Den Nippel durch die Lasche ziehen
Hi,
Ich frage mich ja, ob ich in meiner libertären Schublade auch so
selbsgerecht bin und komme immer nur auf die Antwort, dass ich ja niemanden
zu irgendetwas zwingen will. Der "andere-in-Ruhe-lassen-wollen-"-ismus, ist
insofern der einzige für mich akzeptable -ismus und ich kann mir
normalerweise recht gelassen alle möglichen Ansichten anhören, weil ich
mir denke: naja, so lange ich nicht mitmachen MUSS...
Dahingehend muss dir aber klar sein, dass dir Individualität nicht per se zusteht. Sie wird überhaupt erst durch den Staat ermöglicht - und da auch nicht in jedem, wenn man sich mal sozialistische oder faschistische Systeme ansieht.
Individualität ist meines Erachtens nach die Begrenzung anderer auf den Einzelnen einzuwirken bzw. Zwang auszuüben. Aber auch das wieder nur in einer innerhalb des Systems selbst begrenzten Art und Weise, d.h. bspw. dass man den Besteuerungszwang da eben nicht gänzlich abschaffen kann, aber hoffentlich die sexuelle Entfaltung freigestellt ist (insofern natürlich auch hier kein Zwang auf andere ausgeübt wird).
Inwiefern unterscheidet sich diese "Entwicklung" denn vom
Tauschmittelparadigma?
Genau das frage ich mich ja auch.
Ich meine, dass der Blickwinkel ein wesentlich anderer ist. Statt der Annahme von ach so freiwilligen Plattitüden wird deutlich, dass (durch eine Notlage) eine Behelfskonstrukt geschaffen worden ist, welches zu bestimmten Handlungen zwingt. Die Vorstellung der natürlichen Freiheit (im Sinne von: man sei sein eigener Herr, niemandem unterworfen, etc. könne tun und lassen, was man wolle) ist dahin. Es hat sie weder im Stamm, noch in der jetzigen Gesellschaftsform je gegeben und da, wo man sie verortet, ist sie lediglich ein stark beschnittener Schatten jener Freiheit und fußt auf der Unterwerfung und Ausbeutung anderer.
Ok. Von mir aus. Vielleicht hat der Staat auch das Internet erfunden und
jetzt hat er eben den Kollateralschaden, dass das Volk es gegen ihn
verwendet. Dann ist es mit "Geld" und "Wirtschaft" halt von mir aus auch
so.
Mh, ich bin mir nicht sicher, ob du mich da korrekt verstanden hast. Geld und Wirtschaft gegen den Staat zu verwenden, wäre so, wie die Pedale gegen das Fahrrad richten zu wollen.
Die einst solidarischen Verhältnisse (die gegenseitige Aufopferung
ohne
konkrete Bewertung) wurden damit völlig auf den Kopf gestellt
(die
durch das Risiko des Gläubigers entstandene Aufopferung des Schuldners
samt plötzlich konkreter Bewertung mit Sanktion zum Termin
etc.).
Ok, von mir aus. Aber Du darfst Dich doch für jeden aufopfern, wenn Du
magst. Wo ist das Problem?
Die Freiwilligkeit dieser Handlung, d.h. es gibt kein automatisches solidarisches Korrektiv beim Gegenüber, soll heißen: "OK, ich opfere mein Hab und Gut für dich, den ich nicht kenne, weil ich gerade Bock drauf habe - aber ich habe keine Garantie dafür, dass du im nächsten Winter dasselbe für mich tuen wirst, wenn die Lage umgekehrt ist, eben weil wir keine sozial-solidarische Bindung haben". Es braucht im staatlichen System also in einem gewissen Umfang die Zwangssolidarität der Bevorteilten und den Schutz der Unterprivilegierten.
Ich opfere mich auch manchmal gerne für andere
auf. Wir haben doch heute das Problem, dass Aufopferung erzwungen wird,
womit es dann garnicht mehr Aufopferung ist (siehe
"Solidaritätszuschlag").
Das sehe ich eben nicht grundsätzlich als Problem, siehe Vorabsatz. Es wird dann zum Problem, wenn die Zwangssolidarität offensichtlich ausgenutzt wird.
Bitcoin ist bzgl. konkreter Bewertung etc. ein schönes Bsp.: die
Blockchain ist so konstruiert, dass ich mit jemandem in China Transaktionen
ausführen kann, ohne dass ich dem anderen Vertrauen muss. Es ist alles
für alle in der Blockchain einsehbar.
Es ist ja ein allgemeiner Vorteil bei der Verwendung von "Geld", dass du beim Tagesgeschäft nicht erst die Bonität jedes Vertragspartners einschätzen musst, sondern die jeweilige Bank das für dich übernimmt und du nur deiner Vertragsbank vertrauen brauchst.
