Nietzsche war der Superdeterminist schlechthin - der Verkünder der Notwendigkeit

Zarathustra, Sonntag, 15.05.2016, 15:06 (vor 3190 Tagen) @ Hinterbänkler3140 Views
bearbeitet von Zarathustra, Sonntag, 15.05.2016, 15:33

Saluti Hinterbänkler

Du hast Recht, mit der Zeit ist es so eine Sache. Roderich Tumulka:

Macht es einen Sinn zu sagen, auf Seite 50 gäbe es eine Wahrscheinlichkeit von 30 Prozent für ein Happyend? Wo doch feststeht, ob das Buch ein Happyend hat oder nicht, auch wenn es der Leser und die Romanfiguren auf Seite 50 noch nicht wissen? Wer meint, das Buch hätte auch anders ausgehen können, stellt die Frage, ob denn die Geschichte des Universums per Zufall gewählt sein kann, wo es doch nur eine einzige davon gibt. Wieder bleibt nur zu sagen: Unsere Weltgeschichte sieht eben wie eine typische Lösung der physikalischen Gleichungen aus.

Schopenhauer und Kant konstruierten sich - nachdem sie die Freiheit des Tuns negierten - eine Freiheit im Sein. Nietzsche verweist selbst dies ins Reich der Fabeln, die ich auch bereits mehrfach verlinkt habe[[zwinker]].

Die Fabel von der intelligiblen Freiheit

Und hier noch Nietzsche zur Fabel von der Verantwortlichkeit:

Schopenhauer macht jene treffliche Unterscheidung, mit der er viel mehr Recht behalten wird, als er sich selber eigentlich zugestehen durfte: »die Einsicht in die strenge Notwendigkeit der menschlichen Handlungen ist die Grenzlinie, welche die philosophischen Köpfe von den andern scheidet.«

(...)

Freilich muß noch manche Hintertür, welche sich die »philosophischen Köpfe«, gleich Schopenhauern selbst, gelassen haben, als nutzlos erkannt werden: keine führt ins Freie, in die Luft des freien Willens; jede, durch welche man bisher geschlüpft ist, zeigte dahinter wieder die ehern blinkende Mauer des Fatums: wir sind im Gefängnis, frei können wir uns nur träumen, nicht machen. Daß dieser Erkenntnis nicht lange mehr widerstrebt werden kann, das zeigen die verzweifelten und unglaublichen Stellungen und Verzerrungen derer an, welche gegen sie andringen, mit ihr noch den Ringkampf fortsetzen. – So ungefähr geht es bei ihnen jetzt zu: »also kein Mensch verantwortlich? Und alles voll Schuld und Schuldgefühl? Aber irgendwer muß doch der Sünder sein: ist es unmöglich und nicht mehr erlaubt, den einzelnen, die arme Welle im notwendigen Wellenspiele des Werdens anzuklagen und zu richten – nun denn: so sei das Wellenspiel selbst, das Werden, der Sünder: hier ist der freie Wille, hier darf angeklagt, verurteilt, gebüßt und gesühnt werden: so sei Gott der Sünder und der Mensch sein Erlöser: so sei die Weltgeschichte Schuld, Selbstverurteilung und Selbstmord; so werde der Missetäter zum eigenen Richter, der Richter zum eigenen Henker.« – Dieses auf den Kopf gestellte Christentum – was ist es denn sonst? – ist der letzte Fechter-Ausfall im Kampfe der Lehre von der unbedingten Moralität mit der von der unbedingten Unfreiheit – ein schauerliches Ding, wenn es mehr wäre als eine logische Grimasse, mehr als eine häßliche Gebärde des unterliegenden Gedankens – etwa der Todeskrampf des verzweifelnden und heilsüchtigen Herzens, dem der Wahnsinn zuflüstert: »Siehe, du bist das Lamm, das Gottes Sünde trägt.« – Der Irrtum steckt nicht nur im Gefühle »ich bin verantwortlich«, sondern ebenso in jenem Gegensatze »ich bin es nicht, aber irgendwer muß es doch sein«. – Dies ist eben nicht wahr: der Philosoph hat also zu sagen, wie Christus, »richtet nicht!«, und der letzte Unterschied zwischen den philosophischen Köpfen und den andern wäre der, daß die ersten gerecht sein wollen, die andern Richter sein wollen.

http://www.zeno.org/Philosophie/M/Nietzsche,+Friedrich/Menschliches,+Allzumenschliches/...

Genial! Nietzsche plädiert, genauso wie die Hirnforscher Gerhard Roth und Wolf Singer, auf nichtschuldig, in ausnahmslos allen Fällen. Und sie haben selbstverständlich Recht.

Beste Grüsse, Zara


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