Dem Modell fehlt die Berücksichtigung des Zeitablaufes

Ashitaka, Donnerstag, 01.01.2015, 16:05 (vor 3413 Tagen) @ Leserzuschrift7877 Views

Hallo Beo2,

Obwohl neulich mein erstes Posting hier, nämlich dieses:
http://www.dasgelbeforum.net/forum_entry.php?id=334058

auf große Ignoranz gestoßen ist, starte ich nun (mit freundlicher
Zustimmung des @Chefs) einen neuen Testballon. In der folgenden, leicht
verständlichen Simulation geht es um den angeblich fehlenden ZINS sowie
um die angeblich grundsätzlich fehlenden Nachschuldner ...

Dann schauen wir uns den Ballon mal aus strenger debitistischer Sicht an.

Nehmen wir an, es gibt nur 3 Teilnehmer in einer Mini-VoWi,
nämlich die Akteure A (Kunde), B (Bank) und C (Kunde). Teilnehmer B
(Bank) genießt hohe Bonität bei den anderen beiden und kann deshalb
eigene Schuldscheine kreieren, welche von den beiden anderen als
Zahlungsmittel für eigene Leistungen akzeptiert werden. Diese
umlauffähigen Schuldscheine der Bank, nun allgemein akzeptiertes
Zahlungsmittel (Geld), sind natürlich durch ein gewisses, allgemein
begehrtes Leistungsversprechen gedeckt, welches bei dem Emittenten
jederzeit eingelöst werden kann. Nun kann es mit dem Wirtschaften
losgehen:

Das Fehlen einer zu finanzierenden Staatsgewalt und der Aufrechterhaltung von Rechts- und Haftungsräumen ist der Simplifizierung deines Modells zu verdanken. Tun wir mal so, als sei das alles für das Dreigespann A,B,C unwichtig.

__ 1) A geht zu B und leiht sich 100 GE (Geldeinheiten) für 10% Zins
aus, gegen einen Pfand versteht sich - und schuldet B nun 110. B hat also
eigens für A 100 GE kreiert. A kauft anschließend von C eine Leistung
für 100 GE - es fehlen ihm nun 110 GE für die Tilgung.

Die 10 GE fehlen A am Zinstermin. Wie überbrückt C die Zeitspanne bis zur Fertigstellung seiner Leistung und der Realisation des Geldbetrages; d.h., wie finanziert C sich und seine Leistungserstellung bis zur Fertigstellung und dem Zufluss des Geldbetrages?

__ 2) C besitzt nun 100 GE, möchte aber von A eine Leistung für 110
GE haben - geht also zu B und leiht sich 10 GE für 10% Zins dazu. Nun hat
er 110 und kauft von A eine Leistung für 110 GE. Er besitzt jetzt kein
Geld, schuldet B aber 11 GE.

Wie überbrückt A nun seine Zeitspanne bis zur Fertigstellung der Leistung für C und einer Realisation des Geldbetrages i.H.v. 110? Auch A muss sich für eine Leistungserstellung (vor)finanzieren.

Der Hinweis auf die Schuld von 11 GE ist wichtig. Auch schuldet C nun 11 GE, die aber ebenfalls erst am Zinstermin fällig werden. Zum Termin mehr weiter unten.

__ 3) A bekam also 110 GE, geht damit zu B und tilgt seinen Kredit
samt Zins. Nun besitzt A kein Geld mehr. B vernichtet 100 GE, hat aber 10
GE verwertbare Zinseinnahme; er kauft sich damit eine Leistung von C -
schließlich muss auch er irgendwas konsumieren. C hat nun 10 GE und es
fehlt ihm noch 1 GE für die Tilgung.

Nachdem A mit den 110 GE seine Schuld bei B getilgt hat, womit tilgt er nun die Schulden der Vorfinanzierung seiner Leistung. Ihn belasten schließlich Kosten für Anlagen, Betriebsmittel, Sonstiges. Wovon konsumiert A während der Fertigstellungszeit seiner Leistung? Wie tätigt die Bank B ihre Ausgaben während ihres Dienstleistungszeitraumes? Die Bank wird nicht erst im Zeitpunkt des Zuflusses der 10 GE Zinsen "irgendetwas" konsumieren, sondern muss sofort Ausgaben leisten bzw. konsumieren. Von Happa Happa bis Schicki Micki. C hat nun zwar 10 GE, aber was ist mit seinen Schulden aus der Finanzierung seiner Leistung für A?

