Wider den "gesunden Menschenverstand" (mT)
Hey Liated,
Frage: Die Clearing Simulation (C-S) scheint mir im gödelschen Sinn
unvollständig.Stimmt das?
Nein. Unvollständigkeit bezieht sich auf die deduktive Ableitung von Sätzen. Ein axiomatische System ist vollständig, wenn sich jede wahre Aussage auch ableiten lässt (was aber nicht heißt, dass man in es in der Praxis je schafft, alle abzuleiten). Die klassische Logik ist vollständig.
Das ist eine Frage der Berechenbarkeit. Da der RNG wohl ein Pseudo RNG sein wird, ist der auch berechenbar. Selbst wenn die Zahlen aus einem Entropiepool wie im Linuxkernel aus /dev/random generiert werden, liegt im System zwar keine Berechenbarkeit mehr vor, da der "Zufall" aus externen Signalen kommt, aber dennoch muss das kein ontologischer Zufall (an sich) sein, sondern ist aus Sicht des Computers nur epistomologischer Zufall (für sich). An und für sich spielt es aber keine Rolle, da du selbst nun keine Kenntnis vom Algorithmus hast der dem RNG zu Grunde liegt, ist es für dich einfach Zufall. Er ist also praktisch nicht berechenbar. Für den Pragmatiker ist es damit eben an und für sich Zufall.
Beim Rheomodus¹ , um das sprachliches Beschreiben zu dynamisieren, fiel
Bohm m.E. offenbar in die Falle der dingliche Sprache. (Andern Wasser
predigen, aber selber Wein trinken). Zitat aus “Die Implizite
Ordnungâ€, Seite 54:Elementarteilchen sind stattfindende Bewegungen,
die von einander abhängen, weil sie letztlich miteinander verschmelzen und
sich gegenseitig durchdringen.. Tönt für mich unbeholfen,
schwerfällig (und ich bin als Laie in Physik nicht sicher, ob das so
stimmt). Seinem Rheomodus näher käme m.E.: Webs bewegen sich,
hängen von einander ab, weil sie letztlich miteinander verschmelzen und
sich durchdringen).¹ [color=darkblue]Hinweis für Mitleser: Mit “Rheomodus†schlug
Bohm u.a. vor, wann immer möglich dingliche Substantive zu meiden und
durch Verben zu ersetzen.[/color]
Rheomodus ist deswegen unnötig, weil jemand, der begreift, was ein Elektron ist, einen anderen Begriff hat. Ein Physiker versteht eben was anderes unter einem Elektron als ein Laie. Er versteht es schon als Funktion.
Imo muss man Sprache nicht ändern, sondern sie kritisch betrachten und aufpassen, dass man sein Denken durch Kategorienfehler (bsp: Welle/Teilchen) nicht behindert. Der Physiker hat kein Problem, sich den "Welle Teilchen Dualismus" zu denken (und davon mit anderen Physikern zu sprechen), da sie nur Metaphern makroskopische Phänomene für mikroskopische Vorgänge sind. Nur die Vorstellung hat damit Schwierigkeiten.
Hegel versucht es anders. Er will im "spekulativen Satz", dass
"starre" Subjekt und "starre" Objekt (Apfel) im "flüssigen"
Prädikat durch Sprachwülste "ertränken" und so verflüssigen. Seine
Kritik an der Subjekt-Objekt bezogenen Sprache ist ähnlich ..(.)...
Angenommen das “Verflüssigen†ist Hegel gelungen: Wie viele
verstünden bzw. würden in etwa erraten, worauf Hegel tatsächlich hinaus
wollte? (Und wie viele wären bereit, sich durch die Sprachwülste zu
kämpfen? Ich fauler “Hund†sicher nicht:- ).
Es gibt unter denen, die sich mit Hegel intensiv befassen, einen ziemlichen Konsens. Er ist eigentlich nur schwer zu verstehen, aber wer sich wirklich darauf einlässt, versteht ihn dann in der Regel schon. Zank gibt es eher bei Fragen, welche Konsequenzen aus Hegel zu ziehen sind.
Ich mag es gerne kurz,
bündig, klar. Wie bspw. der Artikel
Entropic
gravity, Teil 1, den ich Dir wärmstens als Vorbild empfehlen
möchte ;- )
Nur mal zur Phänomenologie des Geistes:
Hegel fragt: Wie können wie denn den Wahrheitsgehalt einer Erkenntnistheorie beurteilen, wenn wir noch gar nicht wissen, was die Wahrheit ist? Nun behauptet ja eine Erkenntnistheorie, wie man erkennen, also zu Wahrheit gelangen kann, und somit hat sie implizit schon Annahmen zur Wahrheit/Wirklichkeit. Hegel sagt, eine Erkenntnistheoretische Position bringt den Maßstab, der anzulegen ist, selbst mit (wörtlich: "Das Bewußtsein gibt seinen Maßstab an ihm selbst, und die Untersuchung wird dadurch eine Vergleichung seiner mit sich selbst sein." ). Man muss nur noch die Erfahrungswelt (Phänomene des Geistes) mit der Theorie und ihrer Implikationen vergleichen und sehen, ob es innere Widersprüche gibt.
STARK vereinfachtes Beispiel:
Erkenntnistheoretische Behauptung:
"Man kann die objektive Wirklichkeit nicht erkennen."
Daraus folgt implizit für die Wirklichkeit:
"Keine Wahrheit kann aus der Wirklichkeit in die Erkenntnis geraten"
In diesem Fall, wäre aber etwas aus der Wirklichkeit in die Erkenntnis geraten. Diese Position ist in sich widersprüchlich und somit zu verwerfen.
