Mein Versuch zum Thema

Fabio ⌂, München, Donnerstag, 26.02.2015, 08:43 (vor 3944 Tagen) @ BillHicks12876 Views
bearbeitet von unbekannt, Donnerstag, 26.02.2015, 08:52

Hi Bill,

Ja, ich vermute, dass er sich selbst als Liberaler gesehen hat. Mein Punkt
ist: das ist ein Label, das sich bloß für gänzlich unproduktive
Diskussionen Socialists vs. Liberals eignet, aber zu sonst kaum was taugt.

Hm. Es sind "Labels", ja, mit allen Nach- aber auch Vorteilen. Ich glaube schon, dass Kategorien wichtig sind. Schwierig wird es eben, wenn Dein Gegenüber etwas anderes darunter versteht als Du und wenn die Kategorien zu Schimpfwörtern werden, bei denen die jeweils andere "Partei" auch davon ausgeht, dass das Gegenüber überhaupt versteht, dass eine Beschimpfung intendiert ist. Drollig ist es ja, wenn ein Liberaler einen Sozialisten als Sozialisten beschimpft und andersherum, beide aber das jeweilige Etikett eigentlich als Kompliment sehen.

Warum nicht? Was nutzt es mir "liberal" oder "sozialistisch" zu sein, wenn
ich meine "liberale" Weltsicht auf einer Theorie aufbauen muss, die u.a.
keine Erklärung für Geld und keine für Märkte hat? [Nun genaugenommen
gibt es schon eine Theorie für Märkte, aber die definiert alles
Wesentliche eines in der Wirklichkeit beobachtbaren Marktes gerade weg,
z.B. Marktliquidität, innere und äußere Spreads usw.
Und im Prinzip gibt es auch eine "Theorie" für Geld, nämlich dass Geld
ein Gut sei - und das ist und bleibt halt eine Schrott-Theorie, hilft ja
nix]

Zur Theorie der Märkte für mein Verständnis: Du meinst den "vollkommenen Markt"? Wie CM schon in puncto Geld sagte, hat die schon auch Erkenntnisgewinn gebracht, finde ich. Was wäre denn Deine alle Eventualitäten umfassende "Theorie für Märkte"?

Zum Geld: (hier hatte ich ja auf etwas mehr von CM erhofft...)

Wenn ich es richtig verstehe, dann hälst Du die Erklärung von Geld als marktgängistes Gut zur Erleichterung von Tausch als historisch für falsch. Damit habe ich auch als "Liberaler" kein Problem.
Ist die Alternative denn nicht, dass "Geld" sich als das am meisten praktikable Tilgunsmittel für Schuldkontrakte entwickelt hat und dabei dann trotzdem Edelmetall herauskam?
Ich verstehe immer noch nicht den Punkt, warum das so eine kopernikanische Wende sein soll.
Auch erschließt sich mir der Erkenntnisgewinn noch nicht, der folgen soll, wenn ich Geld als Forderung UND Gegenstand derselben (?) Forderung begreifen soll (sorry, der Knoten, den dieser Gedanke in meinem Hirn provoziert, lässt das immernoch nicht zu), siehe das Hütchenspiel-Bsp. von Liated:
http://www.dasgelbeforum.net/forum_entry.php?id=342979

Übrigens, was wohl auch on topic zur Frage nach "Was ist liberal" sein dürfte: selbst wenn das alles so wäre (Geld ist Schuld/Kredit/Forderung und gefordertes, Märkte voller Macht- und Informationsasymetrien): Mir erschließt sich aus all dem noch nicht die Notwendigkeit andere Menschen zu dem zu zwingen, was ich für richtig halte. Dir offenbar schon, obwohl Du immerhin über genau diese Frage nachdenkst und es Dir "Bauchschmerzen" bereitet, was Dich in meinen Augen übrigens schon zum "Liberalen" macht, weil es für mich zum Wesen des Nicht-Liberalen gehört, dass der jeweilige Zwecke ("Soziale" Gerechtigkeit, Gleichheit, "nationales Interesse", Volkswohl...) immer so heilig ist, dass selbst die aus meiner Sicht brutalsten Mittel das Gewissen offenbar nicht tangieren (ich war wie an anderen Stellen immer wieder gesagt bis Anfang 20 auch "links" und bin rückblickend fassungslos über meine selbstgerechte gedankliche Brutalität).
Woran das liegen könnte, siehe unten.

A) WAS genau ist ein Liberaler?


Das ist eine super Frage.
Ich versuch mich mal:
"Liberal" sind all jene, die glauben, dass es Privatheit ohne
Öffentlichkeit geben kann, die konsequent einzelwirtschaftlich denken und
dabei überzeugt sind, dass konsequent einzelwirtschaftlich motiviertes
Handeln durch etwas, das unreflektiert "Markt" genannt wird, automatisch zu
einem "Wohlfahrtsgewinn" führe.

Verstehst Du unter "einzelwirtschaftlich denken" das, was ich als "methodologischen Individualismus" bezeichnen würde? Also die Betrachtung des handelnden Individuums versus der Gruppe, der er aggregierterweise zugehörig sein mag?
Das gehört nämlich für mich zum Wesen des Liberalismus und das war für mich eines der "Aha-Erlebnisse", die mich die Brutalität meiner gutgemeinten linken Vorstellungen hat erkennen lassen. Solange ich über Menschen als Kollektive wie "Ausbeuter", "Kapitalisten", "Rechtsradikale" etc nachgedacht habe, war ich blind für den Einzelnen, den Einzelfall.
Der erste sich selbst so bezeichnende Libertäre, der mir (im Internet, Uni-Bib, Ende der 90er) begegnet ist, war z.B. ein "Holocaust-Revisionist" und ich stand auf einmal vor dem Problem, dass er mir sympathisch war, auch wenn mich seine Meinungen (und deren Implikationen) damals schockiert haben. Es hat mir auf einmal Leid getan, dass genau dieser Mensch in D im Knast schmoren müsste, für das, was ich da heimlich gelesen habe und dass ich auf einmal schwer verunsichert war und mich gefragt habe, ob ich nicht die selben Mittel befürworte, wie die von mir so verabscheuten "Nazis".

Eine jede Einwirkung der Öffentlichkeit
auf diesen Automatismus muss diesen Wohlfahrtsgewinn immer schmälern,
deshalb ist jede Einwirkung abzulehnen. Je mehr Ablehnung, desto liberal.

Verstehst Du "Privatheit versus Öffentlichkeit" als "Individuum vs Kollektiv mit Zwangslizenz qua eventueller Majorität"?
Ansonsten verstehe ich Deine Ausführungen nämlich nicht.
"Öffentlichkeit" hätte ich sonst z.B. als die Agora oder das Forum Romanum begriffen und ich sehe nicht das Problem, dass es beides geben kann. Privatheit ohne Öffentlichkeit und andersherum.


Beste Grüße

Fabio

--
“We are on strike against the dogma that the pursuit of one’s happiness is evil. We are on strike against the doctrine that life is guilt." John Galt

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