Der Zins lebt mit dem Schuldner, wie der Schuldner mit dem Zins lebt

Nico, Donnerstag, 01.01.2015, 22:32 (vor 3413 Tagen) @ Leserzuschrift7028 Views
bearbeitet von unbekannt, Donnerstag, 01.01.2015, 22:52

In der folgenden, leicht
verständlichen Simulation geht es um den angeblich fehlenden ZINS sowie
um die angeblich grundsätzlich fehlenden Nachschuldner ...

Und das schlimmste hast du dabei noch ganz außer Acht gelassen, nämlich die meuchel-mörderischen „Beleihungsgrenzen“, welche sich hinterrücks an uns und unser Eigentum heranschleichen. [[freude]]

Hallo Beo2!

Mich brauchst du da übrigens nicht lange zu überzeugen – ich habe schon selbst in einer langen Reihe von Beiträgen darauf hingewiesen, dass der Zins ebenso wenig fehlt, wie dass uns die Nachschuldner ausgehen- auf jeden Fall nicht prinzipiell.

Der Zins wird auch nicht etwa erst von den Banken in die Welt getragen, vielmehr nehmen alle Wirtschaftsindividuen selbigen. Der Zins deckt die uns allen anfallenden Abschreibungen, also z.B. auch die Abschreibungen der (Geschäfts-) Banken, aber auch die des Staates. Die Abschreibung bedeuten nämlich den monetären Äquivalent für den Konsum auf der Sachebene – wie er auch bei Banken oder dem Staat anfällt. Das Geldwesen bedeutet zunächst eine Abstraktion der relevanten physikalischen Welt. Das was wir „Geld“ nennen beschreibt das was ist – der Zins hingen wie sich diese Verhältnisse mit der Zeit verändern oder gerne auch stetig erneuern. Eine Bilanz bedeutet ein Standbild – in dieser taucht also auch kein Zins auf.

Der Zins weist stets zwei Seiten auf – der eine leistet ihn, der andere erhält ihn und jeder von uns schlüpft dabei dennoch in beide Rollen. So bezahlt jeder den zu leistenden Zins mit dem Zins, welchen er selbst erst generiert. Der Zins lebt und stirbt dabei mit dem Schuldner und zeigt nicht etwa ein Eigenleben. Natürlich kann ein Schuldner stürzen, weil ein anderer Schuldner zuvor zu Fall kam. Dass bedeutet aber weiterhin nur, dass auch dieser seinen Zins zur Erneuerung seines Kapitals nicht realisieren konnte, was für andere deshalb noch lange nicht gilt. Es verschwindet auch nichts substanzielles durch einen Bankrott. Für einen Anderen bedeutet dieser Bankrott vielmehr einen Konkurrenten weniger, weshalb bei ihm der Zins jetzt erst-recht sprudelt. Offenbar können einige nicht zwischen einem konkreten Zins und einem allgemeinen Zinsniveau unterscheiden.

Der „Fehlende Zins“ ist ein albernes Ammenmärchen, und kaum besser als die angeblich knapp werdenden Nachschuldner. So wie der Zins mit dem Schuldner lebt, so lebt der Schuldner mit dem Zins. Das buchhalterische Prinzip ist nicht darauf angelegt, (Netto-) Schuldner zu erzeugen, sondern solche zu eliminieren. Warum lösen wir unser „Nachschuldnerproblem“ nicht einfach damit, dass wir die lästigen buchhalterischen Regeln außer Kraft setzen? Jeder kann Schulden machen, so viele er will, und nie wieder werden Nachschuldner knapp?! Toll! Natürlich wird mit der Schuld auch der Zins eliminiert, und am Ende bleibt etwas anderes – das Zinsniveau.

Wenn es interessiert, noch etwas über meine Sicht auf den Zins.

