Durch Bruch der Vorfinanzierungsketten
Hallo Ashitaka
Grundsätzlich schreiben Steiger/Heinsohn in ihren 66 Thesen zu Eigentum,Recht und Freiheit:
§ 1 Gleich allen Menschenrechten ist auch das Recht auf Eigentum
kein natürliches Recht. Es existiert nicht vom Beginn der Menschheits-
geschichte an, wird vielmehr in bestimmten Perioden von Menschen ge-
schaffen, aber auch wieder vernichtet.
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Heinsohn geht genau den umgekehrten Weg. Er sieht die Schaffung der Poleis
(Staat, Rechtsperson) als einen durch gesellschaftlichen Druck erzwungenen
Akt ("...schaffen sie sich deshalb..."). Wir müssen aber, wie Martin es
bereits erklärte, berücksichtigen, dass es sich bei der Polis um eine
völlig neue Rechtsperson (erst danach Rechtsräume gewann) handelte, die
nur aus einer bestehenden und vorfinanzierten Zentralmachtordnung
(Vereinigung Königreich / kephale Stämme), durch Machtzessionen
(Rechtssetzung) entstehen konnte.
Zur Polis:
§ 7 Die ersten Eigentumsgesellschaften der Geschichte, die griechische pólis und die römische civitas, entstehen durch
anti-feudale Revolutionen. In ihnen taucht ein bis dahin nie gehörter und in andere Sprachen
unübersetzbarer Begriff auf: die Freiheit – eleutheria bzw. libertas.
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Hier sehe ich den Bruch zur alten Machtordnung. Diesen Bruch müssen wir geschichtlich immer wieder akzeptieren. Wie der „Schatz“ zustande kam, interessiert nach dem Bruch nicht mehr. Land, Häuser, Geräte (=Erbe) wechseln den Machthaber, der gemäß Â§1 Eigentum regelt. Die Finanzierungskette hat einen neuen Anfang!
Die Machthalter hatten ein finanzielles
und damit existenzielles Problem, dem durch Zusammenschlüsse der alten
Ordnungen und gleichzeitiger Machtzession und Machtkreislauf des Geldes
begegnet wurde. Natürlich sieht es für alle Denker der Zeit so aus, als
hätte das Volk eigene Dezentralmachtpositionen genutzt. Das glaubt man nur
solange, wie man sich die Frage der Vorfinanzierung nicht beantworten will.
Die Party ist eben nur solange möglich, wie die Vorfinanzierung der
weiterhin existenten Zentralmachtordnungen, die Abgabenhoheit einer
Zentralmacht, gewährleistet wird. Und Vorfinanzierung, das greift eben
auch vor die Entstehung der Polis.
Der Bruch erklärt immer wieder das Ende der Vorfinanzierung, durch Revolution/Krieg und Trennung.
Kriege mögen ein Grund für Tributeinnahmen gewesen sein.
Schon in der archaischen Zeit gab es die alles verwaltenden
Finanzverwalterstäbe. Abgaben und Redistribution mussten durch Gewalten
auch während der Vereinigungen und Rechtsetzungen ermöglicht werden.
Durch solche Stäbe wurden auch nach Installation der anfangs oligarischen
Poleis die öffentlichen Kassen verwaltet (Zentraltempelanlagen auf der
Akropolis). Steuern wurden dafür noch und nöcher erhoben.
Ohne Bürgerrechte gabs Kopfsteuern, ansonsten Verkehrssteuern, ad hoc Steuern
der Zensusklassen und Pachteinnahmen.
Pachteinnahmen sind keine Steuern. Man konnte den Konsum besteuern (Salzsteuer) aber keine bezahlte Lohnarbeit wie heute. Wie groß war damals die Zahl der Sklaven im Vergleich zu den steuerpflichtigen Bürgern? Der Sklavenanteil am Sozialprodukt? Zölle waren die wichtigste Steuereinnahme und das ist bis zum Ausbruch des 1.Weltkrieges so geblieben! Bei allem Respekt vor der antiken Welt, glaube ich die Alphabetisierungsquote im 19.Jahrhundert höher. Damit auch die Durchdringung der Wertschöpfung mit Abgaben.
