Ohne Eigentumsbelastung keine Einheiten und woher stammen Solon's Gesetze?
Aloha,
Es geht Heinsohn bei der roma quadrata nicht um Romulus als
Zentralinstanz, sondern als Allegorie um die Gemeinschaft der "freien"
Bürger als Ganzes, die kaum zentral begriffen werden kann, weil sie
gemeinsam Entscheidungen fällen (Ursprung der Demokratie).
Und Martin geht es eben darum, dass H/S die Herkunft der "freien Bürger
als Ganzes" nicht herzuleiten wagen. Aus dem Grunde machen sie auch den
Bogen um die Vorfinanzierung der Zentralmachten und die Tatsache, dass
nicht erst der geschaffene "freien Bürger" die Antriebskraft (zur
Überschussproduktion) begründet, sondern bereits die Besicherung der
Zentralmachtfinanzierung (im Klartext: die Abgabenforderung).
Dahingehend will ich mal grob zusammenfassen:
PCM:
1. Eigentumsbelastung wird nicht im H/S-privatwirtschaftlichem Sinne erfasst, sondern als generelles, durch die Waffe ausgeübtes Machtderivat
2. Abgabe (auf sog. "Obereigentum") führt zur obrigkeitlich erzwungenen Überschussproduktion
-EINSCHUB-
Auch hier wieder ein kleiner Hinweis von mir, dass bereits das Renditeversprechen des Machthalters an seine Vollziehenden der Abgabeforderung vorauseilt und damit ursächlicher als eben diese zur Überschussproduktion ist.
- EINSCHUB ENDE-
=> debitistische Wirtschaft, in dem "Geld" per se die Zwangsabgabe darstellt und nur unter gewissen Bedingungen "kurant" wird (der Grund für die Zirkulationsfähigkeit bleibt bei PCM unbeantwortet - ansonsten bitte ich um einen Hinweis; wrsl. mangels Unterscheidung zwischen purem, willkürlichen Abgabemittel und Geld aus hinreichend besicherten Verträgen, siehe H/S)
H/S:
1. (Privat-)Eigentum führt durch Erhalt der immateriellen Eigentumsprämie zur Nutzung von vormals nicht existenten Eigentumsrechten (Verkaufen, Verpfänden, Belasten) und aus dieser heraus zur Überschussproduktion
=> eigentumsökonomische Wirtschaft, in dem zwischen genuinem und nicht-genuinem "Geld" unterschieden wird:
- genuines Geld = unter (Privat)Eigentümern in rechtlich ausreichend besicherten Verträgen entstehende zinslose Forderungen
- nicht-genuines Geld = willkürlich und damit ohne ausreichend besicherte (d.h. ohne zeitlich hinreichend stabil bewertetes Eigentum) rechtliche Verträge emittierte zinslose Forderungen
Im Feudalsystem existiert kein genuines Geld und damit eine reine Befehlsüberschussproduktion, die in jeder ökonomischen Hinsicht (wirtschaftlicher Partizipation, Innovation, Verschuldungspotential, BIP, ...) einer auf freien Verträgen "unter Gleicheren" beruhenden Eigentumsökonomie unterlegen ist.
Zentralmacht bezieht sich nicht nur auf Feudalstruktur, sondern auf jede
Instanz, die ihre Macht zentrisch ordnend entfaltet.
Dieses Zentrum existiert aber 800 v. Chr. nicht mehr. Es ist -analog Zara- der Schwarm, der nun dezentrisch waltet.
Wie bereits erklärt:
Ohne Machtentfaltung (bloße Instanzen, keine krampfhaft nach Macht
strebende Zentralinstanz) bedarf es keiner Besicherung einer Schuld, da
überhaupt noch keine Verschuldung der Instanz eingegangen wurde.
Wo ist das Problem? Die Macht unter Gleichen sichert deren untereinander liegenden Rechte. Der Widerspruch, dass der Staat (als Gesamtentität) für bürgerliche Rechte sorgt, tritt in die Welt. Die Besicherung ist nun notwendig, um die jeweiligen Rechte zu schützen und für eingegangene Pflichten haftbar zu machen. Zunächst wird damit die Schuldsklaverei geboren, später der freie Lohnarbeiter.
