Danke - Wieder mal ein Beitrag, wie wir sie noch von früher kennen

Zarathustra, Sonntag, 20.12.2015, 11:58 (vor 3336 Tagen) @ Robert5047 Views
bearbeitet von Zarathustra, Sonntag, 20.12.2015, 12:06

Grüezi Robert

Ich stimme den meisten Deiner Aussagen zu, insbesondere Deiner Kritik an den keynesianischen Umverteilungs-Apologeten und erlaube mir daher, lediglich ein paar ergänzende Anmerkungen zu machen. Deinen Beitrag stufe ich als sammlungswürdig ein.

Haben wir eine „GUTHABENKRISE" ?

Die einen nennen es Gutenhabenkrise, die anderen Schuldenkrise. Saldentechnisch korrekt ausgedrückt haben wir eine Guthaben-/Schuldenkrise.


Das Thema (und alte Erkenntnisse aus dem Gelben) von mir zwischendurch mal
wieder zur Auffrischung und Erinnerung zusammengeschnitten. Gibt es
inzwischen neue Erkenntnisse? Für Korrekturen, Ergänzungen und sachliche
Kritik wäre ich dankbar.

Ich komme zu dem Schluss, dass wir keine „Guthabenkrise" haben und es
sich dabei eher um ein neues Schlagwort der Neo-Gesellianer im Gewand der
Lautenbach'schen Kreditmechanik bzw. Stützel'schen Saldenmechanik handelt,
die aus Symptomen eine Ursache und Ideologie stricken wollen. :-)

Genau.


Durch laufende Neuverschuldung werden i.d.R. stets alte Forderungen
(Bankkredite, Anleihen etc.) auch laufend zum Termin getilgt. Es sei denn,
es sind wie gesagt „faule Schulden" bzw. die Schuldner fallieren, weil
fehlinvestiert wurde. Dann werden private Geldvermögen
vernichtet/entwertet. Es müssen also niemals alle Schulden in Summe auf
einmal getilgt werden, sondern es kommt darauf an, ob es laufend
freiwillige Nachschuldner gibt, die laufend frische Liquidität ins Spiel
bringen und die Guthabenhalter nicht ewig auf ihren Guthaben (Geldmenge M3)
sitzen bleiben, was in der Realität kaum der Fall ist.


Ja, darauf kommt es an. Es kommen aber zyklisch wiederkehrend Zeiten, in welchen zuwenige freiwillige und unfreiwillige Nachschuldner verfügbar sind. Meines Erachtens immer dann, wenn die Relation Schulden / BIP ein gewisses Mass erreicht. Die Empirie zeigt doch, dass jeder zusätzliche Dollar an Schulden im gesamten System den Return darauf immer weiter schwinden lässt. Der altbekannte Chart hierzu:

[image]

Was für ein einzelnes Unternehmen gilt, gilt meiner Meinung nach auch für die Gesamtwirtschaft.
Die Bilanzsumme hat einen Einfluss auf die Produktivität. Eine Firma/Volkswirtschaft mit einer Relation Produktion/Bilanzsumme von 1:1 wächst schneller als solche mit einer Relation von 1:10.
Letztere gehen im Schnitt auch früher über den Jordan als erstere.


Es gibt bis jetzt keinen einzigen wissenschaftlichen Beweis, dass wir
zuviel Guthaben oder Forderungen angespart hätten, in dem Sinne,
dass daraus eine deflationäre/rezessive Krise resultiert hätte.

Ob der Debitismus eine Ansammlung von Beweisen oder nur Indizien ist, ist wohl Ansichtssache.
Die Indizien des oben dargestellten Diminishing Return (Tsatsikisi-Effekt bei Dottore) sind meiner Meinung nach aber überwältigend.

Man kann
lediglich von Fehlallokation des Anlagekapitals sprechen.

Es gibt beides. Sowohl Fehlallokation des Kapitals, als auch zu hoher Krediteinsatz. Wer auf die richtigen Produkte setzt, aber gleichzeitig eine zu hohe Bilanzssumme (= zuviel Zinsaufwand) aufbaut, geht bankrott, obwohl er auf die richtigen Produkte gesetzt hat.

Aber falls dann
schneller entspart würde und ein Teil der solventen (!) Unternehmer
eventuell schneller tilgen könnten, hieße das nicht, dass der Druck von
der Verschuldungsseite nun genommen wäre. Es bräuchte so oder so laufend
Nachschuldner, da die Geldmenge durch Tilgung laufend sinkt.

