Der Unterschied ist die Beherrschung der Geldbasis

Miesespeter, Sonntag, 22.02.2015, 18:47 (vor 3940 Tagen) @ politicaleconomy10531 Views

Hi PE,

nachdem Du hier ja mal wieder zu grosser Form aufgelaufen bist, bin ich froh, dass Du eine Zwangspause verordnet bekommen hast. Man kommt ja sonst gar nicht mehr nach mit den neuesten Erkenntnissen.[[zwinker]]

Die klassische Wirtschafttheorie stammt aus einer Zeit, in der Geld
tatsaechlich eher dinglich war


NIcht wirklich. Die Prinzpien des Kredits gelten, sobald es Verträge und
Vertragssicherheit gibt - dann gibt es auch Kreditgeld, Verrechnung und
Zahlung per Gläubigerwechsel, völlig unabhängig, was als "Geld" gilt und
als Geldstandard genutzt wird (sei es nun Gold, Gerste oder dreckige
Unterwäsche).

Schon richtig, aber bei physikalischen Ankern war auf der obersten Stufe der Geldpyramide, der Emission von 'high powered money', von gesetzlichem Zahlungsmittel, dem Emittenten ein aeusseres Limit gesetzt, dass sich an physikalischen Gegebenheiten, und nicht an wirtschaftspolitischen Notwendigkeiten orientierte.

und sich daher die Vorstellung von Geld als
Ding/Schatz/Netto-Reichtum durchaus anbot.


Nein, die stammt durchweg von Nicht-Bankern. Unter Bankern gab wenig
überraschenderweise es immer "debitisten", die kapierten, was läuft und
wie, natürlich haben die das nicht immer so an die große Glocke gehängt
wie Mitchell Innes, L. Albert Hahn, Ralph Hawtrey, Hans Gestrich oder
Wilhelm Lautenbach.

Alle auffaelligerweise Oekonomen aus dem 20.Jahrhundert. Es wuerde mein Argument besser entkraeften, wenn Du mit ein paar Oekonomen aus dem 19.Jahrhundert kontern wuerderst[[lach]]

Seit dem 20.Jahrhundert mit der
flaechendeckenden Einfuehrung des 2-stufigen Bankensystems und der

Aufgabe

der Goldbindung ist dies jedoch anachronistisch.


Nein, ist anachronistisch, sobald es Vertragssicherheit gibt und damit die
Möglichkeit, Forderungen wechselseitig zu verrechnen und weiterzureichen.
Wechsel gelten als ältestes Kreditzahlungsmittel, normalerweise werden sie
aufs 12. Jhd. datiert, tatsächlich gab es die (ebenso wie Kreditbanken)
schon in der Antike, wie hier von moneymind mehrfach dokumentiert.

Wechsel sind aber kein gesetzliches Zahlungsmittel. Und werden auch nicht von einer uebergeordneten, nichtprivaten Monopol-Instanz zu geldpolitischen Zwecken emittiert.

Dafuer braucht es die moderne Notenbank. Modern im Gegensatz zu klassisch weil:

1) Geldemissions-Monopol (ges. Zahlungsmittel, Geldbasis)
2) keinerlei materielle Geldbindung

Und so koennen moderne Notenbanken heute effektiv eingreifen, wenn das Netting auf unteren Verrechnungsebenen (Banken, auch Nichtbanken)nicht mehr funktioniert bzw. die verbleibenden Salden nicht mehr finanziert werden koennen.

Tja, warum wohl? Zum einen sicherlich, weil ihre Protagonisten das
staatliche "BIldungssystem" niemals verlassen haben (Grundschule,
Gymnasium, Universität lebenslänglich) und schon von daher keinerlei
Schimmer vom praktischen Kredit- und Bankwesen hatten. Doch hatten gerade
die Banker eauch einen enormen Nutzen davon, hier ein Wissensmonopol nutzen
und ausbeuten zu können. Entsprechend wurden bestimmte "ökonomische
Theorien" auch großzügig gefördert ...

Banken sind im Debitismus, oder meinentwegen einer kreditgesteuerten Volkswirtschaft nun einmal das zentrale Steuerelement. Eher unrealistisch zu erwarten, dass aus so einer exponierten Position nicht auch Profit geschlagen wird.

Der Debitismus beschreibt das moderne Geld- und Wirtschaftssystem
erheblich besser, indem er Schulden & Verpflichtungen in den

Mittelpunkt

aller Betrachtungen stellt: Geld ist damit nicht mehr materiell,

sondern

ein Produkt aus Recht, Verpflichtung/Zwang, Macht.


Nein, KREDIT - nicht "Geld".

Danke fuer die Richtigstellung.

Kredit konnte immer schon als Geld fungieren,
egal was immer konkret als materielles Geld diente.

Im Gegensatz zu gesetzlichem Zahlungsmittel fakultativ. Ein Wechsel kann angenommen werden, muss aber nicht. Ein Wechsel kann platzen, womit dann Zahlungvorgaenge rueckabgewickelt werden. Bei gesetzlichem Zahlungsmittel unmoeglich. Kredit ist nicht identisch mit Geld.

Es war eine logische
Entwicklung, aus diesem Doppelsystem ein ausschließliches Kreditgeldsystem
zu entwickeln - mit einer mehrstufigen Kreditpyramide, bei der auf jeder
Ebene zunächst ein clearing-/Verrechnugnsprozess stattfindet, bevor die
Restsalden im Kredit der nächsthöheren Ebene beglichen werden.

Ja, und die Innovation, die ich anspreche, ist jene, dass auf der allerhoechsten Ebene, samtliche physikalischen/materiellen Grenzen eliminiert wurden und somit auf dieser hoechsten Ebene der Verbleib eines Restsaldos, und somit eine Insolvenz, ausgeschlossen werden kann, was nun seinerseits die geldpolitischen Moeglichkeiten erheblich erweitert.

