Deine Kommune ist eine weitgehende staatsähnliche oder -identische Organisation

Fussgänger, Freitag, 22.05.2015, 21:23 (vor 3547 Tagen) @ Leserzuschrift10696 Views

> Auch eine Gemeinde könnte eine Genossenschaft sein.

Ja, wäre ich sehr dafür, den Staat durch Genossenschaften zu ersetzen.

Da gibt's aber keinen grossen Unterschied. Die Genossenschaft "Deutschland" ist schlussendlich das gleiche, wie der Staat Deutschland (oder jeweils Schweiz - ich bin Schweizer).

> Ich sehe da keinen Unterschied, ob der Geschäftsführer nun von
einer Gemeinde (verstaatlicht) oder von einer Genossenschaft, der
schlussendlich alle, die Wasser wollen, angehören, Geld kriegt
(privatisiert). Wenn sowieso alle Gemeindemitglieder auch Mitglieder der
Genossenschaft sind, dann ist das das mehr oder weniger das gleiche.

Nein, da gibt es einen gewaltigen Unterschied. Bei der Genossenschaft sind
die Einwohner Eigentümer, in einem staatlichen System
Untertanen.

Du meinst also, wenn du Anteilseigner einer Unternehmung seist, hättest du was zu sagen? Wenn du für 100'000 Euro Bankaktionen besitzt und auf der gleichen Bank 100'000 Euro Einlagen hast (zusätzlich), hast du dann dort irgend 'was zu bestimmen?

Wann hat der Bürgermeister Deiner Gemeinde das letzte Mal zu einer
Einwohnerversammlung geladen, um beispielsweise über die Erhöhung der
Müllgebühren abstimmen zu lassen?

Ich werde vier Mal pro Jahr zu irgend welchen Fahrradständerproblemen befragt. Das ändert nichts.

Hast Du schon mal einen Geschäftsplan Deiner Gemeinde gesehen oder einen
Jahresabschlussbericht?

Mehr oder weniger, ja.

Könnt ihr eurer Gemeindeleitung jederzeit das Vertrauen entziehen, wenn
sich herausstellt, das sie mit den ihr anvertrauten Geldern "unsachgemäß"
umgeht?

"Jederzeit" nicht, kann ich bei den Unternehmen, bei denen ich via Aktionariat "Miteigentümer" bin, aber auch nicht.

Das Straßennetz als genossenschaftliches Eigentum der KFZ-Halter,

> Jetzt ist es halt das "genossenschaftliche" "Eigentum" der
Steuerzahler, zusätzlich alimentiert durch die KFZ-Halter (KFZ- und
Treibstoffsteuer). Da ändert sich schon wieder nichts.

Doch. Dann könnten die Mitgliedsbeiträge nicht einfach für etwas
anderes ausgegeben werden.

Doch. Und sei es nur für Spesen, ähnliche Aufwände und sogar für Boni. Habe ich jedenfalls bei Firmen, bei denen ich Aktien besitze, schon gesehen.

Die KFZ- und Treibstoffsteuer wurden ja einmal zweckgebunden
erhoben, um das Straßennetz zu finanzieren. Dann verschwanden diese
Einnahmen im großen Topf, und jetzt wird Maut eingeführt --- um das
Straßennetz zu finanzieren.

Auch ein privatrechtlich geführtes Unternehmen, das öffentliche Dienstleistungen erbringt, kann zusätzliches Geld benötigen. Das kommt dann entweder direkt von den Steuerzahlern oder von "kreativ" erfundenen Posten (z.B. Maut).

das Schienennetz eine Genossenschaft der privaten Bahngesellschaften,

> Die müssen alle Gewinn machen.

Wieso? Zum Überleben reicht es doch, wenn sie keine Verluste
erwirtschaften.

Privatwirtschaftliche Unternehmen werden merken, dass es bedeutend mehr Spass macht, Gewinn zu erwirtschaften; sei es für die (Mehrheits-)Eigentümer oder für die Chef-Angestellten (als Bonus).

> Und weil Gewinne kurzfristig gemacht werden müssen (sonst fliegen
die Manager), wird halt nur noch das kurzfristige Minimum, aber nicht das
langfristige Optimum investiert.

Netz und Transport gehören sauber getrennt.

Seit 2008 weiss jeder, der über eine minimale Restintelligenz verfügt, dass der Wealth-Management- und der Investment-Bank-Teil einer Bank sauber getrennt gehören. Wurde das seither an den meisten oder wenigstens wichtigsten Bankenplätzen der Welt so umgesetzt?

Das Schienennetz wird kostendeckend betrieben,

Kostendeckend könnte und tut dies normalerweise eine staatliche Organisation. Privatrechtliche Unternehmen tendieren _gewinnbringend_ zu betreiben.

und jede Bahngesellschaft
steht in Konkurrenz mit anderen.