Ja, die braucht es immer, aber es gibt sie nicht immer, bzw. im Lauf der Zeit durch den Tsatsiki Effekt (Diminishing Return on additional Debt) immer weniger, worauf es zu entsprechenden Bereinigungen (= Reduktion von Guthaben/Schulden der gesamten Volkswirtschaft) auf fraktal unterschiedlich hohen Wellenebenen kommt: Rezession, Depression, Untergang ganzer Kulturen.


Die Höhe der Schuldensumme (Bankkredite und Wertpapiere) ist dabei
eigentlich nicht so entscheidend, sondern die Qualität der Kredite,

Mit 'nicht so entscheidend' kann doch nur gemeint sein: dennoch mitentscheidend.

also
dass diese Kredite auch durch die Märkte regelmäßig zum Termin(!)
erfüllbar bleiben

Je höher Dein Kredit ist im Verhältnis zur Summe Deiner Einnahmen auf Deinen Produkten, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass Du die Kredite nicht bedienen kannst!

bzw. dass die Schuldner (finanzielle/nichtfinanzielle
Unternehmer, Haushalte, Staaten) solvent bleiben, indem es zum Beispiel den
Unternehmern gelingt, laufend ihr Waren- und Dienstleistungsangebot so zu
gestalten, dass es nachgefragt wird und sie die zukünftigen Märkte
möglichst richtig einschätzen, so dass sie zahlungsfähig bleiben bzgl.
ihrer Kosten/Tilgungsraten. Oder dass es Staaten gelingt, stets
regelmäßig ihre Steuern einzuziehen, um ihre Anleihen zum Termin zu
bedienen.

Ja, aber eben: Je höher die Bilanzsumme in Relation zur Produktion (egal ob Einzelunternehmen oder Gesamtwirtschaft), desto näher ist der auf obigem Chart dargestellte „Zero Day“.


Da Wirtschaften generell niemals ohne Nachschuldner funktioniert im
Kapitalismus – denn gewirtschaftet wird wegen Profit und Abgabezwang –
und es stets solange freiwillige Nachschuldner gibt, solange es gelingt,
seitens der Unternehmer (künstliche) Nachfrage zu schaffen und damit
Märkte aufrecht zu erhalten bzw. solange es irgendwo Wachstumsmärkte
gibt, können Bankguthaben oder Wertpapiere ( = Forderungen) solange
gespart werden, wie auch gewirtschaftet wird.

Ja, aber das klingt nach Zirkelargument.


Dann der nächste Punkt (irgendwo mal im Archiv aufgeschnappt):

b) die Saldenmechanik verleitet dazu, wie schon angedeutet, die
Kausalität der Verschuldung leichtfertig umzudrehen, da inhärent eine
Tautologie besteht. Doch an erster Stelle steht immer der Kredit, welcher
ein Fälligkeitstermin hat ( = Forderungen der Geschäftsbank) und ex post
entsteht in gleicher Höhe ein nullfristiges Guthaben als
„Zahlungsmittel" ohne Termin, welches später wiederum von einem Sparer
mit Frist belegt werden kann. Verschuldungs-„zwänge" (welche oftmals gar
nicht aus dem Banksparen resultieren) sind systeminhärent und ergeben sich
aus vielfältigen Gründen,

Verschuldungszwang hat eine Grundursache, die alles startet: die Organisierte Gewalt (Staat). „Das startet alles“.

Private property as de iure institution needs a foregoing state to come into existence. The state needs foregoing power and foregoing power needs armed force. The ultimate “foundation of the economy” thus is the weapon, where possession and property are identical because the possession of it guarantees property of it. Armed force starts additional production (surplus, tribute). The first taxes are contributions of material for the production of attack weapons (copper, tin). Thus non-circulating money begins. Taxes as “census” and money are the same. PCM

Kaum ein Unternehmen (es sei denn mit Monopolstellung) kann es sich
leisten, Schulden tatsächlich zurückzuzahlen und sich auszuruhen.
Vielmehr versucht es zu wachsen, um auf dieser Basis weitere Kredite zu
erhalten ( = Hebeln des Eigenkapitals), mit Hilfe derer er seinen Betrieb
laufend ausbaut und modernisiert, um gute Ware zum besten Preis anbieten zu
können.

