Ambivalent - das Freibier-Prinzip

Mercury, Montag, 02.03.2015, 22:36 (vor 3941 Tagen) @ Beo24412 Views

In einem solchen Fall bekommt der Staatsbürger/Inländer ein

regelmäßiges Einkommen vom Staat geschenkt.

Was mich interessiert: Was mich interessiert: Wie erklärt der

Debitismus (was auch immer das ist) das Entstehen und Fortbestehen dieses
erstaunlichen Faktums in unserer Gesellschaft?

Vorweg: Bei einer komplexen Struktur wie einem Staat oder "dem Sozialsystem" gibt es nie nur eine Antwort. Meist sind viele verschiedene Interessen als Ursache im Spiel wie verschiedene Funktionen des Ergebnisses von den Gruppen für die Zustimmung maßgeblich sind.
Im Prinzip stelle ich es mir vor wie eine x-beliebige Warenproduktion. Das Ziel des Unternehmers ist Gewinn, doch der Anteil des Gewinns am Preis ist gering. Es müssen Produktion, der Einkauf von Vorprodukten sowie Rohstoffen ebenso finanziert werden. So haben viele Hersteller direkt und indirekt Einfluss auf den Preis.
Das Sozialsystem ist ein Teil des "Aufwandes", der für den Erhalt von Macht betrieben werden muss.

Eine andere Metapher dafür sind "Gratis-Leistungen" wie Freibier. Einige Konsequente haben freies Bier - dafür zahlen die Anderen indirekt durch den Kauf mit.

1. Aufstandsverhinderung. Die Armen zu versorgen ist billiger, als

Aufstände zu bekämpfen. Gelingt so lange, wie Geld da ist und
Aufstandsbekämpfung teurer als das Sozialsystem. Bismarck hat in diesem
Sinn die Sozialkassen eingerichtet.

Du meinst also, dass ohne Vorhandensein der Sozialsysteme eine solche
Armut in der Bevölkerung vorherrschen würde, dass es öfters zu
Aufständen käme?

Früher auf jeden Fall, seit den Massenmedien zunehmend weniger. Doch in der Zeit der Gründung der Sozialsysteme bestand diese Gefahr. Selbst in den USA war die Gefahr während der großen Depression erheblich - was dann zum New Deal führte. Denn Entgegekommen ist billiger als Niederschiessen. Man kann es ja wieder zurückfahren. (Eigentlich ist es eine Kosten-Nutzen-Rechnung: So lange das Geld da ist und es billiger ist, wird es "friedlich" geregelt. Wird es teurer als Schießen, wird eher geschossen).

2. Sozialsysteme sind Geldpumpen. Über die Sozialsysteme kann man

hervorragend Geld eintreiben, das dann im PONZI-Schema verwendet werden
kann.

Mit "hervorragend Geld eintreiben" meinst Du, dass die Mehrheit der
Bürger bereitwillig den Sozialstaat finanzieren, so dass man sie damit gut
zum Zahlen animieren kann? Dabei stecken sich die Politiker dann einen Teil
des Geldes in die eigene Tasche?

Direktes in-die-eigene-Tasche-Wirtschaften können Politiker derzeit nicht so gut (das läuft eher über Jobs und Beraterverträge). Bereitwilligkeit der Bürger ist auch nur, wenn überhaupt, nach dem Mehrheitsprinzip nötig. Doch ja - wenn ich Bürger in die Krankenversicherung zahlen lasse, können sie nur schwer dagegen argumentieren. Solidarität mit Rentnern, Armen, Kindern etc., jeder kann betroffen sein. Richtig ist das. Die mitfinanzierten Politikerposten (in den Kassen, den Kassenärztlichen Vereinigungen, den Verbänden und Zulassungsinstanzen, der Pillenindustrie und -lobby etc.) fallen da nicht so wirklich auf.

edit.: Hier kann man auch ansiedeln, dass die Sozialsysteme

Arbeitsplätze schafft, die das System stabilisieren und ausweiten helfen.
Da stecken riesige Anteile BIP drin, die den Geldkollaps hinauszögern.

