Eine Simulation: Wo fehlt der ZINS?

Leserzuschrift, Donnerstag, 01.01.2015, 13:16 (vor 3414 Tagen)9688 Views

Obwohl neulich mein erstes Posting hier, nämlich dieses:
http://www.dasgelbeforum.net/forum_entry.php?id=334058

auf große Ignoranz gestoßen ist, starte ich nun (mit freundlicher Zustimmung des @Chefs) einen neuen Testballon. In der folgenden, leicht verständlichen Simulation geht es um den angeblich fehlenden ZINS sowie um die angeblich grundsätzlich fehlenden Nachschuldner ...

Nehmen wir an, es gibt nur 3 Teilnehmer in einer Mini-VoWi, nämlich die Akteure A (Kunde), B (Bank) und C (Kunde). Teilnehmer B (Bank) genießt hohe Bonität bei den anderen beiden und kann deshalb eigene Schuldscheine kreieren, welche von den beiden anderen als Zahlungsmittel für eigene Leistungen akzeptiert werden. Diese umlauffähigen Schuldscheine der Bank, nun allgemein akzeptiertes Zahlungsmittel (Geld), sind natürlich durch ein gewisses, allgemein begehrtes Leistungsversprechen gedeckt, welches bei dem Emittenten jederzeit eingelöst werden kann. Nun kann es mit dem Wirtschaften losgehen:

__ 1) A geht zu B und leiht sich 100 GE (Geldeinheiten) für 10% Zins aus, gegen einen Pfand versteht sich - und schuldet B nun 110. B hat also eigens für A 100 GE kreiert. A kauft anschließend von C eine Leistung für 100 GE - es fehlen ihm nun 110 GE für die Tilgung.
__ 2) C besitzt nun 100 GE, möchte aber von A eine Leistung für 110 GE haben - geht also zu B und leiht sich 10 GE für 10% Zins dazu. Nun hat er 110 und kauft von A eine Leistung für 110 GE. Er besitzt jetzt kein Geld, schuldet B aber 11 GE.
__ 3) A bekam also 110 GE, geht damit zu B und tilgt seinen Kredit samt Zins. Nun besitzt A kein Geld mehr. B vernichtet 100 GE, hat aber 10 GE verwertbare Zinseinnahme; er kauft sich damit eine Leistung von C - schließlich muss auch er irgendwas konsumieren. C hat nun 10 GE und es fehlt ihm noch 1 GE für die Tilgung.
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__ 4) A möchte weiterhin, wie gewohnt, seinen Warenbedarf befriedigen - also geht er zu B und leiht sich wieder 100 GE für 10% Zins aus. Er schuldet B jetzt wieder 110, wie gehabt. Damit kauft er sich wieder eine Leistung von C. A besitzt kein Geld mehr.
__ 5) C besitzt nun 110 GE und tilgt seinen Kredit von 11 GE bei B - es bleiben ihm noch 99 übrig. B hat 1 GE Zinseinnahme und kauft sich damit eine Leistung von C. C hat nun 100 GE, möchte aber wieder, wie gewohnt, eine Leistung von A für 110 GE. Er geht also zu B und leiht sich wieder 10 GE dazu. Er schuldet B jetzt 11 GE. Nun kauft er bei A für 110 ein und besitzt kein Geld mehr.
__ 6) A hat 110 bekommen und tilgt seinen Kredit bei B. A besitzt kein Geld mehr. B hat 10 GE Zinsgewinn und kauft dafür wieder bei C ein. C hat nun 10 GE, schuldet B aber immer noch 11 GE.
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__ 7) A möchte weithin, wie gewohnt, konsumieren, also geht er zu B und leiht sich wieder 100 GE für 10% Zins aus. Er schuldet B wieder 110 - und er kauft wieder bei C für 100 GE ein. A besitzt kein Geld mehr.
__ 8) C hat nun 110 GE bekommen und tilgt seinen Kredit von 11 GE - es bleiben ihm noch 99 GE übrig. B hat 1 GE Zinsertrag und kauft dafür wieder eine Leistung bei C - er muss ja auch konsumieren, um nicht zu verhungern. C hat jetzt 100 GE, möchte aber, wie gewohnt, eine Leistung von A für 110 GE. Also leiht er sich bei B wieder 10 GE und kauft bei A für 110 ein. Er besitzt nun kein Geld, schuldet B aber wieder 11 GE.
__ 9) A hat also 110 bekommen und tilgt seinen Kredit samt Zins. A besitzt kein Geld mehr. B hat 10 GE Zinsertrag und kauft dafür bei C ein. C hat nun 10 GE, schuldet B aber 11.
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__ 10) A möchte wieder, wie gewohnt, Ware einkaufen - also geht er zu B und leiht sich wieder 100 GE für 10% Zins aus. Er kauft bei C eine Leistung für 100 und besitzt nun kein Geld mehr.
__ 11) C hat nun 100 GE und tilgt seinen Kredit von 11 GE - es bleiben ihm noch 99 übrig. B hat 1 GE Zinseinnahme und kauft dafür wieder bei C ein. C hat nun 100 GE, möchte aber, wie gewohnt, für 110 eine Leistung bei A kaufen. Also geht er zu B, leiht sich noch 10 dazu und kauft bei A für 110 ein. Nun besitzt er kein Geld mehr, schuldet B aber wieder 11 GE.
__ 12) A hat also 110 bekommen und tilgt seinen Kredit. A besitzt kein Geld mehr. B hat nun 10 GE Zinseinnahme und kauft bei C dafür ein. C hat jetzt 10 GE, schuldet B aber 11.
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__ 13) A möchte weiter, wie gewohnt, konsumieren - also geht er zu B .... usw. usf., wie oben.