Ja, aber es versucht nicht, die Schulden im Verhältnis zur Produktion zu erhöhen. Aber es kommt gesamtwirtschaftlich – aufgrund des Tsatsiki-Effektes – dennoch dazu, weil die Mehrheit der Unternehmen und Staaten es nicht schafft, die Relation konstant zu halten.


Fazit:

Zusammenfassend lässt sich nach heutiger Erkenntnis imho NICHT eindeutig
aufzeigen dass wir eine „Guthabenkrise" haben. Zumal das impliziert, eine
Auflösung der Sparguthaben ( und ähnliche geldtechnische Mätzchen)
könnte den Debitismus „retten" und Krisen verhindern.

Das sehe ich anders. Die Indizien, dass nahezu alle Volkswirtschaften bei einer drei-, vier- oder fünffachen Schuldensumme in Relation zur Produktion immer langsamer wachsen und zum Stillstand kommen, bestätigen meines Erachtens Dottores Tsatsiki-Effekt und die These des Diminishing Return. Dieser Effekt liesse sich nur durch Laissez-faire verhindern. Es käme dann fortlaufend zu Ausbuchungen der Fehlallokationen. Je mehr und 'erfolgreicher' solche Ausbuchungen durch staatliche Intervention verhindert/verzögert werden, desto mehr Ausbuchungspotential wird 'angespart', worauf diese angesparten Ausbuchungen dann gebündelt über die Bürger hereinbrechen.

Viel evidenter ist, dass wir (neben vielen anderen weltweiten Konflikten)
eine „Verteilungskrise" haben, denn eine hohe Vermögenskluft kann
nachweislich Wachstum verhindern und Arbeitslosigkeit u. Armut schaffen.
(Quelle gerade nicht zur Hand).

Ja, wobei die staatlichen Interventionen zugunsten der Too-Big-To-Fails (Arbeitsplätze und so!) diese Tendenz eher verstärken.


Es ist eine Masche der Geldreformer, um die alten Ideen aus der
Mottenkiste Gesells wieder hoffähig zu machen, indem man meint, man
müsste das Rad nur schneller drehen bzw. das Geröll nur schneller den
Berg herunterfallen lassen, um zu Gleichgewicht zu gelangen.

Durch expansive Geldpolitik (vor allem durch die Federal Reserve, die den
Markt lange Zeit mit billigen Dollars geflutet hat) und die exzessive
(freiwillige nicht-keynesianische) unproduktive Staatsverschuldung, aber
damit verbunden auch durch Deregulierung und Ausweitung des internationalen
Finanzmarktes, wurde der globale credit boom (Investitions- und
Konsumkredite) über Jahrzehnte zusätzlich angeheizt, so dass sich ex post
immer mehr Guthaben akkumulieren konnten.

Das hat einerseits zu mehr Wachstum und Wohlstand geführt aber auch
symtomatisch(!) zu mehr Instabilität und „saldenmechanischen
Ungleichgewichten". Das Problem löst man nun nicht dadurch, indem man die
Sparguthaben/Überschüsse diskriminiert oder z. B. auf die bösen
deutschen „schwäbischen Hausfrauen" schimpft und mit alten
gesellianischen Konzepten daherkommt.

Es gibt imho generell kein wirksames Instrument, wie man die weltweiten
Liquiditätsströme kontrollieren könnte, es sei denn, man schafft
weltweit das Bargeld ab und führt überall Kapitalverkehrskontrollen ein.
Zudem befinden sich hinter den gesparten Guthaben auch viele „faule
Kredite" im System. Eine Rückkopplung ist hier nur durch Abschreibung
möglich und nicht durch Erhöhung der Umlaufgeschwindigkeit der Guthaben
durch einen „Negativzins" oder „dauerhafte Nullzinserwartung" (Onkel
Otto).

So ist es. Abschreibung (bzw, die politische Verhinderung dessen) ist das A und O.


Es ist prinzipiell doch eher so, dass es auf komplexen und globalen
kapitalistischen (profitorientierten) Märkten niemals Gleichgewicht geben
kann zwischen der Angebots- und Nachfrageseite ( = neoklassisches oder
gesell 'sches Märchen), welches Wirtschaften ohne Termindruck ermöglicht
oder Fehlallokationen u.ä. verhindert. Auch die Monetaristen mussten z. B.
einsehen, dass es keine optimal geschöpfte Geldmenge gibt, die man im
Voraus als die richtige bestimmen könnte (Hallo @Beo) :-)

So ist es.

Beste Grüsse, Zara


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