Steigt das Allgemeinwohl durch den Wegfall von Staatsanleihen?
All deine meinetwegen positiven Effekte durch Kredite entstehen im
Zusammenhang mit der "Kredit"-Aufnahme des Staates auch, wenn er sie direkt
bei sich aufnimmt und nicht dafür noch Zinsen zahlen muss. Im Gegenteil:
für das Gemeinwohl wäre es wohl eindeutiger besser, wenn das Geld, das
nun für Zinsen drauf geht, entweder für Steuersenkungen oder für
Infrastruktur-, Bildungs- oder ähnliche Investitionen verwendet würde.
Hallo
Wenn der Staat das gedruckte Geld „sinnvoll" investiert, sprich so, dass auch die Produktivität steigt bzw. positive Erwartungen und somit Nettoneuverschuldung von privaten Unternehmen initiiert würde, dann könnte es klappen ?? Hm...
Doch ich bezweifle, dass diese Effekte eintreten. Zudem steht die Frage im Raum, warum der Staat (im Rahmen seines Steuerhaushaltes) nicht konsumtive Ausgaben zurückfährt und in gezielte Investitionen umwandelt und er stattdessen nun Geld drucken soll.
Vorerst: Bei Verschuldung des Staates profitieren die Staatsgläubiger zwei mal: mikro-und makro-ökonomisch.
a) Falls durch staatliche Investitionen die Produktivität steigt, steigen ex post direkt oder indirekt auch insgesamt die Einnahmen (Gewinne /Umsätze) der Anleihen-Gläubiger, wegen allgemein positiver Stimmung in der Wirtschaft (private Brutto-/Netto-Neuverschuldung von Unternehmen steigt ---> Löhne der Rentensparer steigen ebenfalls insgesamt oder werden zumindest erhalten).
Durch steigende Produktivität hat der Staat zudem mehr Steuereinnahmen und kann sie wiederum in Infrastruktur investieren, wovon Gläubiger ja ebenfalls mehr oder weniger indirekt/direkt profitieren.
b) Durch reinen staatlichen Konsum fließen den inländischen Gläubigern (Banken, private Rentensparer und Unternehmer in Form von Löhnen/Umsätzen) ebenfalls unabhängig von Produktivitätssteigerung oder Zunahme der Infrastruktur staatliche Geldflüsse zu, keine Frage.
Investiert der Staat über Defizite in die Transfer-Haushalte, erhalten diese Geldflüsse. Die wiederum konsumieren und die Gelder verteilen sich ergo in der VoWi, das gleiche im Bildungssektor u.a.
So oder so, das Geld kommt entweder direkt oder in der zweiten, dritten „Runde" auch bei den Gläubigern wieder an.
Tilgt nun der Staat, werden die Gläubiger (Halter v. Anleihen) zweimal entlohnt, einmal teilweise oder vollständig durch die Geldflüsse von a) und b) und dann mit der vollen Summe durch die Rückflüsse bei staatlicher Tilgung (plus Zins), wobei sich die Gläubiger ex ante nochmal per Konsum mit dieser vollen Summe am Sozialprodukt bedienen können.
Über Steuern (oder Eigenkonsum statt Sparen) werden sie nur einmal belohnt durch das Sozialprodukt.
Bei ausländischen Gläubigern muss man genau hinsehen, inwieweit auch dort die Geldströme wieder über Umwege zu den Gläubigern zurückkommen. Wenn Griechenland z.B. zu uns mehr importiert als exportiert trifft das sicher zu. Nur dass sich die Geldströme bei der inländischen Verschuldung imho schneller auf alle Staats-Gläubiger verteilen. Bei der USA trifft das nicht zu, da sie ein negatives Außenhandeslsaldo haben.
Wie sich die Geldströme aus a) und b) insgesamt nach der ersten Runde verteilen, ist nicht nachvollziehbar. Ist z.B eine große Bank der Staats-Gläubiger, erhält diese die ZBReserven über Umwege zurück (ob in voller Höhe der Anleihen, ist fraglich). Die Zinserträge aus Staatsanleihen gehen aber dann nicht nur zu den Aktionären sondern zu allen Zins-/Lohnempfängern bei der Bank.
Die Bank wirtschaftet ja nicht nur für die Aktionäre, auch wenn sie die Erträge hierbei auf einen kleineren Empfängerkreis konzentrieren, geht das Gros der Zinserträge doch in Form von Löhnen an die Angestellten und privaten Banksparer (Gläubiger wie z.B. Rentenfonds, private Festgeldsparer u.ä.), die Summe der Erträge verteilt sich dabei dann aber auf einen größeren Empfängerkreis, was den Eindruck hinterlässt, NUR die Aktionäre oder Manager profitieren vom Geschäftsmodell einer Bank. Hier sind viele auf einem Auge blind.
In der zweiten und dritten Runde nimmt der Konzentrationsprozess zu den staatlichen Zinsgwinnern natürlich zu.
Die Frage ist nun, inwieweit das Gemeinwohl besser dran wäre, wenn der Staat die Zinsen bzw. Anleihen einspart. Die staatliche Altersvorsorge fiele weg, weil diese auf staatliche Zinseinnahmen bzw. auf das Halten von Staatsanleihen angewiesen ist (Risikostruktur des Portefolios). Die Anzahl institutioneller Anleger und Versicherungen würde in jedem Fall stark zurückgehen, und damit mehr Arbeitslosigkeit.
