Schopenhauer: unerschöpfliche Ansprüche, quälende Not (= Unterbilanz)
Für mich ist die "Urschuld", bzw. Schuld überhaupt auch ein bloßes
soziologisches, kein natürliches Phänomen.In der Natur werden keine Verpflichtungen angehäuft, der Stein sagt
nicht, ich bleibe jetzt mal oben hängen und nehme mir die potentielle
Energie als Kredit, sondern wenn ihm die Unterstützung fehlt, dann fällt
er.
Das ist eben der Unterschied zwischen unverstaatlichten und verstaatlichten Organismen. Letztere häufen wesentlich mehr an; saldieren später.
Der Wolf sagt nicht, ich fresse jetzt mal einen Kredithasen, sondern
entweder hat er einen zum Fressen oder nicht.
Er geht aber jagen, wenn seine Zellen eine Unterbilanz signalisieren.
Unterbilanzen wollen ausgeglichen werden.
Es gibt in der Natur nur Eigenkapital, also Aktiven, oder eben nichtsPassiven und mithin Bilanzen sind soziologische Konstrukte.
In der Natur wird immer gleich saldiert, da bleibt nichts offen.
Nein, in der Natur kann nicht immer gleich saldiert werden. Saldiert ist erst, wenn die Jungen im Vogelnest befriedigt sind, und das kann dauern!
Was nicht heisst, dass es in der Natur keine Gaben gäbe. Das ist eine
Verdrahtung, zu der Schopenhauer sagte: Für die Natur ist das Individuum
nichts, die Art alles. Die Vogeleltern erfüllen ja keine Verpflichtung Ã
la "Generationenvertrag", sondern sie geben einfach - fertig.
Geben einfach? Aber nicht grundlos, sondern aufgrund quälender Wünsche, die als Forderung geäussert werden, wenn wir gerade bei Schopenhauer sind. Auch er hat das debitistische Prinzip auf die ganze Natur übertragen.
Aus der Nacht der Bewußtlosigkeit zum Leben erwacht findet der Wille sich als Individuum, in einer end- und gränzenlosen Welt, unter zahllosen Individuen, alle strebend, leidend, irrend; und wie durch einen bangen Traum eilt er zurück zur alten Bewußtlosigkeit. – Bis dahin jedoch sind seine Wünsche gränzenlos, seine Ansprüche unerschöpflich, und jeder befriedigte Wunsch gebiert einen neuen. Keine auf der Welt mögliche Befriedigung könnte hinreichen, sein Verlangen zu stillen, seinem Begehren ein endliches Ziel zu setzen und den bodenlosen Abgrund seines Herzens auszufüllen.
Grüsse, Zara