Okay, also stabilisieren Sozialsysteme das System und das BIP .. sonst
würde es schneller abkacken, als es ohnehin tun wird?

Klar. Alles ist gut, was das BIP steigert. Habe mal ein Buch darüber gelesen: "Wie das Gesundheitswesen von seinen Mißständen profitiert" oder so ähnlich. Ich habe es zu googeln versucht, finde es aber leider nicht mehr.

Auch die häufig beklagten "öffentlich alimentierten Jobs" sind nicht nur nachteilig. Ich stelle es mir vor wie die einfach Geldschöpfung bei der Bank. Der Unternehmer "schafft" einen "Wert" und zahlt Steuern (Einzahlung gegen Forderungsbescheinigung). Der Staat (Bank) gibt es als Kredit wieder aus (subventioniert damit Jobs). Der neue Kreditnehmer (z.B. Sozialarbeiter) arbeitet mit dem aufgenommenen Geld (der Sozialarbeiter nimmt Hypotheken und Kredite auf). Geht am Ende vermutlich auch nicht auf, aber gewinnt Zeit.

3. Dient es der "Tarnung" des Staates als Institution, die Vorteile für

alle bringt.

edit.: Beispiel hierfüs sei die Arbeitslosenversicherung, die zwar

einerseits den Betroffenen hilft, jedoch andererseits die "Reservearmee"
der Wirtschaft - nicht zu deren Schaden - pflegt.

Sozialsysteme bringen also Vorteile sowohl den Betroffenen als auch der
"Wirtschaft"?

Selbstverständlich: Umschulungen etc. sind nicht nur direkt ein großes Geschäft. Sie stellen auch neue Arbeitskräfte her, schüchtern andere ein, entsorgen dritte, erhalten die Gesundheit der Schäfchen etc.. Quasi "outgesourced".
Das ist "sozialer Straßenbau" - der Staat stellt spezifische Infrastruktur bereit, die die Produktion erleichtern.
Auch hier gilt das Kosten-Nutzen-Prinzip: So lange es kostengünstiger ist, den Staat ausbilden zu lassen, werden Unternehmer Steuern zahlen. Wird selber ausbilden günstiger, wird die Steuermoral sehr nachlassen ...

4. Zunehmend auch: Die Sozialsysteme sind DIE Kontrollsysteme der

Zukunft. Dagegen sind Blockwarte Kaninchenzüchter. (Beispiel:
Gesundheitswesen und die exorbitanten Datensammlungen mit den Diskussionen,
wer "Behandlungswert" hat etc.).

Das verstehe ich nicht: Was soll da durch Sozialsysteme kontrolliert
werden, und wozu?

Starnberger Studien 2: Sozialpolitik als soziale Kontrolle. Einer der Autoren ist heute führender Schweizer Sozialdemokrat. "Abweichendes Verhalten" soll kontrolliert werden (und politische Unruhe ist solch abweichendes Verhalten), um soziale Konflikte zu verhindern.
Im Gesundheitswesen findet bspw. derzeit eine exorbitante Datensammelei statt. In die Tiefe der Person, privateste Details. Sie sind (teilweise) anonym, teilweise personenbezogen. Kombinierst du das mit Fragen - die in der Diskussion sind - nach Beitragsdifferenzierung wegen bestehenden Risikoverhaltens - Risikosport, Rauchen, Gewicht, Sport - so wird der "Krankenversicherungsbeitrag" zu einem hochpotenten Kontrollinstrument. Dabei sind Faktoren wie Genetik (z.B. bei Verbeamtung, Kostenübernahme für behinderte Kinder etc.) ebensowenig berücksichtigt wie der neue Trend der Informatik, z.B. mit "intelligenter Kleidung" oder Implantaten die Körperfunktionen zu kontrollieren. Erst gestern sah ich auf Spiegel-TV einen kurzen Bericht darüber, in dem ein Vertreter schwärmte, damit könne der Arbeitgeber frühzeitig erkennen, wenn ein Arbeitnehmer krank werde und ihn nach Hause schicken. Geht auch anders herum - wer hat wann angefangen, wieviel zu saufen und kommt nicht zur Arbeit? Das ist Handy in Potenz.

