STAATSSCHULDEN/Staatsanleihen i.d.R. NICHT besichert, schon gar nicht durch Steueraufkommen - durch Zentralbank 'garantiert'!

CrisisMaven ⌂, Dienstag, 03.02.2015, 21:47 (vor 3341 Tagen)13319 Views

Nach einem relativ muehsamen, geradezu schleppenden, Erkenntnis-Prozess konnten wir herausarbeiten, dass Staatsanleihen im Speziellen und Staatsschulden im Allgemeinen nicht durch Sicherheiten unterlegt sind. Sicherheiten im Sinne des kreditwirtschaftlichen Sprachgebrauches fehlen bei Staatsschulden vielmehr vollstaendig.

Insbesondere sind laufende oder gar kuenftige Steuereinnahmen dem Zugriff der Staatsglaeubiger entzogen. Sie dienen also mit Sicherheit (!) nicht der Besicherung der von Staaten begebenen Staatsanleihen. Jedenfalls konnte kein Mit-Diskutant ein Beispiel benennen, in dem bei heute real existierenden Staatsanleihen (Rentenpapiere) oder gar bei sonstigen Staatsschulden kongruente Sicherheiten unterlegt waeren. Ein Literaturstudium foerdert ebensowenig zutage:

Stabilisierung der Euro-Zone durch Besicherung von Bonds – "Die EU-Schuldenkrise ist unter anderem durch eine schwache Stellung der Gläubiger geprägt. [Kjell G. Nyborg] plädiert für das Besichern von Staatsanleihen ..."

Staatsschulden sind "... Schulden, die nicht durch physische kreditsicherheiten oder Vermögenswerte besichert sind ..." (Dieses Mal ist alles anders: Acht Jahrhunderte Finanzkrisen - Carmen M. Reinhart, Kenneth Rogoff, p. 75)

"... je solider ein Staat finanziert ist, umso geringer ist der Aufschlag auf die nicht-besicherten Anleihen ..." (ORDO Bd. 62, ed. Hans O. Lenel et al., p. 94)

"Damit der Verkauf von Staatsschulden gesichert ist, wird Banken weiterhin und in unverantwortlicher Weise ein Anreiz gesetzt, in Staatsobligationen zu investieren. Die geringe Rendite von Staatsobligationen wird durch die Tatsache, dass Banken im Gegensatz zu allen anderen Krediten, die sie ausreichen, das Kreditrisiko nicht bewerten müssen, was sie per se um 8% Eigenkapital besser stellt als bei Krediten an Private oder Unternehmen, ausgeglichen. Zudem gelten die meisten Staatsobligationen durch die Verbalmystik, die sie umgibt, nach wie vor als sicheres Kollateral, ... Besicherung von Schulden mit weiteren Schulden ..." (sciencefiles.org: Der Wohlfahrtsstaat: Too Big to Fail oder zu teuer, um weiter unterhalten zu werden?)

Belegte (!) Gegenmeinungen werden gerne diskutiert.

Staatsanleihen sind also i.d.R. unbesicherte Papiere. Weshalb auch bei Zahlungsaufaellen die Staatsglaeubiger in Ermangelung von solchen Sicherheiten erst (Voraus-) Klage erheben muessten, um ihre Ansprueche (nachtraeglich) vollstreckbar zu dokumentieren und, so Gott will, gar durchzusetzen. Siehe Argentinien-Anleihen.

Dieses unwiderlegliche Forschungsergebnis wirft sofort im Anschluss die Frage auf, weshalb denn dann Staatsanleihen ueberhaupt gegenueber besser, ja ueberhaupt besicherten, Rentenpapieren nachgefragt werden.

Es gibt nur zwei Denkmoeglichkeiten, wenn Anleger eine schlechter oder nicht besicherte Anlageform einer besser besicherten vorziehen:

a) sie werden dazu gezwungen - (gesetzlicher) Zwang und/oder

b) es gibt eine Tatsache, die diese fehlenden Sicherheiten (ggf. mehr als) ausgleicht.

Nachdem man herausgearbeitet hat, dass Staatsanleihen unbesicherte Papiere sind, folgt daraus, dass der Grund fuer die hohe "Akzeptanz" von solchen unbesicherten Staatsschulden im Kreditwesen und unter privaten und institutionellen Anlegern dort zu suchen ist, wo man in der Regel nicht zu suchen beginnt, solange man faelschlich dem Mythos aufsitzt, die Sicherheiten ("Steuern") seien vorhanden.