Wir dürfen halt niemals den (vor)finanziellen Untergrund der Poleis
vergessen (die Fähigkeit, eine neue Rechtsperson durch Zentralmachtordnung
vorzufinanzieren). Unterschied zur archaischen Zeit: "Die Finanzverwaltung
der öffentlichen Geldeinheiten erfolgte nun durch Magistrate, die dem Rat
und der Versammlung rechenschaftspflichtig waren. Eine solche Rechenschaft
hat es vor den Polis nicht gegeben. Das Königstum wurde schon in der
archaischen Zeit nach und nach durch Sakralämter und oberste Beamte
(Archonten) ersetzt.
Der Menge an Finanzbeamten der Antike möchte ich eine Zahl entgegen stellen. Das dt. Reichsschatzamt im Jahr 1880 hatte 55 Beamte
(vgl. Nial Fergusson, der falsche Krieg). War die Antike besser staatlich durchsetzt, als das Industrieland Deutschland im 19. Jahrhundert?
Wie Rostovtzeffs feststellte, brachte der Anschluss an die Poleis für die
Bauern erhebliche Statusverbesserungen mit sich (persönliche Freiheiten
und Rechte, auch in Bezug auf die Abgabenlast). Solon verhalf schließlich
zum Durchbruch der Machtzession und konnte die Interessen der noch immer
großen Einfluss auf die Poleis ausübenden Großgrundbesitzeraristokratie
deutlich mäßigen.
Diesen Wandel erkenne ich in der Geschichte immer wieder. Einflussreiche z.B. Großgrundbesitzeraristokratie geben Rechte auf um gesellschaftlichen Druck zu mildern. Die Alternative wäre Revolution mit erneutem Bruch der Finanzierungsketten
(=Untergang der alten Machthaber). Am erfolgreichsten zeigen sich darin die Engländer mit ihrer überlebten Monarchie.
Es wurde halt nur den mykenischen Königen (Machthaltern) die Macht
entrissen, nicht aber die Zentralmachtordnung beseitigt. Im Gegenteil, sie
wuchs.
Hast Du dafür Quellen? Die dezentrale Ordnung war es, welche die Stadtstaaten nicht gegen die Perser, Römer und Osmanen standhalten ließ. Die teilautonomen polis zahlten Steuern an Rom…
Was mich an der Antike stört ist der widersprüchliche Forschung.
Warum messen wir der Antike so große Bedeutung bei?
Weil darin die Philosophie der modernen Staaten steckt?
Weil die Zentralgewalt im Mittelalter stark geschwächt war? Die Wirtschaftszentren waren freie Reichsstädte!
Weil der Bruch mit dem Mittelalter den Absolutismus, stehende Heere, neue Steuersysteme, funktionierende Zentralbürokratie, d.h. Nationalstaaten erst möglich gemacht hat?
Weil sich Nationalstaaten sogar ethnisch (alternativ zur polis = ethnos) definierten?
Weil der Patriotismus/Nationalismus die Basis der Zustimmung für Zentralmacht der heutigen Machtordnung ist?
Weil wir diese Lektionen so gut gelernt haben, dass Europa nie eine Chance hatte?
Ich will dir auf gar keinen Fall ausweichen, verstehe die Aussagen Heinsohns aber ab der Zeit 1000 n.Chr (vgl. 66 Thesen: rascher Wechsel zu den Lollarden 14.Jhd. ) Die philosophische Demokratie beruft sich zwar auf die Antike so wie die modernen Staaten, der Handlungszwang heute definiert sich aus der Geschichte der letzten 500 Jahre.
So wie die wütenden Jünglinge ihre Legitimation für Mord von irgendwoher (z.B. Religion) nehmen, legitimieren sich unsere Machthaber nach belieben.
Unser Problem heute ist der anstehende Bruch der Finanzierungsketten, dem daraus zwingend folgenden Ende der Machtstrukturen. Da geht es, wie Du schon oft geschrieben hast "ums überleben".
Herzliche Grüße
Fidel