Zentrale Begriffe müssen definiert werden.

Beo2, NRW Witten, Freitag, 09.09.2016, 13:06 (vor 3073 Tagen) @ Orlando3320 Views
bearbeitet von unbekannt, Freitag, 09.09.2016, 13:19

Alles klar, (Tausch)handel einfach herbeidefiniert

Ja, alle Begriffe, die in einer wissenschaftlichen Theorie eine ZENTRALE Rolle spielen, müssen begrifflich klar sowie mess-operational definiert werden. Sonst redet man aneinander vorbei, wie es hier Gang und Gäbe ist.

Handelsbeziehungen aus der Zeit lange vor 650 v.Chr. betrachte ich als wissenschaftlich, durch archäologische Funde und Schriften ausreichend belegt - siehe auch hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Handel#Vorgeschichte

Vorgeschichte ist definiert als Zeitraum ohne schriftliche Zeugnisse. Ich rede hier von der vorstaatlichen Zeit vor Ackerbau und Viezucht.

Stadtstaaten gab es schon seit dem 7. Jahrtausend v.Chr., nicht aber Geld im heutigen Sinne. In vorstaatlicher Zeit gab es überwiegend sog. Schenk"wirtschaft" - auch das habe ich deutlich erwähnt. Jedoch auch Tauschhandel zwischen benachbarten Stämmen kann nicht ausgeschlossen werden.
Von der Schenkwirtschaft zur Tauschwirtschaft war es nur noch ein kleiner, naheliegender Schritt. Die Geschichte entfaltet sich m.M.n. in unmittelbar naheliegenden Schritten. Das nächste baut auf dem vorhandenen auf .. so wie die ersten Kurantmünzen auf dem lange verwendeten Warengeld ("Jokerware") aufbauten.

Über Wiki kann man zwar Verweise auf echte Forschungsergebnisse finden, Wiki selbst gilt allerdings (noch?) nicht als solches. Ich zitiere mal aus Deinem Link:
Die Verbreitung von Produkten sagt nichts über die Art und Weise ihres Transports aus. In der Betrachtung der Ur- und Frühgeschichte wird Handel daher mangels ausreichender Befundlage gleichgesetzt mit dem Ferntransport von Gütern, meist Rohstoffen, welche am Fundort natürlicherweise nicht vorkommen und (nach langer Zeit) durch Archäologen noch identifizierbar sind, wie Feuerstein oder Muschelschalen und Schneckenhäuser (siehe auch Kaurigeld). Dieser Definition entsprechend betrieb der Homo sapiens Handel schon sehr lange.
Übersetzt heisst das, archäologisch lässt sich feststellen, dass langlebige Materialien fernab ihres Ursprungsortes unter Überresten menschlichen Lebens gefunden wurden. Da ist Transport zu vermuten.

"Ferntransport von Gütern" über große Entfernungen .. wozu denn die Mühe? Um es dort zu verschenken? Das magst DU glauben, aber nicht ich! Es wurde gegen dortige Ware getauscht.

Der Einfachheit halber wird Ferntransport ist gleich Handel definiert.

Ist auch richtig so, bis es wissenschaftlich widerlegt ist. Wir diskutieren hier legitime Theorien.

Du machst daraus flugs "Tauschhandel" (Äquivalenttausch insinuierend) und siehst das als Beleg, dass weil sich irgendwo Obsidian fernab geologischer Vorkommen gefunden hat, die vorgeschichtlichen Menschen in ihrem Alltag munter Fische und Wurzeln gegen Katzenfelle getauscht hätten. Diese Schlussfolgerung halte ich für unzulässig.

Ich habe eine Theorie aufgestellt und mit empirischen Befunden unterfuttert .. eine chrono- und sachlogische, wie ich meine. Sie steht im Wettbewerb zu anderen Theorien.

Hier mal zwei kurze Erörterungen von @dottore zu genau diesem Thema, nämlich von der Schwierigkeit, aus den archäologischen Befunden Handel abzuleiten:
http://www.dasgelbeforum.net/sammlung/htm/331184.htm
http://www.dasgelbeforum.net/sammlung/htm/330711.htm

Das werde ich mir gleich noch durchlesen und evtl. kommentieren, falls es etwas neues enthält. Auch @dottore forscht nicht unvoreingenommen.

Aber eigentlich, schon der gesunde Menschenverstand legt es sehr nahe. Meine Beschreibung der historischen Geldentstehung als eine sehr praktische oder revolutionäre Neuformatierung des damals regional oder sehr weitläufig akzeptierten Warengeldes (aus Gold und Silber) erscheint mir im damaligen sozioökonomischen Umfeld als sehr naheliegend.

Gold/Silber/Warengeld bei den Wildbeutern? Sicher nicht.

Nein, aber z.B. Pfeil und Bogen, Angel, bemalte Tongefäße, Felle, Seile, Feuerstein, Edelstein, Bernstein, Salz, getrocknetes/gesalzenes Fleisch/Fisch (in Notzeiten), diverses Werkzeug, und anderes mehr.

Der gesunde Menschenverstand legt eigentlich genau das Gegenteil nahe, nämlich: Wieso soll ein glücklicher Stammesangehöriger in vorgeschichtlicher Zeit seinen Stamm mit ein paar Feuersteinen im Beutel verlassen, um diese dann viele hundert Kilometer weit mit anderen Stämmen, die er erst mal finden und kennenlernen müsste, gegen was nochmal einzutauschen?

Wieso "viele hundert Kilometer weit"? Zu den Nachbarstämmen war es nicht immer sehr weit; alle waren oft unterwegs. Nachbarstämme hatten andere nützliche Erfindungen gemacht (z.B. Farben-, Gefäß-, Kleiderherstellung, Metallgewinnung usw.). Diesen Stämmen begegnete mensch zwangläufig bei der Jagd und Wanderung. Wie konnte man die begehrten Gegenstände von den Anderen bekommen? Man bot ihnen als erstes eigene Erzeugnisse zum Tausch an; wenn das nichts brachte, griff man eventuell zur Waffe, falls man sich überlegen wähnte. Niemand starb gerne - ist m.M.n. naheliegend und viel gesünder als, ohne zu überlegen, nur rauben und töten zu wollen.

Der gesunde Menschenverstand würde ihm eher nahelegen, bei seinem Stamm und seiner Mutti zu bleiben, die Füße in den Fluß zu hängen und Handel Handel sein zu lassen.

Nein, der Mensch war schon immer neugierig und wanderte über weite Entfernungen, auch wegen besseren Nahrungsquellen. Dabei begegnete man anderen Stämmen, die evtl. bessere/schönere Werkzeuge, Waffen, Schmuck, Farben, Gewürze etc. besaßen. Das sagt mir jedenfalls mein Verstand.

Wahrscheinlicher, dass er einen guten Deal macht wäre nämlich, dass ihn ein Säbelzahntiger unterwegs anfällt oder die geschätzen "Geschäftspartner" ihm die Steine einfach abnehmen und ihn von der nächsten Klippe stürzen.

Das ist deine Theorie, nicht meine. Du darfst gerne Belege für deine Theorie beibringen.

So einfach ist es mit den Belegen für vorgeschichtlichen Tauschhandel nicht, bzw. darf man es sich nicht machen.

Meine Theorie befindet sich in Übereinstimmung mit Theorien vieler anderer Forscher. Ihr Grad der Objektivierung ist also ziemlich hoch. Du hast dem hier auch gar nichts Fundiertes entgegengesetzt.

Mit Gruß, Beo2


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