"Freie" Bürger
Hi Ashitaka,
Was Dottore mit seinem Macht-Paper messerscharf erklärt, sind die
Geburtsstunden derjenigen Adern des Debitismus, aus denen Abgaben- und
spätere Kontraktschulden erst entstehen können. Wir erkennen dank der
zahlreichen Aufarbeitungen in diesem Forum, dass zwischen Heinsohn/Steigers
"Eigentumsökonomik" und dem Debitismus nach Paul C. Martin ein
himmelweiter Unterschied besteht und man diese beiden Theorien deshalb
nicht miteinander gleichsetzen können wird. Die Voraussetzungen für
Eigentum und Kapitalismus bilden eben keine privaten Freien, wie sie bei
H/S "mal eben so da" rumturnen, sondern immer und ausschließlich auf
Zentralmachten/Zwingherren und deren Gewaltanwendungen und -androhungen.
Bei Heinsohn sind "die Freien" nicht "mal eben so da", sondern selbst aus widrigen Umständen Getriebene. Ursprünglich durch Katastrophismus von matrilinearen Stämmen vertriebene Männer, die sich zusammenschlossen und patriarchaische Strukturen bildeten. Im Zuge der Sicherung ihrer Kalorienzufuhr kam es zur Eigentumssetzung, die mit Gewalt durchgesetzt wurde (Legende: "Romulus erschlägt Remus, der die Grenzen missachtete").
Der Unterschied von H/S zu PCM liegt meiner Meinung nach vielmehr in der ursprünglichen (mit Gewalt durchgesetzten) Sicherung dieser Eigentumsgrenzen durch eine ursprünglich "freie" Gemeinschaft ("staats-/herrschaftsfreie Gemeinden, die gemeinschaftliche Angelegenheiten in Bürgerversammlungen regelten", folgenden Link lesen) oder einer Zentralgewalt? Da bin ich selbst unsicher, denn die gerade eben überwundene feudalistische Zentralgewalt hat sich wahrscheinlich parallel wieder neu in anderen Strukturen entwickelt (Tyrannis erst nach Schuldenkrise + Solon).
Dottore ging die Sache von Grund auf an. So sieht er auch den Ursprung des
Zinsen ganz klar nicht in dem Verlust einer Eigentumsprämie des
Gläubigers, sondern erklärte fein säuberlich, dass das Eigentum selbst
überhaupt keine Prämie (Zins) bietet, dass es aber sehr wohl die Prämie
erzwingen kann (siehe Mietzins). Um dies zu verdeutlichen musste Dottore
nur eine Frage in den Raum stellen, damit der Zirkelschluss in dem
Theoriengebäude H/S's bewusst wurde:"Wer sollte sie (die Prämie) bezahlen?"
Die Eigentumsprämie bei H/S ist vollkommen immateriell! Da muss niemand was bezahlen - erst bei Kompensation dieser immateriellen Sicherheit (die sich durch potentiellen Verlust der Kalorienzufuhr, Sicherung der Unterkunft, etc. materiell manifestiert) durch risikobehaftetes Belasten/Verleihen/Verpfänden.
Weshalb Privateigentum belastet wird und sich der Gläubiger eine
Blockierung entschädigen lassen muss (Prämie/Zins verlangt), über die
Antriebskraft, darüber ist in H/S's Theorie nichts zu finden.
H/S nicht verstanden. Bitte lies Privateigentum, Patriarchat, Geldwirtschaft. Eine sozialtheoretische Rekonstruktion zur Antike und Eigentum, Zins und Geld: Ungelöste Rätsel der Wirtschaftswissenschaft.
Es wird uns
stattdessen eine bereits irgendwie vorhandene nebulöse Notlage des
Privateigentümers untergeschoben, die ihn halt einfach (grandiose
Simplifikation) zur Belastung zwingt.
Es ist wahrscheinlich besser anhand des Lollardenaufstands und dessen Nachwirkungen nachzuvollziehen (= neuzeitliche Eigentumssetzung).
Dass aber jemand, der in Not geraten ist zu 99% keines Kredites
(Vertrauen) würdig ist, solche Ausflüge in die Realität wollten H/S
ebensowenig zur Kenntnis nehmen, wie sie erklären konnten, weshalb auch
die Personen, die nicht in Notlagen geraten, tagtäglich ihr Eigentum
belasten.
Wirtschaftsantrieb #1: Schutz vor Eigentumsverlust = Erhalt der immateriellen Eigentumsprämie.
Uns Debitisten geht es im Gegensatz zum Eigentumsökonomiker um
die Systemfrage: Was zwingt die Menschen ursächlich und systematisch (d.h.
von Anfang an und zeitlich regelmäßig wiederkehrend) dazu?
Das ist bei H/S und PCM identisch: die Kalorienzufuhr.
Die Antwort: Formlose Macht und formelle Herrschaft, in der erst die
Machtzession an die Untertanen den Glauben in die Legitimität des
Machthalters erweckte.
Bei H/S: die Machtzession an und innerhalb der "freien" Bürger (privilegierte Eigentümer), allerdings keine Zentralgewalt.
Martin bietet mit seiner Machttheorie (als Voraussetzung für die
wichtigste Ader des Debitismus (Abgaben-/Kontraktschuld) einen donnernden
Ansatz, der den Klassikern und Eigentumstheoretikern aus einem bestimmten
Grund nicht schmecken kann: Es ist die Bewusstwerdung, dass wir
vergewaltigt wurden, vergewaltig werden und das ganze System schließlich
nach einem Wartemodus wieder in Gewalt enden wird! Die Antriebskraft aller
Kontraktschulden ist nach Martin die Abgabe (Zinnß) an die
Zwingherrschaft, eine nichtkontrakliche Schuld (ex nihilo!). Der
Zinnß-Treiber ist in erster und letzter Konsequenz der zunächst
angedrohte und im Falle der Sanktion ausgeführte Waffeneinsatz.
Ich sehe keine allzugroße Diskrepanz, da die privilegierten Eigentümer natürlich ihre Macht gegenüber nicht privilegierten und untereinander durchsetzten.
Gruß!â„¢
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Gruß!™
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