Bloße
Instanzen findet man in zahlreichen akephalen bzw. segmentären
Gesellschaften, ob zum Bau einer Flussbrücke, oder der Blutrache. Die
ansonsten überwiegend in Homogenität lebenden Gemeinschaften stellen
keine Forderung an eine Zentralinstanz, da das Ziel der zeitlich
beschränkten Segmentierung (Brücke fertig = Segment löst sich auf /
Rache verübt = Segmente lösen bzw. spalten sich auf). Söldner, Krieger
und Bedienstete einer Zentralmacht hingegen stellen vom ersten Moment an
Forderungen, sonst baut sich kein Heer auf, können die Strukturen zur
Verteidigung und physischen Vollstreckung der Abgaben/Tribute nicht
aufgebaut werden. Wenn also eine Zentralinstanz entstehen soll, dann muss -
zum Beginn - ihrer ersten Entstehungsphase eine Verschuldung bei der
Gefolgschaft und ihren Instanzen eingegangen werden. Besichert wird diese
Verschuldung durch zukünftige Einnahmen, ob nun Tribut von extern oder
eben intern durch Abgaben. Läuft noch heute so, Demokratie hin, Demokratie
her.
Das ist mir klar. Nur erklärt das nichts zur Umwälzung 800 v. Chr. und was danach passierte.
Es bringt doch nichts, einfach allgemein eine Zentralgewalt als Ursache
wirtschaftlichen Antriebs zu begreifen, ohne das zwischen feudaler
Willkürherrschaft und demokratischer Konsensherrschaft völlig
unterschiedliche Ergebnis hinsichtlich Wachstum, Innovation und
Verteilung
zu betrachten.
Doch, denn beide Herrschaftssysteme sind an ein und die selbe
Voraussetzung geknüpft: Die Vorfinanzierung der Zentralgewalten/-mächte
und deren Besicherung durch zukünftige Einnahmen = intern Abgaben / extern
Tribut.
Dazu 800 v. Chr.:
Der Unterschied zwischen formloser Gewaltherrschaft und formeller
Herrschaft liegt in der Notwendigkeit der Legitimation. Demokratie ist
nichts anderes als Legitimitätsglaube, dient dazu mittels Machtzession an
die Untertanen Freiheit zu suggerieren (Rechtsinstitut) und über die
Eigentumsverteilungen das Zins-Monopol der Zentralmacht zu garantieren.
Ich erblicke 800 v. Chr. keine Zinsmonopol und keine Zentralmacht. Aber nehmen wir mal an, es wurde (weiterhin?) an Tempel entrichtet oder wir fassen die dezentrale Machtentfaltung als eine aus übergeordnetem Blickwinkel Zentrale Macht des Stadtstaats in Griechenland auf (irgendwie derart) - so ist doch das entscheidende Momentum die Entfaltung des wirtschaftlichen Potentials ggü. der vorher bestehenden reinen Feudalstruktur offensichtlich.
H/S fragten sich: Was zeichnet eine Eigentumsgesellschaft auf? Was
entfaltet wirtschaftliches Potential? Ist es der anweisende König oder
sind es nicht vielmehr die "freien" Bürger nach dem Lollardenaufstand,
wo
plötzlich freie Verträge zwischen vormaligen Vasallen und Herren
eingegangen worden sind und das wirtschaftsrechtliche Potentat des
Eigentums wieder zutage treten konnte, das vorher Jahrhunderte brach
lag?
Das Potential entfaltet einzig und allein die nach Innen gerichtete
Abgabenforderung.
Das ist - mit Verlaub - Blödsinn. Es ist wohl je nach Betrachtungswinkel notwendig (ob bspw. dezentrale Schwarmmacht noch als zentristische Herrschaftsinstanz vom Mond aus betrachtet wird - Hauptsache, die Abgabe stimmt), aber nicht hinreichend, um bspw. den Unterschied zwischen sozialistischer und post-sozialistischer wirtschaftlicher Entwicklung zu erklären.
Vorher gab es kein Potential, keine "freien Bürger" und
anweisende Könige (da akephal). Was H/S vornehmen ist eine sehr griffige
Dynamikanalyse des Wirtschaftswachstums, aber keine Entfaltungsanalyse des
Potentials.
Dann haben wir hier wieder ein sehr starkes Begriffsverständnisproblem. Das Setzen des Potentials (Setzen der Abgabe, Setzen des Eigentums) ist ungleich dessen Entfaltung (Wirtschaften auf Befehl vs. Wirtschaften durch Partizipation an der Rendite).
