Wie funktioniert echte, direkte Demokratie ..

Beo2, NRW Witten, Montag, 28.12.2015, 20:52 (vor 3328 Tagen) @ Leserzuschrift8640 Views
bearbeitet von unbekannt, Montag, 28.12.2015, 21:05

Hier ist mein vorläufiges Konzept einer direkten, permanenten Demokratie (DD):

Das Bundesparlament und die Regierung

Das Bundesparlament in der DD wird die Funktion eines Aufsichtsrats haben, ähnlich wie in einer Firma. Dieser Aufsichtsrat erstellt im zugehörigen (Postenvergabe-) Ausschuss und genehmigt mehrheitlich im Plenum eine detailierte Stellenbeschreibung für jeden einzelnen Ministerposten sowie für die Kanzlerschaft. Der Ausschuss schreibt anschließend ein öffentliches Bewerbungsverfahren aus. Jeder Bürger, auch Mitglieder des Parlaments, kann sich zunächst schriftlich für einen (oder mehrere) der Ministerposten und die Kanzlerschaft bewerben. Die vom Ausschuss vorläufig ausgewählten Bewerber stellen sich im Plenum in öffentlichen Sitzungen vor. Die Posten werden vom Parlament mit einfacher Mehrheit schließlich einzeln besetzt. Die Einstellung erfolgt auf unbestimmte Zeit und ist mit einer Frist vom Parlament mehrheitlich kündbar. Unter gesetzlich festgelegten Bedingungen ist auch eine fristlose Kündigung möglich.
Der Kanzler/in hat keine Möglichkeit, ein anderes Regierungsmitglied zu entlassen. Dies stärkt die (relative) Unabhängigkeit der Minister und Kabinettsmitglieder. Die Regierung führt die Regierungsgeschäfte gemäß einer Geschäftsordnung, welche detailiert die Kompetenzen des Kabinetts, zusätzlich zu den Stellenbeschreibungen, bestimmt. Sie ist eine Art "Geschäftsführender Vorstand" und hat sich den Entscheidungen (Bürgerentscheiden) der permanenten, informellen Bürgerversammlung zu fügen und diese umzusetzen (vgl. Aktionärsversammlung) .. ähnlich wie in der Schweiz, nur viel direkter, selbstverständlicher und effektiver (geradezu "voll automatisiert"). Zur technischen Logistik des "permanenten Bürgerentscheids" komme ich weiter unten. Die Mitglieder des Bundesparlaments sowie der Regierung sind Vollzeitarbeiter und werden selbstverständlich entlohnt; sie sind "nur" bezahlte Angestellte des Bürgervereins.

Wie kommt das Parlament zustande

Es gibt verschiedene Parlamente, und zwar auf mehreren Ebenen, so z.B. die Stadtparlamente, die Bezirksparlamente, die Landesparlamente und das Bundesparlament. Die Mitglieder eines Parlaments (Delegierte) werden von jeweils darunter liegenden Parlamenten gewählt und hin entsandt, angefangen mit den Stadtparlamenten bis hin zu dem Bundesparlament. Politische Parteien sind bei den Wahlen nicht zugelassen, sondern gewählt werden können nur natürliche Personen. Es ist also dem ähnlich, was mensch heutzutage innerparteiliche oder vereins-/verbandsinterne Demokratie nennt: auch da wird ja von unten bis nach oben, von den Ortsvereinen bis zum Bundesvorstand durchgewählt. Politische Parteien bzw. Vereine sind zwar nicht verboten, spielen aber in dem formal-politischen Regelwerk und bei der Postenbesetzung keine Rolle.
Auf der untersten Ebene sind die Stadt- oder Kommunalparlamente zu wählen. Dies tun die Bürger der jeweiligen Kommune in einer direkten Personenwahl, die z.B. alle 2-3 Jahre stattfindet. Eine Abwahl der Ratsmitglieder ist aber mehrheitlich jederzeit möglich. Das konstituierte Stadtparlament selbst wählt nach einer Weile und entsendet 2-3 Delegierten in das übergeordnete Bezirksparlament usw.. Auf allen Ebenen werden also ausschließlich natürliche Personen gewählt, die mensch persönlich kennt oder zumindest kennenlernen kann. Die Mitglieder der verschiedenen Parlamente werden zwar routinemäßig für 2-3 Jahre gewählt, können aber jederzeit durch Mehrheitsbeschluss des sie entsendenden Parlaments zurückgezogen und ersetzt werden.
Die Funktion der Parlamente als Aufsichtsrat gegenüber der jeweils zu bestellenden Regierung habe ich oben beschrieben. Es, d.h. das Regelwerk funktioniert auf allen Ebenen gleich.


