banken! Auf die werde ich noch zurückkommen, um die Klärung bzw. sprachliche Präzision noch etwas voranzutreiben!

Gruß, PE

(*) Dazugehörig gab es von Stobbe ein Werk mit dem Titel "Gesamtwirtschaftliche Theorie". Das wurde interessanterweise 1987 "grundlegend überarbeitet", sprich: verschwurbelt und bekam dann denn Titel "Makroökonomie" ...


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