Die Eigentumsprämie selbst wirft nichts ab. Egal ob nun die
Vorstellung
eines Vorteils, Anteils oder Gewinns, es fehlt die Realisation. H/S
erklären eben nicht, durch welche Einheiten die Bezahlung der Prämie
denn
nun basal begründet wird. Nicht bezahlte Prämien ergeben
alleinstehend,
ohne Realisation, keinen Sinn.
Die Prämie ist eine Einschätzung des Sicherheitsertrags für den
Eigentümer, d.h. die damit verbundenen Eigentumsrechte geltend machen
zu können. Es ist erstmal kein Akt, sondern eine reine
Vorstellung
- und das auf abstrakter rechtlicher Ebene. Mit dem Rechtsakt, also dem
Einsatz dieser Rechte, sinkt die Einschätzung des verbleibenden
Sicherheitsertrags (das eingesetzte Eigentum ist belastet).
Sie packen die Prämie (den Vorteil, den Gewinn) unter eine Käseglocke.
Da liegt sie nun, nicht greifbar, nicht zahlbar, nicht bewertbar. Es werden
gedanklich Käseglocken umhergereicht, des einen Verlust, des anderen
Gewinn. Nein tar. Jeder Ertrag des Eigentümers, jede Geltendmachung der
Eigentumsrechte muss bewertbar sein, d.h. muss bezahlbar sein (da Eigentum
und Abgabenforderung zusammen fallen).
Nochmal zu 800 v. Chr. zurück: keine Abgabe auf Eigentum! Ein historischer Ausreißer
Der konkrete Ertrag ist doch auch messbar. Die immaterielle Eigentumsprämie hingegen nicht und wird erst mit den im Rechtsakt geschlossenen Vertrag mit Vertragspflichten und daraus entstehenden Ertragserwartungen kompensiert. Wieso fällt dir diese Trennung so schwer?
Ich habe, wie du vielleicht weißt, ein Haus am Bein. Solange ich es nicht belaste oder verkaufe, ist die Eigentumsprämie trotzdem da (ein Sicherheitsgefühl, eine Erwartungshaltung), wird aber nicht in Kompensation realisiert und bis dahin ist auch keine konkrete Einheit notwendig.
H/S erklären nicht in welcher
Einheit die Ertragsschätzungen oder Geltendmachungen vorgenommen werden.
Eine Prämie, die sich nicht in einer anderen Einheit ausdrücken lässt
(ob nun 1 Prämie = 1 Fön, 1 MINI als Zugabe, oder eben 1 GE) ist nicht
vorstellbar. H/S's Eigentumsprämie hat keine Einheit und damit ein
gewaltiges Problem.
Die Einheit wird doch erst durch Verkauf/Belastung klar - nicht durch Eigentum per se. Bei PCM wird dahingehend durch den Abgabenzwang auch das "Obereigentum" belastet:
"Allerdings ist davon auszugehen, dass in Martins Terminologie das «Obereigentum» der herrschenden Instanz als potentiell belastungsfähiges Eigentum für die notwendige Vorfinanzierung der Gewaltmittel gilt." (Schieschnek, 2012, S. 35)
-EINSCHUB-
An dieser Stelle kam nun zurecht der Hinweis, dass der Gläubiger ja
vom
Schuldner einen ebenfalls potentiell belastbaren Eigentumstitel
erhält,
womit seine Einschätzung ja wieder steigt. Darauf habe ich allerdings
erwidert, dass die Einschätzung des Sicherheitsertrags dieses
Schuldnertitels ja geringer sein muss, als der des gerade dafür
eingesetzten Gläubigereigentums. Anderenfalls bräuchte der Schuldner
nicht zum Gläubiger gehen.
-EINSCHUB ENDE-Für die Kompensation der Eigentumsprämie selbst braucht es
anfänglich
auch noch keine abstrakten Einheiten, da das ursprünglich eingesetzte
Eigentum ja auf den Boden rekurrierte und man sich des tatsächlich zu
erwartenden Bodenertrags gewahr war (samt dem mit der
Schweinezyklus-Story
verbundenen hohen Zinsertrag), der erst mit Einsatz von
Eigentumsrechten
Realität wurde.
Dieses "anfänglich" sollten wir genauer ins Auge fassen. Eigentum und
Eigentumsprämie setzen ein Rechtsintitut, eine wie auch immer geartete
Rechtsordnung, voraus.