Die technische Seite (Logistik) der Bürgerentscheide

Die Bürgerentscheide finden an den "Geldautomaten" statt. Diese Geräte besitzen z.B. ein größeres Display und werden Multifunktional ausgestattet. Vereinfacht gesagt: Eine Taste gibt es für die Geldentnahme, eine andere für die Kontoauszüge, eine andere für die Liste der momentan zur Entscheidung anstehenden politischen Vorhaben und Gesetze, eine andere für die örtliche Ratswahl u.a.m.. Mensch steckt also sein Personalausweis rein und wählt die Liste der aktuell und befristet laufenden Entscheide an. Mensch blättert die einzelnen Entscheide durch und gibt jeweils, wo mensch gerade möchte, sein Votum ab: durch Drücken der Taste JA oder NEIN. Die Bürgerentscheide sind immer mit einer Frist von z.B. 6 Wochen versehen, innerhalb welcher ein Votum abgegeben werden kann. Diese Information u.a. erscheint ebenfalls auf dem Bildschirm.
Wie gesagt, dies geschieht an den "Geldautomaten". Aus Sicherheitsgründen könnte ein persönlicher Entscheid notwendigerweise an zwei verschiedenen Orte in der Stadt in einem Abstand von 2 Tagen erfolgen müssen, oder ähnlich. Auch Änderungen bereits getroffener persönlicher Entscheidungen sollten innerhalb der Abstimmungsfrist problemlos möglich sein.
Weiter: Es gibt ja auch noch das verbesserte Internet, wo mensch die Lebensläufe aller Delegierten, Kandidaten und Bewerber aller Ebenen nachlesen kann, wo mensch politische Vorhaben diskutieren oder auch vorschlagen kann (vgl. Petitionen u.ä.), und wo mensch sich über die aktuell laufenden Bürgerentscheide, deren Fristen und Inhalte informieren kann. Und natürlich, es gibt auch noch die öffentlichen und privaten Pressemedien, das TV usw., die ebenfalls die Bürger nach Herzenslust informieren dürfen. Auch in vielen öffentlichen Gebäuden können sich Bürger mittels gedruckter oder elektronischer Medien informieren, bevor sie zum "Geldautomaten" gehen, um ihre Entscheidungen abzugeben.

Die Bundes- oder Landesverfassung

Das komplette Regelwerk über das Zustandekommen der Parlamente sowie der Regierungen auf den verschiedenen Ebenen kommt per Bürgerentscheid in die Bundes- bzw. Landesverfassung (Satzung) geschrieben. Einzelne Paragraphen können natürlich jederzeit per Bürgerentscheid suspendiert oder geändert werden .. Landesparagraphe von den Landesbürgern, Bundesparagraphen von den Bundesbürgern, Stadtverfassung von den Stadtbürgern. Die Verfassung ist ja keine heilige Kuh, sondern eine Vereinssatzung. Die Vereinsmitglieder sind alle wahlberechtigten Staatsbürger der jeweiligen Region.
__________________________

So, das wäre also eine sehr grobe Skizze meines Konzepts, ein Gerippe sozusagen, an das noch viel Fleisch und viele Details kommen muss. Es ist zu verstehen als eine "soziale Technologie", wie mensch politische Entscheidungsprozesse in einem Land oder Staat so organisieren kann, dass alle Bürger daran möglichst permanent teilnehmen können. Eine solche Technologie muss jedoch immer weiter entwickelt werden wie jede andere Technologie auch (Technik, Verfahren). Diesem Prozess, der im Lichte der gemachten Erfahrungen und durch ständige Verbesserungen geschieht, sind immanent keinerlei Entwicklungsgrenzen gesetzt. Es kann unendlich weit verbessert und verfeinert werden, so z.B. und insbesondere, wie mit unterlegenen Meinungsminderheiten umgegangen werden solle. Hier kann es sehr interessante, durchaus positive Lösungen und Verfahrenskompromisse geben, damit auch Minderheiten eine angemessene, ihrer Größe proportionale Berücksichtigung finden.
Eine echte Demokratie bedeutet auch nicht unbedingt, dass es immer nur "einfache Mehrheiten" geben muss. Dies wäre sozusagen eine Minimaldemokratie, wennauch bereits eine echte. Es sind auch 2/3, 3/4 oder 4/5 Mehrheiten usw. denkbar, je nach funktionalen Teilbereichen.
Und wie gesagt, der Kreativität bei der Entwicklung einer solchen sozialen Technologie sind prinzipiell keine Grenzen gesetzt. Auch die Düsenjets, das Spaceshuttle, die Atomkraftwerke etc. sind ja nicht von heute auf morgen entstanden. Und das ist noch lange nicht das Ende der weiterhin möglichen Entwicklungen. Das alles hatte sehr einfache oder gar primitive Vorläufer, welche stetig verbessert wurden. Jede Technologie besitzt ihre eigenen Entwicklungsmöglichkeiten.

Versteht dies bitte als ein alternatives Zukunftsmodell neben anderen, so z.B. neben dem angeblich alternativlosen, rückwärts gewandten Steinzeitmodell der sogenannten Debitisten. Der evolutionäre Wettbewerb der verschiedenen Modelle wird es gewiss schon richten.

Gruß, Beo2


gesamter Thread:

RSS-Feed dieser Diskussion

Werbung

Wandere aus, solange es noch geht.