Was genau meinst Du mit Debitismus? Der dottore'sche ist weder einzigartig
noch leistungsfähig, sondern eine Vermischung von Beschreibung der
Realität mit erzkatholischen Glaubensfragmenten und Dogmen der
Österreichischen Schule zu einem geschlossenen Weltbild, das Prediger und
eine Gemeinde hat.

Was kann Jesus dafuer, dass auf seiner persoenlichen Lebensphilosophie Prediger ritten und Gemeinden konstruierten, welche das gesamte Abendland umfassten?

Das Prinzip, Wirtschaften vom Kredit her zu erklären,
ist alt und es gibt weitaus schlauere und v.a. leistungsfähigere
"debitistische" Ansätze.

Mag sein. Dottore war auch nicht primaer als Wirtschaftswissenschaftler taetig, sondern als Wirtschaftspublizist, und verbaute dabei Heinsohn auf der einen Seite, Einfluesse von Marx, Friedman und Mieses/Hayek auf anderen Seiten zu einem brilliant geschriebenen populaerwissenschaftlichen Werk voller historischer Anekdoten, und erlangte so im deutschen Sprachraum im Allgemeinen, und in diesem Forum im Besonderen, eine Reichweite fuer kreditwirtschaftliche Zusammenhaenge, die ihm im Wissenschaftsbetrieb absolut nicht zugaenglich gewesen waere. Vermutlich hat er auch Deinen Erkenntnisgang dadurch ganz entscheidend beeinflusst, unabhaengig davon, ob Du mit ihm heute in allen oder auch einigen Punkten seiner Thesen uebereinstimmst. Dem Anspruch der Unfehlbarkeit wird er wohl nicht gerecht worden sein. Das Wirtschaftsverstaendnis vieler seiner Leser wird sich allerdings im Vergleich zu vorher erheblich verbessert haben, einige hat es sogar motiviert, weiter zu denken.....


Die Moeglichkeit des allgemeinen
Nichtsparens oder permanenten Saldenausgleichs schliesst er implizit

aus,

aber eben nicht explizit und wissenschaftlich umfassend.


Ist gar nicht nötig. In der Höhe, in der die private Wirtschaft sparen
will, kann ein "ewiger Schuldner" das ermöglichen - der Staat. Sein
Schuldenstand ist Spiegel der Sparneigung der Privaten

Auch hier gibt es natuerlich eine Wechselwirkung: einerseits erlaubt die Verschuldung des Staates dem Privatsektor steigende Sparguthaben, andererseits erzeugt die Verschuldung des Staates diese auch erst.

Über jede Zinssenkung jubeln bekanntlich nur - die Banken und Börsen
(die Realwirtschaft pfeift aufs reale Investieren und geht mit den
Sparguthaben EBENFALLS zocken).

Der ein oder andere Staat duerfte auch erleichtert sein.

Oder sogar - wenn er vielleicht ausreichend Bemuehen zu

wirtschaftlicher

Leistung bei Dir feststellt - ein Meta-Akteur mit Nettochips
(Regulationsgeld), dessen Interesse es ist, die gesamtwirtschaftliche
Leistung am Optimum zu halten und dich vom Absturz in die Insolvenz und

das

Betteltum zu bewahren.


Verständlicherweise möchte nun jeder möglichst risikofrei und leicht an
solches Geld kommen. Doch wer kommt am leichtesten und besten dran? Wer
kennt sich am besten aus mit dem Kreditwesen? Wer hat die ZB und den Staat
zueinander in Widerspruch gebracht ("unabhängige Zentralbank")?
Richtig. Die GBen. Können die zum allgemeinen "Geldsparen" animieren und
anhalten?!? Sie können.

Und worin 'sparen' Banken vor allem, wenn sie nicht Kredite in die Realwirtschaft geben? In Staatstiteln?

M.E. ebenfalls einem Fehlverstaendnis von 'Geld' geschuldet. Reichtum
entsteht seit der Entmaterialisierung des Geldes nicht mehr durch
Zurueckhaltung, sondern erst durch Verwendung des Geldes. Nicht die
Akkumulation, sondern die Kreislaufwirtschaft des Geldes fuehrt zu
Reichtum.

> Zur Akkumulation von Gütern also. Geldhorterei dagegen ... macht die
[quote]Gesellschaft ärmer, wenn keine Nachschuldner auftreten?
[/quote]

Nett pointiert.

Gaebe es eine VWL, welche die ueberlegene allgemeine Profitabilitaet

einer

Kreislaufwirtschaft des Geldes, eines permanenten wirtschaftlichen
Ausgleichs von Glaeubiger- und Schuldnerpositionen, sowohl im

Makrobereich

(aussenwirtschaftliches Gleichgewicht, oder funktionierendes surplus
recycling) wie auch im Mikrobereich (wo die Saldenmechanik ganz genauso
anwendbar ist) demonstrieren und belegen


Im Mikrobereich nicht sinnvoll - da soll und kann Konkurrenz herrschen.

Ja, aber S sollte auch I entsprechen. Oder umgekehrt. Wenn jedoch einzelne Player immer groessere Geldvermoegen anhaeufen, die unoeglich noch verkonsumiert werden koennen, wird S zwangslaeufig immer groesser. I jedoch in Relation immer kleiner, weil die Konsumnachfrage nicht mitwaechst.

Es muss m.E. also auch auf Mikroebene einen 'surplus recyling mechanism' geben, der dieser Fehlentwicklung sachte entgegenwirkt.

Gruss,
mp

--
Everything is ok


gesamter Thread:

RSS-Feed dieser Diskussion

Werbung

Wandere aus, solange es noch geht.