Da nun die Sicherheiten nicht vorhanden sind, muss es einen anderen, mindestens ebenso schwerwiegenden, Grund dafuer geben, dass intelligente Menschen in Banken und anderen Institutionen Staatsanleihen -gar in Auktionen!- erwerben und halten.

Die mehrfach angesprochene Ueberwaelzung allein kann es nicht sein. Denn: auch bei besicherten Anleihen geht man i.d.R. von einer spaeteren Ueberwaelzungs-Moeglichkeit bzw. -Absicht aus. Wenn ein Anleger also zwischen besicherten und nicht besicherten Anleihen die Wahl hat, die beide vermutlich nicht endgueltig zurueckgezahlt werden, sondern (durch Ausgabe neuer Anleihen in gleichem Umfange oder hoeher) "prolongiert" werden, dann wird er doch immer noch die besicherte Variante waehlen, nicht wahr?

Warum laesst ein institutioneller Anleger oder gar ein Kreditinstitut ein besichertes Papier eines privaten Unternehmens, das ueber Jahrzehnte stabile Ertraege erwirtschaftet und beste, verwertbare (!) Sicherheiten zu bieten (und ... einen Ruf zu verlieren!) hat, links liegen und liefert sich stattdessen mit Rivalen bei Auktionen von Staatspapieren gar noch einen Bieterwettkampf?

Das ergibt doch alles keinen Sinn unter verstaendigen Menschen?!

Was ist also bei (unbesicherten!) Staatspapieren i.d.R. grundsaetzlich anders als bei (besicherten!) Anleihen des privaten Sektors?

Der einzige nennenswerte Unterschied ist: Staatspapiere des (eigenen) Staates sind stets bei der (eigenen) Zentralbank zentralbankfaehig, d.h. sie koennen dort beliehen werden.

Nach dem Satz vom ausgeschlossenen Dritten heisst dies schlicht und ergreifend:

Zentralbanken sind nicht als "lender of the last resort" fuer die privaten Banken und zur Stabilisierung des Finanzsystems geschaffen worden (eine Aufgabe, die sie ja nachweislich nicht erfuellen), sondern einzig und alleine zur Staatsfinanzierung.

Der Umweg ueber die Ausgabe und "Auktion" der Staatspapiere dient lediglich der Verschleierung der letztlich direkten Staatsfinanzierung durch die eigene Zentralbank.

Da ein Erwerber von Staatspapieren diese jederzeit an die Zentralbank abgeben kann, indem er sie dort hinterlegt und beleiht (bzw. sie einer Geschaeftsbank andienen kann, die dies darf), kann ihm jederzeit egal sein, ob diese Papiere besichert sind oder nicht. Denn die Zentralbank steht ihm ja dafuer gerade, dass er den Gegenwert des Papiers jederzeit erhalten kann, wenn ihm danach ist.

Hinzu kommt, dass der Staat dann qua Gesetz meist noch bestimmten Institutionen Auflagen macht, nur oder zu grossen Teilen ihre Ueberschuesse in unbesicherten Staatspapieren anzulegen. Dies gilt z.B. fuer Pensionsfonds oder Lebens- und Rentenversicherungen.

All diese Institutionen sammeln daher am "Markt" Geld ein und stellen es dem Staat zu seiner Finanzierung zur Verfuegung. Geld, das er weder ueber Steuern aufbringen koennte noch selbst am Markt von normalen Anlegern erhielte, wenn seine Papiere nicht von "seiner" Zentralbank jederzeit "in Pension" genommen wuerden. Denn dann wuerden diese Anleger doch lieber besicherte Papiere kaufen.

Dabei spielt keine Rolle, dass in "sonnigen" Zeiten evtl. gar niemand der Zentralbank solche Papiere andient, sondern sie lieber selbst haelt, als zinstragende Anlage. Entscheidend ist, dass er genau das auch mit anderen zinstragenden Papieren tun koennte (oft zu hoeheren Zinsen), die noch dazu erstklassige Sicherheiten aufweisen wuerden! Es aber nicht tut! Bzw. es nicht in dem Umfang tut, der rational angemessen waere, gaebe es nicht einen weiteren, scheinbar "irrationalen" Grund dafuer.

Da wir nicht davon ausgehen duerfen, dass Fondsmanager, Banker und wohlhabende Privatanleger allesamt geistig umnachtet sind, koennen wir nur zum Schlusse kommen, dass fuer alle Kreditinstitute und sonstigen vergleichbaren institutionellen Anleger das entscheidende Kriterium die jederzeitige und zweifelsfreie "Zentralbankfaehigkeit" der Staatspapiere ist. Auch, wenn es dafuer keinen im Charakter des Anleihepapiers liegenden Grund gibt!

