Salonpsychologen

Mercury, Samstag, 07.11.2015, 18:50 (vor 3379 Tagen) @ Olivia6118 Views

Liebe Olivia,

vor einigen Tagen hat Orodora dieses Buch verlinkt: Hillman: Hundert Jahre Psyychotherapie. Es ist in Hinblick auf deine Unterhaltung heute sehr lesenswert (beim Suchen darauf achten, "Hundert" ist ausgeschrieben, gibt es nur antiquarisch). Es ist sehr zu empfehlen (auch wenn es in einiger Hinsicht nicht an die analytische Präzision herankommt, die durch das Erkennen der debitistischen Systemstruktur möglich ist).

Schade, dass dein Gespräch so ausgegangen ist. Tatsächlich befinden wir uns in Zeiten, wo die meisten ihr eigener Taliban sind oder werden. Da scheiden sich dann auch die Salon- und Schönwetterpsychotherapeuten von den "echten", die "Alles-wird-gut"-Leute von denen, die ernsthaft den in ihr Leben geworfenen Unterstützung geben wollen.

Hatte heute mit einigen Psychotherapeuten ein ähnliches Gespräch (bei dem ich glücklicherweise die Flüchtlinge außen vor ließ und nur einige der Themen des Buches ansprach). Da redest du gegen eine Wand, sie verstehen es nicht. Sie wollen die Patienten um jeden Preis in einer Kinderwelt festhalten - und als Therapeuten ihre Überlegenheit verteidigen. Ökonomische oder sonstige Realität wird da völlig vernachlässigt, alles ist relativ und Ansichtssache. Der heftigste Satz war "Du liest zu viel".

Deshalb herzlichen Glückwunsch zu dir, deiner wunderbaren Tochter und tollen Schwester. Geniesse die Zeit mit ihnen! Seid vorsichtig und stützt euch, um nicht dem allgemeinen Irrsinn zu verfallen. Wenn es noch einmal einen Hauch einer Chance auf eine Zukunft geben sollte, dann bilden Menschen wie ihr das dafür nötige Rückgrat.

Herzliche Grüße

Mercury

Schwierig!
Heute nachmittag machte ich einen Hundespaziergang mit einer als
Psychoanalytikerin arbeitenden Freundin. Wir unterhielten uns über
verschiedene Dinge. UNTERHIELTEN uns, wir stritten nicht! Einige
Äußerungen, die ich zu den Themen machte, regten sie so auf (ich sagte,
dass ich eine Registrierung und Gesundheitsprüfung JEDES Flüchtlings für
zwingend nötig hielt), dass sie mir die Samstags-Spaziergänge
aufkündigte, weil wir NICHT der gleichen Meinung waren (sie findet es gut
so wie es war).
Mich stört es nicht prinzipiell, wenn jemand anderer Meinung ist, ich
versuche, mich damit auseinanderzusetzen.

Offensichtlich ist das aber nicht für jeden so. Ich bin glücklich, dass
meine Tochter die Kunst des Streitgesprächs und unterschiedliche Meinungen
akzeptiert. Eine meiner Schwestern tut das auch. Also kann ich mich wohl
als glücklichen Menschen bezeichnen.

Mit nachdenklichen Grüßen - Olivia

--
„Meine Arbeit ist ein Versuch, mit großer Traurigkeit die Tatsache der westlichen Kultur zu akzeptieren." Ivan Illich


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