Es ist schon richtig, dass wir einen Systemfehler auszumerzen haben, welcher aber zunächst akkurat zu lokalisieren wäre. Richtig ist, wenn das Geldwesen die gewünschten Verhältnisse nichts als spiegelt – falsch hingegen ist, wenn das Geldwesen zu einem (Geld-) Unwesen mutiert, und sich die realen Verhältnisse nun nach dem Gelde richten. Das Geldwesen wäre dabei an die Naturgesetze anzupassen, bedeutet aber kaum selbst ein solches Naturgesetz. Der gegenwärtige systematische Fehler besteht einzig darin, dass aus staatlicher Nachfrage resultierende Schuldtitel nicht gleich als Zahlungsmittel behandelt werden. Vielmehr habe sich der Staat doch seine Liquidität auf dem Privatsektor zu suchen – also wohl bei den Privatiers, die das Geld bereits in Händen halten. So erst entsteht das Geschwür der (globalen) Staatsverschuldung, dessen verheerende Wirkung die von PCM zutreffend beschriebene „Verrentung“ bedeutet. Ohne die Verrentung wäre die Staatsverschuldung hingegen nur ein Zahlenspiel, welches mit lediglich stetig länger werdenden Zahlen ewig fortgesetzt werden könnte. Allerdings kontaminieren die Forderungen gegen den Nichtleistenden Schuldner Staat die reale Wirtschaft, weshalb diese Realwirtschaft mehr und mehr in eine Scheinwirtschaft mutiert. Dieser simple Systemfehler kann wohl erst auffallen, wenn auch das Prinzip einer Gesellschaft selbst verstanden wird. Ein Gesellschaftssystem verschafft notwendigerweise sowohl individuellen wie auch kollektiven Verhältnissen Ausdruck. Während sich das Individuelle in der Vertragsfreiheit auslebt, bedeutet der Staat die kollektive Manifestation der Gesellschaft. Es nimmt nicht Wunder, dass die bestehende und grundlegende Verwirrung über das System primär in der letztgenannten Dimension zutage tritt – und natürlich darf angenommen werden, dass diese Verwirrung durch eine bewusst orchestrierte Gehirnwäsche erst induziert wurde. Mehr noch als in der Außenwelt zu beobachten, treffen wir in diesem ansonsten sowohl intelligenten wie auch sachkundigen Forum auf die infantile Vorstellung vom Staat als Bösewicht. Der Staat bedeutet aber nur die kollektive Dimension, wie auch immer sie im Einzelfall aussieht. Der breit eingebürgerte Denkfehler liegt wie nicht anders zu erwarten in der Assoziation des Staates mit der Regierung. In einer Demokratie – welche die einzige legitime Staatsform bedeutet – gibt es aber keine Regierung. Vielmehr definiert sich die Demokratie durch die Abwesenheit jeder solchen. Typisch also, wenn ein auf Unterdrückung angelegtes System nun halbgare „Aufklärung“ im Stil eines Hoppe forciert, und diesen dafür in seinen unausgegorenen Ansichten bestärkt. Dieser lässt sich eine Regierung als Demokratie verkaufen, und glaubt nun die Demokratie zu beseitigen zu haben.

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Diesem einschlägigen Typ von (neoliberalen) Aufklärern wird also auch kaum weiter auffallen, dass die Demokratie überhaupt erst einmal ausgehebelt werden muss, damit eine Regierung beschlossen werden kann. Das hierfür in Europa flächendeckend eingesetzte Werkzeug sind natürlich die Sperrklauseln, und jedes Kind weiß bereits, dass diese Sperrklauseln dem ausdrücklichen Zweck dienen, eine Regierungsbildung überhaupt zu ermöglichen, was unter der Bedingung von demokratische Wahlfreiheit also offenbar nicht möglich wäre. Sperrklauseln bedeuten also nichts anderes, als dass alle Stimmen nicht gezählt werden, welche der Regierung nicht zustimmen. Natürlich spielt es keine Rolle, ob sich diese Regierung nun CDU/FDP oder vielleicht König Ludwig der schieß-mich-tot nennt. Ein Diktator bliebe immer noch ein Diktator, auch wenn er mal gewählt wurde. Weil die Anarchos nicht zwischen Staat und Regierung unterscheiden können, wollen sie nun beides gemeinsam abschaffen. Hierfür negieren sie mit maximaler Weltfremdheit die Notwendigkeit eines kollektiven Ausdruckes in einer Gesellschaft. Jede Gesellschaft bedeutet ein Kollektiv und somit einen Staat. Solch ein Staat kann nun mehr oder aber auch weniger freiheitlich sein, nur bedeutet den Grad an Freiheit nur den Grad an Demokratie.

Es zeigt sich, dass diese Klarstellung notwendig ist, weil die Verwirrung über das Wesen des Staates mit der Verwirrung über das Geldwesen einhergeht, und deshalb nicht zufällig gemeinsam aufzufinden sind. Dass also der öffentliche Sektor dem Privatsektor monetäre Forderungen gewährt ist eine Absurdität und deutet nur auf die Abwesenheit von Demokratie, welche sich aber eben auch genauso gut aus der Gegenwart von Regierungen ablesen lässt. Natürlich könnte und würde ein demokratischer Staat, über eine als ZB fungierende Staatsbank alle über die Einnahmen (Steuern) hinausgehenden Ausgaben monetarisieren. Das würde bedeuten, dass der Gläubiger seine Ansprüche nun auf dem Markt zu befriedigen hätte. So würde zunächst der Anbieter auf den dieses Geld trifft die Staatsschuld bedienen. Dieser würde sich wiederum damit schadfrei halten, dass er nun wegen der so gestiegenen Nachfrage die Preise erhöht, weshalb also letztlich die Allgemeinheit über steigende Preise die defizitären Staatsausgaben begleicht. So wie es sich auch gehören würde, schließlich repräsentiert der Staat die Allgemeinheit.

Danke für das Interesse und schöne Grüße

PS:

Ich würde mich natürlich freuen, wenn du, Beo2, dich bei uns anmeldest.

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... in Wirklichkeit ist ... immer alles ganz anders, als es ... in Wirklichkeit ist ...


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