__ 4) A möchte weiterhin, wie gewohnt, seinen Warenbedarf befriedigen
- also geht er zu B und leiht sich wieder 100 GE für 10% Zins aus. Er
schuldet B jetzt wieder 110, wie gehabt. Damit kauft er sich wieder eine
Leistung von C. A besitzt kein Geld mehr.

Du vergisst, dass A, B und C immer noch verschuldet sind. Alle drei mussten ihre Zeit bis zum Zufluss des Geldbetrages finanzieren. In deinem Modell fehlt die Berücksichtigung des Zeitablaufes (Zeitspanne vom Beginn über die Fertigstellung der Leistung bis hin zur Realisation des Geldbetrages). Weder A, B oder C können mit dem Finger schnippen, um ihre Leistungen aus dem Hut zu zaubern. Alle drei müssen sich, und das ist ein Wesenskern des Debitismus, vorfinanzieren. Schulden entstehen in deinem Modell nicht erst mit dem Gang zur Bank oder dem Kauf einer Leistung, sondern mit dem ersten Gedanken an ein Leistungsangebot bis zum Zufluss des Geldbetrages für die Leistungen.

Ich schlage vor, dass du dein Modell dahingehend erweiterst.

Dieses Spiel kann endlos fortgesetzt werden. Alle 3 Akteure haben
regelmäßiges Einkommen und verkonsumieren es.

Das Spiel zu dritt kann nicht fortgesetzt werden. Denn alle 3 Akteure haben weiterhin Schulden aus ihren (Vor)Finanzierungen. Leistungen entstehen in unserer Welt nicht ohne einen Zeiteinsatz. Es bedarf genauster Finanzplanungen, um den Zeiteinsatz eines jeden Vorhabens (und sei es das Schnitzen von Hozfiguren) bis zum Zufluss des Geldbetrages aus einer vollbrachten Leistung zu finanzieren.

Wo oder Wem fehlt nun der ZINS?

Das wichtigste W, um dem Zinsproblem auf die Schliche zu kommen, fehlt:

Wann fehlt der Zins?

Zinsschulden sind nicht das Problem, sondern der Zinstermin an dem der Geldbetrag fällig ist. Wenn du dein obiges Modell bitte erweiterst, dann dürfte bewusst werden, dass A, B und C neben eines für private Zwecke notwendigen kalkulatorischen Unternehmerlohns, auch noch Materialeinzel-, Fertigungseinzelkosten, sowie Gemeinkosten zu decken haben. Für all diese Kosten müssen sich A, B und C schon vor dem Vollbringen ihrer Leistungen verschulden (deshalb "vor"finanzieren).

Ein Nachschuldner fehlt in deinem Modell grundsätzlich nicht, da du den Zeit- bzw. Termindruck aus den notwendigen Vorfinanzierungen, sowie die zwingende Realisation eines Gewinns in Geld, nicht berücksichtigst.

FAZIT: Weder der ZINS noch Nachschuldner fehlen grundsätzlich;

Der Zins fehlt nicht grundsätzlich, sondern zum Termin. Die Geldsumme ist zwar im System, kann den Zinsverpflichteten aber aufgrund des von der Steuerung der Geldzuflüsse unabhängig stehenden Zinstermins, an diesem Termin nicht reibungslos (ohne weitere Schulden) zur Verfügung stehen.

der Zins muss vom Zinsnehmer nur zügig ausgegeben werden.

Das Geld muss nicht nur zügig ausgegeben werden, es muss dem Zinspflichtigen auch zum Zinstermin zur Verfügung stehen.

Der
verlangte Zins könnte u.E. beliebig hoch sein
.

Nein, der Zins hat Grenzen, da er einen existenziell gefährdenden Zeitdruck für den Schuldner schafft. Dafür muss die Zeit aber erst einmal berücksichtigt werden.

Ich wünsche allen hier ein gutes Neues Jahr.

Das wünsche ich ebenfalls.

Ashitaka

--
Der Ursprung aller Macht ist das Wort. Das gesprochene Wort als
Quell jeglicher Ordnung. Wer das Wort neu ordnet, der versteht wie
die Welt im Innersten funktioniert.


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