Die Bahngesellschaften betreiben das Schienennetz gar nicht. Und wenn sie's täten, könnten sie damit nicht vernünftig in Konkurrenz zu anderen sein. Oder glaubst du ernsthaft, es könnten zwei weitgehend unabhängige Schienennetze in einem Land existieren _und_ wirtschaftlich günstig sein?

Wenn sie an der falschen Stelle "spart",
geht sie pleite und wird von einer anderen ersetzt, die rechen kann.

Wenn die das Schienennetz betreibende Firma Pleite geht, muss erstmal der Steuerzahler, in Form deines gehassten Staates einspringen. Und weil die private Firma knallhart rechnen muss und überall versucht, Kosten zu sparen, wird sie an Reinvestitionen sparen wollen. Und dann wegen eines unvorhergesehenen und nicht versicherten Problems doch Pleite gehen.

Warum sollte das, was auf der Straße bei Überlandbussen oder Speditionen
funktioniert, nicht auch auf der Schiene gehen?

Ich kenne kein Land, bei dem die Strassen privat betrieben werden (ausser ein paar Autobahnen in Italien, Frankreich und den USA). Und dort hilft der Staat schön nach (finanziell).

die öffentliche Verwaltung im Eigentum der Bürger, usw.

> Dort wollte ich dann aber nicht Eigentümer sein und würde dort auch
nicht Kunde werden wollen. Adé Steueramt! Oder war das nicht so gemeint -
geben wir dem privatisierten Steueramt dann doch wieder staatliche Rechte
und muss ich dort mitmachen, so wie heute?

Wenn Du (Mit-)Eigentümer der Gemeinde wärst, dann könnte die Verwaltung
nicht einfach nach Gutsherrenart entscheiden, wieviel Geld Du zu zahlen
hast und wofür es ausgegeben wird.

Ungefähr so, wie die Bank, bei der ich Aktionär bin, nicht einfach die Gebühren ändern kann.

Es wäre nämlich umgekehrt: die
Eigentümer entscheiden, und die Verwaltung hat das dann bestmöglich
umzusetzen, sonst fliegt sie wegen Unfähigkeit auf die Straße.

Ich wollte schon immer mal dem Schalterangestellten der Bank den Weg zur Strasse weisen.

> Was machen eigentlich die Genossenschafter (Miteigentümer), wenn sie
wegziehen - zwingend verkaufen oder nun als reiner Mitbesitzer weiterhin
mitreden und z.B. verlangen, dass nicht mehr investiert, sondern Gewinn
abgeschöpft und ausbezahlt wird?

Die Mitgliedschaft ist ortsgebunden.

Ich bin also nicht Eigentümer im rechtlichen Sinne. Es handelt sich damit um eine Zwangsmitgliedschaft, wie heute bei der Gemeinde und dem Staat.

Wenn Du wegziehst, nimmst Du ja Dein
Haus auch nicht mit...

Aber meine Aktien.

> Und wieso, wenn doch die Privatisierung so gut ist, nennst du hier
nur Genossenschaften?

Weil sie eine Form von Privateigentum sind.

Offenbar nicht. Sonst würde ich mein Privateigentum beim Umzug nicht einfach so verlieren.

Und es ging um die Frage:
"staatliche" oder "private" Wasserversorgung.

Du hast nur den heutigen Staat durch einen anderen Staat ersetzen. Mit privatrechtlicher Organisation hat das nur formell zu tun (und selbst das nur wenig).

> Warum soll nicht eine reine Aktiengesellschaft diese Geschäfte
führen, vielleicht auch eine grössere Firma die Wasserversorung anbieten,
z.B. Nestlé oder Monsanto?

Wenn die Einwohner ihr den Auftrag geben und dann mit den Konsequenzen
leben, warum nicht?

Weil es Mist ist. Es sollte gar nicht zur Disposition stehen, dass man sich in einer selbstverschuldeten oder von aussen konstruierten Notlage an solche Konzerne verkaufen kann.

Aber ich denk' mal, dass auch der Dümmste rasch einsieht, dass eine
Non-Profit-Genossenschaft unter dem Strich wahrscheinlich billiger ist...

Was du denkst, ist dir überlassen.

> Ich bin der Meinung, dein Beispiel illustriere sogar, warum die
Grundinfrastruktur in die Hand des Staates gehört.

"Staat" ist für mich ein Synonym für organisierte
Verantwortungslosigkeit.

Du bist also ein Ideologe.

Die Grundinfrastruktur gehört in die Hand der Einwohner, also
Volkseigentum im wahren Sinne.

Also der Menge aller Bürger - sowohl auf kommunaler bis hin zu nationaler Ebene: den unterschiedlichen Organen des Staates.


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