Die Sparer müssten dann entweder riskanter sparen (mit höherer Risikoprämie) oder das Geld selbst auf die Bank legen. Die Banken wären dann wieder die alleinigen Treuhänder der Sichteinlagen.
Die Refinanzierungsmöglichkeiten der Banken (durch Hinterlegung von Staatsanleihen) würde ebenfalls reduziert. Die ZB müsste nun vermehrt private Schuldtitel entgegennehmen mit niedrigerer Bonität.
Das macht sie zwar jetzt auch schon, bloß könnten die Anleihen kompensiert werden?
Die ZB käme also unter Druck, sämtliche Reserven per Bilanzverlängerung direkt und terminlos zu drucken, um die Geldbasis zu erhalten, da private Schuldtitel zur Refinanzierung der Banken nicht ausreichen?
Statt Anleihen sind nun vermehrt ZBReserven in der Aktiva der Banken.
Die Liquidität im Interbankenmarkt würde ebenfalls sinken, da weniger Titel (mit hoher Bonität) hinterlegt werden können.
Allein schon durch den Ausfall der institutionellen Anleger (Rentenfonds, Versicherer) würde ich mal im ersten Schritt behaupten, sinkt das Gemeinwohl, wegen vermehrter Arbeitslosigkeit.
Das Rentensystem müsste dann auf reine Umlage umgestellt werden, was aber nicht tragisch wäre, schafft aber mMn keine Arbeitsplätze.
Das Hinterlegungsprozedure von Staatsanleihen im Rahmen von WPPG ist zwar auch inflationär - hierbei wird privates Kreditgeld vorübergehend in Staatsgeld verwandelt zwecks Ausgleich von Interbankensaldi - diese Repogeschäfte sind aber i.d.R. kurzfristiger Natur.
Bleiben die Reserven längerfristig im Interbankenmarkt (längerfristiger Aufkauf von Staatsanleihen via ZB am Sekundärmarkt), kann es preisinflationär in der Realwirtschaft wirken, wenn entsprechend private (Brutto/-Netto-Neuverschuldung vorhanden ist. Ansonsten werden nur die Aktiva der Banken verändert sprich Reserven statt Anleihen. Bei Staatsanleihen hoher Bonität hat die Bank dabei nichts gewonnen, sind es schlechte Anleihen, wird das (Risiko-) EK der Bank dadurch wieder gestärkt. Bringt aber ebenso wenig, wenn niemand private Kredite haben will.
Die Kreditgeldmenge würde durch direktes staatliches Drucken (via Transferleistungen) aber höher steigen als über das Anleihenprozedure. Denn wie bereits festgestellt, sinkt die (inländische) Geldmenge M1 teilweise auch wieder durch Ankauf von Staatsanleihen durch Private (Investmentfonds, Versicherungen, Haushalte etc.) -- > Bilanzverkürzung
Kaufen nur (inländische) Banken die Dinger, steigt die Geldmenge M1 durch staatliche Transferleistungen ---> Bilanzverlängerung.
Ob das höhere Effekte auf die VoWi hat, bleibt dahingestellt. Ein Teil der Schuldner kann durch staatl. Drucken nun zwar schneller tilgen (Bonität erhöht sich wieder) und ein Teil der Wirtschaftenden erhöht ihre Zahlungsmittelbestände.
So oder so beginnt aber ein debitistisches Dilemma, wenn keine Neuschuldner und Wachstumsmärkte auftauchen, denn der Staat kann nicht dauerhaft die Geldmenge M1 aufrecht erhalten.
Wer sagt denn, dass sich die inländischen Tilger neuverschulden? Selbst die deutschen nichtverschuldeten Unternehmen mit Eigenkapital investieren brutto/netto immer weniger im Inland, sondern verlagern Investitionen ins Ausland (China, Indien, Afrika), da dort die Profite (ROI) höher sind. Das führt allerdings ebenfalls zu Rückflüssen, weil der Export steigt. (China , Indien, Afrika etc. wird kaufkräftiger).
Denn unsere Märkte sind zwar nicht gesättigt, aber die inländische Konsumnachfrage nimmt allgemein in alternden Volkswirtschaften immer mehr ab, den irgendwann hat jeder einen gewissen Grundstock, bzw. Konsum hat seine Grenzen und der Markt ermöglicht nur noch eine begrenzte Anzahl von Unternehmen. Man könnte bestenfalls über den unteren Einkommenssektor noch ein Strohfeuer entfachen.
Dazu müsste der Staat aber dauerhaft alimentieren und die ZB-Bilanz ebenfalls aufblähen, oder er vermeidet Staatsdefizite und holt sich das Geld per Steuern wieder.
Doch was ihm bisher nur schlecht gelungen ist, warum sollte es durch Geldrucken besser gelingen?
Ob das Geld generell durch staatl. Gelddrucken „entwertet" wird, sei erst mal nachrangig, denn Geldwert beruht sowieso auf Vertrauen. „Entwertet" wurde es schon längst durch das Staatsanleihenprozedure mit den Zentralbanken seit Jahrzehnten (EZB, Fed u.a.).
Gruß