Eigentumswirtschaft ist initialisierende Gewalt
Nein, hast Du nicht. Ich habe auch hier im Forum schon zig mal darauf
hingewiesen, dass "Eure" Definition von Zwang und Gewalt schwammig ist und
nur dem Motiv geschuldet ist, initiierende Gewalt, die "Ihr" (Bill, MP,
etc.) für geboten haltet zu rechtfertigen.
Kann nur fuer mich selber sprechen:
Mir geht es nicht um persoenliches, und nicht darum irgendetwas zu rechtfertigen. Sondern darum, zu verstehen.
Ob Gewalt in dem einen Umstand gerechtfertigt, in einem anderen Umstand nicht gerechtfertigt ist, interessiert mich zunaechst einmal nicht, denn das sind moralische Kategorien, und Moral ist immer eine persoenliche Auslegung. Im Islam wird es etwa in weiten Teilen als moralisch empfunden, wenn ehebrechende Ehefrauen gesteinigt werden. Ich halte das nicht fuer moralisch gerechtfertigt. Der Eine wird sagen, hier wird initierende Gewalt gegen das Leben der Ehebrecherin ausgeuebt. Ein anderer wird sagen, hier wird verteidigende Gewalt fuer die Heiligkeit der Ehe angewandt (die eben - andere Menschen, andere Sitten - einigen Gesellschaften so heilig und unverrueckbar erscheint wie unserer das Eigentum). Da wird man auf keinen gemeinsamen Nenner kommen.
Was man aber unleugbar feststellen kann, ist, dass Gewalt angewandt wird.
Zur initierenden Gewalt:
Als die Europaer nach Amerika kamen, fanden sie eine eigentumslose Landmasse vor. Die war jedoch nicht unbewohnt, sie war allerdings lediglich in Besitz dort lebender Indianerstaemme.
Wenn dieses Land nun in Eigentum genommen wurde, sprich ein Rechtstitel auf das Land erstellt und ein Zaun um das Land gebaut, mit der Drohung, jeden zu erschiessen, der, nunmehr 'unberechtigt', seinen Fuss auf das Land setzt, so ist dies redlicherweise eine initierende Gewalt, welche dem bisherigen Besitzer etwas wegnimmt. Und diese gewaltsame Landnahme ist der Beginn der Eigentumswirtschaft, ohne welche der Kapitalismus sich nicht haette entwickeln koennen. Es ist m.E. intellektuell unredlich, die systemische Gewalt als 'Notwehr' wegdefinieren zu wollen. Damit wird genau die Rechtfertigung von Gewalt betrieben, die oben von Dir anderen unterstellt wird.
Nimmt man die moralische Kategorie heraus, so bleibt ganz leidenschaftslos und ungerechtfertigt das Faktum uebrig, dass Eigentum (als Konstrukt) immer erst mittels Gewalt - und zwar systemischer, gesellschaftlicher Gewalt - konstituiert wird, und ebenfalls mittels Gewalt verteidigt oder aber aufgehoben wird.
Dasselbe passiert mit
"Freiheit", die ihr als "positive" (nice word) Freiheit zu verstehen
scheint, wo es im politischen Kontext aber nur eine "negative" (bad
libertarian marketing) Freiheit geben kann, weil "positive" Freiheit die
negative Freiheit anderer bricht.
Der Indianer ohne Rechtstitel zur Exklusion anderer wuerde wohl sagen, dass die negative Freiheit des Einen umgekehrt ebenso die positive Freiheit des Anderen bricht?
Warum er daraus irgendwie schlussfolgern koennte, dass es daher nur eine der beiden Freiheiten geben kann (vermutlich meinst Du, gerechtfertigt sein kann), erschliesst sich mir nicht.
Nach Eurer Sichtweise ist Eure Gewalt Notwehr gegen "systemische" Gewalt
oder so.
Nach meiner Sicht nicht. Es ist Gewalt. Full stop. Ohne Rechtfertigung, ohne Verurteilung. Die moralische Diskussion ueberlasse ich anderen. Da hat jede Religion eine andere Interpretation.