Dieses Spiel kann endlos fortgesetzt werden. Alle 3 Akteure haben regelmäßiges Einkommen und verkonsumieren es. Wo oder Wem fehlt nun der ZINS?

FAZIT: Weder der ZINS noch Nachschuldner fehlen grundsätzlich; der Zins muss vom Zinsnehmer nur zügig ausgegeben werden. Der verlangte Zins könnte u.E. beliebig hoch sein. Auch zeigt diese Simulation keinen Zwang zum Wachstum der Systemverschuldung oder der Wirtschaftsleistung infolge des Zinses (nach kurzem anfänglichen Anstieg). Würde die VoWi endgültig abgewickelt werden, so fehlte der Zins nur für die allerletzte Tilgungsrate des allerletzten Kreditnehmers und das wäre vergleichsweise ein Bagatellbetrag, der locker mit einem Teil des hinterlegten Kreditpfands beglichen werden könnte. Alternativ könnte der letzte Kreditnehmer den allerletzten, noch fehlenden Zinsbetrag mit realer Arbeitsleistung abgelten.
Die nur zwei Kunden der Bank bilden im Prinzip eine endlose Reihe von Nachschuldnern, indem sie sich als Kreditnehmer etwas zeitversetzt abwechseln. Das System funktioniert allerdings umso stabiler, je mehr Teilnehmer es hat.

Aber Vorsicht (!): Ich rede hier nicht vom ZinsesZins, und auch nicht von der "Rendite aus Rendite" in der Realwirtschaft. Das funktioniert definitiv nicht lange. Auch das Horten und Sparen von Liquidität (auch fürs Börsenzocken) bzw. von (verzinslichen) Geldguthaben aller Art wirkt sich in jeder VoWi verheerend aus, wenn die durchschnittliche Sparquote höher ist als das BIP-Wachstum bzw. das Wachstum der Geldmenge (M1). Aber das ist ein anderes Thema .. vielleicht fürs nächste Mal.

Ich wünsche allen hier ein gutes Neues Jahr.

Mit Gruß, Beo2


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