Ja, da wir von den Gesetzen 800 v. Chr. vor Solon nicht viel wissen dürften, müssten wir uns vielleicht seine näher anschauen.
Es handelt sich beim Eigentum eben nicht nur um eine
Sachherrschaft, sondern um die "umfassendste Sachherrschaft, welche die
Rechtsordnung an einer Sache zulässt".
Sind wir da nicht längst über "Sachen" hinaus (bspw. Urheberrechte)?
Dieser Bezug zur Rechtsordnung, zur
dafür notwendigen Zentralinstanz, der Besicherung des Eigentums und den
damit begründeten Besicherungskosten, die von den Eigentümern aufgebracht
werden müssen, wird ausgeblendet. Sobald Eigentum zugelassen wird, ist zur
Besicherungskostendeckung die Zinsforderung (=Abgabenfordeung) gegenüber
dem Eigentümer notwendig.
Klar - fehlte womöglich nur der PCM'sche "Obereigentümer" und alle anderen bündelten vielleicht ihre Zinseinnahmen zur Sicherung ihrer Rechte?
[...]
Nun wurde 800 v. Chr. in Griechenland die coercive power überwunden
und
du hast plötzlich 1000 "freie" Bürger, wo keine Zentralinstanz
existiert,
die Steuern erhebt. Was nun?!
Ich werde mir bewusst, dass ich klar träume. Denn der Bürger (lat.
civis) als Angehöriger einer politischen Ordnung ist nicht ohne
Zentralmachtordnung definierbar,
Definiert das ein heiliger Zirkel?
da, und hier liegt der Hund begraben,
weder die Rechtsordnung, noch deren Verteidigung ohne Abgabensystem einer
Zentralmacht finanzierbar ist. Die Nummer mit den Gesellschaftsverträgen
ist bereits im EWF hinreichend widerlegt worden (Origin of War, ius
occupandi imperatoris).
800 v. Chr. kein Imperator.
Wer ist das 800 v. Chr.? Privilegierten sich diese Bürger nicht
selbst?
Nein. Privilege sind Rechte. Ein Recht setzt immer eine Berechtigung
voraus. Wesel kam nicht zuletzt dadurch zu der Feststellung, dass das Recht
keine Gewohnheit ist, da es Institute (die Setzung) durch
Zentralinstanzen/Zentralmacht voraussetzt.
Gibt es keine dezentralen Rechte, Normen eben? Ist die Vorstellung des sich per Zeitablauf einstellenden Rechts durch die normative Macht des Faktischen, die Solon dann in Stein meißelte, so abstrus? Ich stelle gerade fest, dass ich dieselbe Diskussion mit dir schon mal vor 2 Jahren anstoßen wollte.
Dottore dazu: "Der "frühe" griechische"Gesellschaftsvertrag"
(gemeinschaftlicher Beschluss, Akzeptanz)? Wo liegt eigentlich die
numerische Grenze: Ab welcher Zahl wird so ein"gemeinschaftlicher
Beschluss" der"Allgemeinheit" wohl geschlossen? Ab 10, ab 50, ab 100, ab
500, ab 1000 Mitgliedern? Nirgends auch nur der Hauch einer Quelle oder
Evidenz. Ich bitte auch zu bedenken, dass ein solcher"Gesellschaftsvertrag"
nicht nur das Übliche (wir Bürger sehen ein, dass wir einen Vertrag
schließen müssen, so sähe unser Entwurf dazu aus) enthält, sondern
immer eine bisher nicht existente völlig neue und bis dahin unbekannte
Rechtsperson schafft (Polis, Staat, Fiskus, usw.). Diese neue und
zusätzliche Rechtsperson ("öffentlich-rechtlich", logisch, da es keine
privatrechtliche "Company" gewesen sein kann, die immer
einzelpersonenbezogen sein muss) hat jetzt Rechte, sonst wäre sie keine
Rechtsperson. Sie ist eigentums-, besitz- und forderungsfähig. Sie ist
Macht. In sie kann geklagt werden, aber sie kann nicht angeklagt werden, da
keine Person, sondern eine Fiktion. Dies haben die
Gesellschaftsvertrags-Fetischisten bisher leider übersehen."
Da frag ich mangels Zeit mal salopp: Hat wer Solon gelesen?
Gruß!â„¢
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