Ich muss bei dem Thema an das Beispiel denken, dass es enttäuschend und
ernüchternd ist, wenn man einen Preiszettel an seinem Geburtstagsgeschenk
findet, weil man dann plötzlich eine konkrete Zahl sieht und auf die Idee
kommen könnte, Zuneigung messen zu wollen. Ja, ist doof. Aber eben nicht
nur, wenn`s nicht um Geschenke geht. Es ermöglicht eben auch zählen und
messen, Verhältnisse zu eruieren (=rationales handeln) etc..
Das ist ein ganz wunderbares Beispiel, weil gerade hier die Diskrepanz zwischen der unkonkreten, solidarischen Schuldbeziehung im sozialen Verhalten der konkreten, anonymisierten, wirtschaftlichen Schuldbeziehung gegenübergestellt und offengelegt wird. Man verhält sich dann aber auch nicht gemäß Potlach, sondern sucht einen kongruenten "Wert" zu schenken, der hier eben gerne auch rein emotional sein kann.
Geld ist eine nicht explizite Forderung ggü. dem Gläubiger-Eigentum
(indem der Schuldner die Herausgabe der gegen den Schuldner gerichteten
Forderung einfordern kann) und dem gegenüber steht die (eben diese)
Forderung des Gläubigers ggü. dem Schuldnereigentum (konkret lautend
auf
dem eben herausgegebenen). Es ist also nicht Gegenstand
derselben
Forderung, welche es repräsentiert, sondern geradewegs der
spiegelbildlichen - kann sich aber durchaus mit anderem Geld
überschneiden.
Ich verstehe nur Bahnhof und ich lese diese Passage jetzt ungefähr zum
zwanzigsten Mal...
Was ist eine "nicht explizite Forderung"? Inhaltlich nicht konkret
definiert? Und die richtet sich gegen den Gläubiger? Also schuldet der
Gläubiger? Wem denn? Was denn?
Ist echt nicht böse gemeint, ich stehe weiterhin auf dem
Schlauch...
OK, das habe ich wohl etwas zu abstrakt formuliert. Entschuldigung. Dröseln wir das mal an einem hoffentlich verständlichen Beispiel und hier mal ohne die machttheoretische Konstante in klassischer Art und ziemlich simplifiziert auf:
A geht zu B und nimmt einen Kredit auf. B möchte von A Pfand und Zins und schreibt im Gegenzug A eine Kontogutschrift ("B-Geld"). Ich hoffe, wir müssen jetzt nicht unnötig auf eine "Geld"-Definitionsdebatte einsteigen, weil du womöglich die Privatemission von B nicht als "Geld" anerkennst?!
A ist Schuldner und hält "B-Geld" (sprich eine "Forderung gegen B"), womit er den Kreditvertrag ("Forderung von B an A"), der gegen ihn (also A) gerichtet ist, auflösen und damit sein Pfand befreien kann. Man kann mit diesem "B-Geld" allerdings sämtliche "Forderungen von B gegen X" auflösen. Also: "Geld" ist eine nicht explizite Forderung ggü. dem Gläubiger-Eigentum.
B ist seinerseits Gläubiger und hält den Kreditvertrag gegen A (sprich eine "Forderung gegen A"), die konkret auf Zins, Pfand und Termin lautet. B kann dafür nun aber nicht ohne weiteres anderslautende "Verbindlichkeiten von A" einfordern/tilgen. Der Kreditvertrag ist offensichtlich kein "A-Geld", kann aber zediert und damit selbst zu (anderem) "Geld" werden (ggf. "A-Geld").
Nun betrachten wir den Sonderfall der Insolvenz von B. Haben hier nicht gerade die Halter von "B-Geld" ein generelles Eigentumseingriffsrecht ggü. B, dürfen also nun gegen "B-Geld" jegliches Eigentum von B einfordern und damit auch etwaiges "X-Geld", welches B als Aktiva hält? Ich meine schon und damit überschneidet sich die "Forderung gegen B" ggf. mit anderem "Geld".
Naja. Es ist wohl eine Frage des "Zeitgeistes", dass "Rechts" gerade etwas
kleinlauter ist, wobei ich außer Xenophobie und vielleicht kulturellem
Permissivismus eh keinen Unterschied zwischen links und rechts feststellen
kann.
Die Zweidimensionalität reicht halt nicht aus, versuch dich mal an diesem Test (Beitrag dazu).
Best regards!â„¢
--
Gruß!™
Time is the school in which we learn,
Time is the fire in which we burn.
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