Über Macht und Ohn-Macht 2

Leserzuschrift, Freitag, 09.10.2015, 19:20 (vor 3408 Tagen) @ Ashitaka3148 Views

Momentan hat sich die Gesellschaft als Machtsystem organisiert, weil Machtausübung erlaubt, den Willen Einzelner zu multiplizieren. Diese Selbst-Organisations-Form hat allerdings nur solange Bestand, wie sich die "Masse" davon einen Vorteil verspricht.

> 1. Warum verspricht sich die Masse vom Zentralmachtsystem einen Vorteil?

Weil ein moderates (Zentral-)Machtsystem den Wohlstand aller anhebt.
Der gütige, gebildete und fürsorgliche König ist ein Motiv, dass sich nicht nur durch deutsche Volksmärchen zieht.


> 2. Warum versprachen sich akephale, egalitäre Gesellschaften keinen Vorteil von der Zentralmachtordnung, ja, weshalb dachten sie nicht daran?

Warum ist im Mittelalter keiner auf die Idee gekommen, alle Häuser mit Strom zu versorgen?

Und das heißt in der Praxis, dass jedes Machtsystem zusammenfällt, sobald es den Ohn-Mächtigen dadurch schlechter geht als bei reiner Subsistenzwirtschaft.

> Der Zusammenfall betrifft die Befähigungsebenen der Zentralmachtordnung.

Was verstehst Du unter "Befähigungsebenen"?

> Ich lehne es ab, den Zusammenfall mit der Beseitigung der Ohnmacht sich auflösender Massen gleichzusetzen.

Ohn-Macht auf der einen Seite ohne Macht auf der anderen ergibt keinen Sinn. Das wäre wie Schatten ohne Licht.

> Ich bezweifle die Rückkehr zur Gemeinschaft, da sich kein Lebensraum anbietet, der äußere Machteinflüsse, die zur Zerschlagung der Gemeinschaft führen, verhindern würde.

Meine Aussage liese sich auch so formulieren: "Zuviele Jäger sind der Hasen Tod."
Sobald der Machtapparat mehr Ressourcen verschlingt, als die Ohn-Mächtigen über ihren Selbsterhalt (Subsistenz) hinaus erwirtschaften können, bricht das System zusammen. Sei es infolge einer Revolution, sei es durch Abwandern oder Aussterben der "Arbeitstiere".

Der Machtapparat entsteht historisch (erst), nachdem ein bestimmtes Produktivitätsniveau erreicht ist, welches die Versorgung nicht-arbeitender Bevölkerungsschichten erlaubt.
Und er verschwindet wieder, sobald das Produktivitätsniveau so hoch geworden ist, dass die herumfliegenden "gebratenen Tauben" für alle reichen.

Dank technologischem Fortschritt sind die Tage dieser macht-basierten Gesellschaftsform gezählt. Da, wo früher Sklaven den Willen ihres Herrn ausführten, werden zunehmend Maschinen arbeitet. Und das führt automatisch dazu, dass der Machtapparat, der einst Motor des Fortschrittes war und deswegen von der "Masse" akzeptiert wurde, die weitere Entwicklung der Gesellschaft zu hemmen beginnt. Er wird schneller auf dem Müllhaufen der Geschichte landen, als Du Dir womöglich vorstellen kannst.

> Das bestreite ich. Du vergißt, dass Milliarden Menschen in kürzester zeit vom Erdboden gefegt werden, wenn die Zentralmachtsysteme anfangen durch Kriege zu zucken.

Das wäre dann ihre letzten Zuckungen. Nach einem Dritten Weltkrieg hätten die Überlebenden garantiert andere Sorgen, als einen neuen Machtapparat mit durchzufüttern.


> Die Vernichtung des Menschen ist in den letzten Jahrzehnten optimiert worden. Pervers, aber ehrlich.

Und?
Die Kühe zu schlachten, von deren Milch man lebt, ist nicht sonderlich intelligent.


> Und das unheimliche ist, dass es dafür weitaus weniger Waffensysteme und offene Kriege bedarf, sondern nur das Vertrauen in die profitabelsten Industriezweige der Zentralmachtordnung (Wo bekomm ich Wasser her?).

Versteh' ich nicht.
Wasser fällt gelegentlich vom Himmel, und ein Teil sammelt sich auf der Erdoberfläche.
Also, wer die Frage "Wo bekomm' ich Wasser her?" nicht beantworten kann, verdurstet völlig zurecht.

"Macht" erodiert in dem Maße, wie sich die "Ohn-Mächtigen" nicht mehr ins Bockshorn jagen lassen.
Wie hieß das doch einmal: "Alle Räder stehen still, wenn Dein starker Arm es will."

> Präzisiere das mal. Was passiert mit einer Masse, wenn sie sich nicht mehr ins Bockshorn jagen lässt.

Sie arbeitet zum Beispiel "schwarz" - oder sie wechselt die Seite und lässt sich von der "Zentralmacht" aushalten. Beides schwächt die "Zentralmacht".


>>> Wer das Recht hat, der ist durch Zentralmachtordnung (Regelwerk) befähigt, ist darüber hinaus ohnmächtig.

"Recht" funktioniert nur, solange sich alle - eventuell bis auf ein paar Ausnahmen - daran halten.

> Das subjektive Recht ist eine Befähigung des Subjekts (Machtzession).

Nur unfähige Subjekte benötigen eine "Befähigung". Die anderen kümmern sich selbst.


> Ganz unabhängig von den derzeitigen Geschehnissen: Stell dir vor, es ist soweit und das Eigentum ist nicht mehr garantierbar.

Dann hätten wir Verhältnisse wie seinerzeit im "wilden" Westen. Die Besitzer organisierten sich selbst, um ihr Land zu verteidigen.


> In diesem kranken Chaosglauben werden die Menschen das Töten lieben lernen ...

Glaub' ich nicht.

> ... und des tötens wegen nach einer starken Hand (Führung) rufen.

Das ist eben das "Problem": die breite Masse will sich ja gar nicht selbst die Finger schmutzig machen. Deswegen hat sie ja ihr Gewaltpotential an "Institutionen" delegiert (Polizei, Streitkräfte).
Eine "starke Hand" kann allerdings alleine überhaupt nichts ausrichten. Sie braucht prinzipiell eine latente Gewaltbereitschaft, aufgestaute und unterdrückte Aggressionen in der Masse, die sie dann in die passende Richtung lenkt.


> Die Zentralmacht verabschiedet sich nicht, sondern sie zeigt ihr formloses Gesicht: Gewalt, Massentötung, Kleinkriege und ein Kampf unterschiedlichster Zentralinstanzen.

Nein, dieses "formloses Gesicht" gehört nicht der "Zentralmacht". Es ist immer die Fratze der "ermächtigten" Masse.
Hitler hat ja nicht eigenhändig Millionen Juden umgebracht, tausende Dörfer zerstört und verbrannte Erde hinterlassen - das waren durchweg willige Helfer, gewöhnliche zivilisierte Deutsche.


gesamter Thread:

RSS-Feed dieser Diskussion

Werbung

Wandere aus, solange es noch geht.