Nach meiner Sichtweise ist es initiierende Gewalt und meine Gewalt
die Notwehr.
Wenn also ein Eigentuemer dereinst alles Eigentum erworben hat (ein neuer Superkaiser zB), dann waere er dieser Logik zufolge berechtigt, gegen alle anderen Menschen Notwehr in Anspruch zu nehmen, wenn auch nur ein Einziger wagen sollte, ein Ding auf dieser Welt gegen seinen Willen in Besitz nehmen zu wollen?
Nach Eurer Definition könnte ich schlüssig argumentieren, dass ich aus
Chanchenungleicheit heraus leider keinen Zugang zu schönen Frauen habe,
das bereits Gewalt sei und die schönen Frauen sich gefälligst
umzuverteilen haben.
Im Gegenteil, dieses Denken kann nur von einem Eigentumsfundamentalisten kommen, dem es nicht von vornherein ganz undenkbar und absurd erscheint, auch noch den 'Zugang zu schönen Frauen' im Gedankenspiel als eine Art Rechtstitel zu interpretieren, der - in welcher Form auch immer - dem einen zustehen koennte und dem anderen nicht.
Eigentum hingegen ist - anders als der 'Zugang zu schönen Frauen' - ganz unstrittig und unbestreitbar ein rechtliches Konstrukt, ein von Menschen festgelegtes, mittels Gewalt konstituiertes und verteidigtes Rechtsgut.
Diese Tatsache (Eigentum ist ein rechtliches Konstrukt) ist der liberalen Theorie verstaendlicherweise unangenehm - denn es macht Eigentum damit objektiv hinterfragbar. Das erklaert auch, warum die liberale Philosophie sich wider der empirischen Anthropologie stark mit der Suche nach einer hoeheren, quasi gottgegeben a priori-Rechtfertigung des Eigentums abmuehte, anstatt einfach die Hinterfragung anzunehmen und die beobachtbaren Phaenomene objektiv zur Bewertung heranzuziehen (zB die utilitaristische Ueberlegenheit der wirtschaftlichen Nutzung von Eigentum, wie dann LvM). Oder wie in Wikipedia im ausfuehrlichen Eintrag zu Eigentumstheorien treffend formuliert:
Die Okkupationstheorie ist die historisch älteste Auffassung, die sich bis in die Antike zurückverfolgen lässt. Ihr Nachteil ist, dass sie politisch weitgehend neutral ist und sowohl für die Begründung eines liberalen Staates, als auch für eine absolutistische Herrschaft und für eine dem Gemeinschaftsprinzip folgende Ordnung herangezogen werden kann.[4] Aus diesem Grund entwarf John Locke das Konzept der Arbeitstheorie, weil auf deren Grundlage ein Eingriff des Staates in die individuellen Rechte nicht mehr zu rechtfertigen war. Diese Theorie setzte sich in der Aufklärung durch und wurde ein vorherrschendes Paradigma bis in die Moderne. Erst in jüngerer Zeit gewannen eine pragmatische Sicht, etwa wie bei Hume, und das Kantische „Vernunftrecht“ an Bedeutung. In der Gegenwartsliteratur mehrt sich die Sicht des Eigentums als ein „Bündel“ von Rechten und Pflichten in einem demokratischen Rechtsstaat.
Wer das nicht glaubt ist herzlich eingeladen sich davon zu überzeugen,
wenn er versuchen möchte mich umzuverteilen.
Kommentare wie dieser legen nahe, dass Du nicht willens oder in der Lage bist, das Thema abgeloest von Deinem persoenlichen Empfinden und deinen Moralvorstellungen zu debattieren.
Zivilisierte Menschen (ist hier ja auch ein Schimpfwort, aber ok) sagen
vorher "Bitte" und danach "Danke". Sozialisten aller Couleur rabulisieren
sich ein Recht auf andere zurecht. Your choice.
Es ging in dieser Diskussion um das Recht auf Eigentum und dessen Auswirkungen, Entstehung, Voraussetzungen; nicht um 'ein Recht auf andere'.
Gruss,
mp
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