Diese Kredit"wuerdigkeit" des Staates erstreckt sich somit dann aber auch auf jede andere Art der staatlichen Schuldenaufnahme, quasi wie kommunizierende Roehren: Etwa auf Kassenkredite, die zwar noch nicht mal "verbrieft" und damit scheinbar "unsicherer" als Staatspapiere sind. Jedoch weiss jeder institutionelle Anleger oder Investor (z.B. in public-private-partnerships) bzw. jedes Kreditinstitut, das nicht verbriefte kurzzeitige Kredite an "seinen" Staat vergibt, dass diese Forderungen jederzeit dadurch rueckzahlbar sind, nicht, weil der Staat Steuereinnahmen hat (denn dann haette er die "kurzfristige Ueberziehung" ja gleich daraus bezahlen koennen!!!), sondern weil jede Verschuldung eines Staates zur Not in ein staatliches Rentenpapier umgewandelt werden kann.

Dies muss nicht direkt geschehen, wie bei den Verbriefungen z.B. auf dem Pfandbriefmarkt oder den sub-prime-Anleihen in den USA, die die derzeitige Krise beschleunigen geholfen haben. Es genuegt ja, dass der Staat im Rahmen seiner "normalen" Anleihe-Begebung eben die noch offenen Kassenkredite beruecksichtigt und sich das dafuer noetige Geld am Kapitalmarkt leihen koennte, um diese Kredite als ebenso sicher erscheinen zu lassen wie das zu "AAA" geschoente Staatspapier.

Und da jederzeit ein solches Staatspapier nicht nur ausgegeben, sondern auch bei der Zentralbank voruebergehend "eingeloest" werden kann, wird der Staat einen Teufel tun und etwa mal einen Kassenkredit "wackeln" lassen - das wuerden ja sofort auch dem staatsglaeubigsten "Steuern sind meine Sicherheit"-Anhaenger die Schreckensblaesse ins Gesicht treiben, dass mit "seinen" Staatspapieren erst recht etwas nicht stimmen koennte.

Somit halten wir als Forschungsergebnis fest:

CrisisMavenscher Merksatz 001: Die Hauptfunktion von Zentralbanken ist die Staatsfinanzierung.

Der Umweg ueber die privaten "Banken" wird gewaehlt, um die Tatsache zu verschleiern, dass Staatspapiere intrinsisch wertlos sind und dass der Staat keine Sicherheiten zu bieten hat (bzw. er nicht willens ist, Sicherheiten zu gewaehren - sonst muesste man Argentinien nicht erst verklagen, sondern haette "Argentinien-Sicherheiten" verwertet).

Im Gegenteil: wenn die Sicherheiten je aufzubieten waeren (Pfaendung von Steuern), ebendieser Staat ja sofort zusammenbraeche, da seine Angestellten, Soldaten, Richter und Beamten sofort den Dienst einstellen wuerden (und muessten, wollten sie nicht verhungern - denn sie haben ja weder etwas gescheites, d.h. ausserhalb Staatsdiensten wirtschaftlich verwertbares gelernt, mit dem sie sich selbst ernaehren koennten, noch -in der Regel- direkt wirtschaftliche Ertraege ausreichend abwerfendes Vermoegen gebildet).

Anm.: "CrisisMavenscher Merksatz": ich habe den Begriff bewusst gewaehlt, damit man solche Forschungsergebnisse spaeter leichter durch Forensuche in der Zusammenschau finden kann. Als stehender Begriff, so wie Barbaras Nachrichtenueberblicke, Popeyes Meilensteine oder dottores Sammlungen bzw. Realenzyklopaedie.

Ich hatte zwar noch etwas warten wollen und eigentlich mit einem anderen "Merksatz" beginnen wollen, aber durch die gerade im Zuge der dieser Annahme der "Sicherheit von Staatsschulden" ins Gesicht schlagenden Griechenlandkrise, "Steuern seien die Besicherung der Staatsanleihen" sah ich Gefahr im Verzuge ...

CrisisMavenscher Merksatz 002: Wenn die Steuern zur Besicherung der Staatsschulden je ausreichen wuerden, braeuchte eben dieser Staat jene Schulden ja gar nicht aufnehmen!

Also: "Steuern als 'Sicherheit' fuer Statsschulden" ist wie: Credio quia absurdum" (sagte (angeblich) Kirchenvater Tertullian).

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Mit 40 DM pro Kopf begann die Marktwirtschaft, mit 400.000 Euro Schulden pro Kopf wird sie enden.
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