Nun könnte man einwenden, dass man ja so nicht zwangsläufig zur "wahren" Position kommt und man doch einfach fälschlicherweise was Richtiges wissen könnte. Ist aber dann echt scheiße, wenn das Einzige, was man weiß, aus Versehen wahr ist. Eine Erkennentnistheorie, in der die einzige Wahrheit nur aus Versehen wahr sein kann, ist ein ziemliches Trauerspiel. Das wäre natürlich echt beschissen, aber das legitimiert Hegels Methode eigentlich immer noch nicht.
Daher mal ein wenig ausführlicher, warum Hegel diese Methode für brauchbar hält. Hegel hinterfragt nämlich erstmal die Subjekt-Objekt-Spaltung. Wenn wir nämlich schon von vornherein Erkenntnis für etwas von der Wirklichkeit Getrenntes halten und es so behandeln, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn am Schluss dabei rauskommt, dass man nix erkennen kann. Das Resultat steckt in der Prämisse.
Hegel begibt sich absichtlich in eine total naive Haltung und fragt, was denn eigentlich wäre, wenn Erkenntnis und Wirklichkeit vollkommen identisch sind. Auf den ersten Blick vollkommen bescheuert. Jedes Kind weiß doch, dass Erkenntnis und Wirklichkeit nicht dasselbe sind. Aber warum wissen [SIC!] wir das eigentlich so sicher?! Warum setzten wir denn voraus, dass Subjekt und Objekt eben getrennt sind?!
Nehmen wir mal einfach an, dass Subjekt und Objekt nicht getrennt wären, dann ist doch genau die Erkenntnistheorie die Wahre in der Erkenntnis VOLLKOMMEN IDENTISCH mit der Wirklichkeit ist.
Selbstverständlich muss man hierzu diese Prämisse, dass Subjekt und Objekt bzw Leib und Seele nicht getrennt sind, akzeptieren und sich dann auf seine Untersuchung einlassen.
Die Frage ist natürlich, warum man das sollte?
Hegel fragt dreist zurück: warum sollte man denn nicht?
Hegels Worte:
"Inzwischen wenn die Besorgnis, in Irrtum zu geraten, ein Mißtrauen in die Wissenschaft setzt, welche ohne dergleichen Bedenklichkeiten ans Werk selbst geht und wirklich erkennt, so ist nicht abzusehen, warum nicht umgekehrt ein Mißtrauen in dies Mißtrauen gesetzt und besorgt werden soll, daß diese Furcht zu irren schon der Irrtum selbst ist.
In der Tat setzt sie etwas, und zwar manches, als Wahrheit voraus, und stützt darauf ihre Bedenklichkeiten und Konsequenzen, was selbst vorher zu prüfen ist, ob es Wahrheit sei. Sie setzt nämlich Vorstellungen von dem Erkennen als einem Werkzeuge und Medium, auch einen Unterschied unserer selbst von diesem Erkennen voraus; vorzüglich aber dies, daß das Absolute auf einer Seite stehe, und das Erkennen auf der andern Seite für sich und getrennt von dem Absoluten doch etwas Reelles, oder hiemit, daß das Erkennen, welches, indem es außer dem Absoluten, wohl auch außer der Wahrheit ist, doch wahrhaft sei; eine Annahme, wodurch das, was sich Furcht vor dem Irrtume nennt, sich eher als Furcht vor der Wahrheit zu erkennen gibt."
Mich hat das damals total vom Hocker gehauen, weil mir eben klar wurde, wie leichtfertig man die Vorstellung, dass Subjekt und Objekt getrennt sein müssen, akzeptiert. Die meisten schleppen diese Metaphysik mit sich herum, ohne es zu wissen. Die christliche Ideologie hat hierzu ihren Teil beigetragen, aber im asiatischen Raum ist etwa im Taoismus nicht so leichtfertig akzeptiert, wobei diese Trennung dort auch als "Scheinwiderspruch" gibt.
Befreit man sich erstmal von dieser Vorstellung, ergeben sich gleich ganz andere Perspektiven und im Laufe der Untersuchung kann es auch passieren, dass man zur Einsicht kommt, wie diese Vorstellung zustande kommt. Oh wie einem der Hegel den gesunden Menschenverstand austreiben kann:
"Wenn für den gesunden Menschenverstand nur die vernichtende Seite der Spekulation erscheint, so erscheint ihm auch dies Vernichten nicht in seinem ganzen Umfang. Wenn er diesen Umfang fassen könnte, so hielte er sie nicht für seine Gegnerin; denn die Spekulation fordert in ihrer höchsten Synthese des Bewußten und Bewußtlosen auch die Vernichtung des Bewußtseins selbst, und die Vernunft versenkt damit ihr Reflektieren der absoluten Identität und ihr Wissen und sich selbst in ihren eigenen Abgrund, und in dieser Nacht der bloßen Reflexion und des räsonierenden Verstandes, die der Mittag des Lebens ist, können sich beide begegnen." - Hegel
Viele philosophischen Probleme erweisen sich bei näherem Hinsehen als Scheinprobleme und Kategorienfehler. Viele seiner "Vorstellungskritik" findet man auch in der Sprachkritik der analytischen Philosophie wieder.
Die Empirie scheint vielen Spekulationen Hegels auch immer mehr Recht zu geben:
https://psych.stanford.edu/~lera/papers/sci-am-2011.pdf
Auch lustig, dass Whorf neben Hegel auch oft ein Opfer des "common sense" wurde:
http://www.nytimes.com/2010/08/29/magazine/29language-t.html?pagewanted=all&_r=0
Grüße
melethron
--
„It’s the Second Law of Thermodynamics: Sooner or later everything turns to shit.“ - Woody Allen