Dabei sind politische Steuerungen ebenfalls möglich, nicht nur über die Unterscheidung Privat oder Kasse (Einkommen), sondern auch über z.B. die neuen Technologien: Wer hat während einer Pegida-Demo erhöhte Herzfrequenzen? Da bietet nur die Phantasie eine Grenze.

Ähnliches gibt es in der Arbeitsverwaltung: Europaweit wird/wurde (kenne den aktuellen Stand nicht) jeder Beruf in einem 6-Stufen-Klassifikationssystem einsortiert. Das bietet für spätere Sekundärnutzung (Lebensmittelversorgung im Krisenfall etc.) offene Türen.

edit.: Die Systeme dienen auch enorm der Machterweiterung des Staates

bis in die Denkstrukturen des Einzelnen (Bspw. durch die "Regulation"
zwischenmenschlicher Konflikte durch Jugendämter, Gerichte, Finanzierung
von "Beratungsstellen" etc.), was direkt vorteilhaft ist und indirekt die
Menschen daran gewöhnt, gesinnungsethische Politik durchsetzen zu
können.

Du meinst also, dass es nicht sinnvoll ist, "zwischenmenschliche
Konflikte" durch Gesetze und Aufsichtsbehörden zu regulieren? Wozu
brauchen wir dann die Gerichte und die Polizei?

Das gehört zur Abteilung "Ambivalenz". Beispiel dafür mag die Geburtstagsparty sein - wenn der Nachbar lärmt, ist die Polizei gut. Wenn ich feiere, ist sie blöd. Wenn ich vor Übergriffen geschützt werde, ist es gut. Wenn im Zuge von Genderismus Frauen anschauen und ansprechen zu einer strafrechtlichen Gefahr wird, könnte es kritisch sein. Kann man ewig drüber streiten.

Und, was meinst Du damit: "gesinnungsethische Politik durchsetzen"?

Bei aller Kritik am Rechtssystem galt: Recht gilt für alle gleich. Im Zuge der "genderistischen Wende" seit den 70ern verändert sich das (wiederum nur ein Beispiel). Tenor ist jetzt: Die Behauptung der Frau gilt als grundsätzlich glaubwürdig. Egal wie man das jetzt sieht - der Grundsatz "Aussage gegen Aussage" ist so tendentiell außer Kraft. Das gibt es in vielerlei Weise, bspw. Pegide-Antipegida. Und immer stärker regiert der Staat in bislang als privat geltende Bereiche hinein.
Auch hier eine Literatur: Gunter Schmidt - Das Verschwinden der Sexualmoral. Die mir bekannten Beispiele sind ziemlich gruselig - z.B. von einem Mädchen, das wegen des Verdachts von väterlichem Mißbrauch aus der Familie genommen wird, weil eine Kindergärtnerin irgendwas zusammenphantasiert. Ein Gutachter, der falsch gutachtet. Und als er nach Jahren wegen erwiesener ! Unschuld freigesprochen wird, gibt das Jugendamt das Kind immer noch nicht frei ... Solche Ereignisse sind nur die Spitze eines Eisberges, der massiv zunimmt. Das geht allerdings viel, viel tiefer und breiter und ist kaum zu erklären, da man schon für die Grundlagen viele Seiten erklären muss.

War wohl etwas zu schnell, deshalb noch ein Nachtrag: Die Funktion
"Aufstandsverhinderung" ist auch der Grund dafür, dass niemand mit
geringem Einkommen zu Steuerzahlung gezwungen wird.

Ich stelle fest: Nach deiner Einschätzung bringen Sozialsysteme
überwiegend Vorteile für Alle und sollten deshalb nicht abgeschafft
werden .. sonst würde das System schneller kollabieren. Ist das richtig
zusammengefasst?

Wie gesagt: Ambivalent. Von der reinen Lehre her ist der Staat mafiös und raubt uns aus (was ich anerkenne). Doch die Sozialsysteme finanzieren eben auch Medizin, Renten etc., von denen fast alle Menschen profitieren (und sei es indirekt über die so ermöglichten technischen Innovationen). Und es schafft BIP, ist also nicht mehr wirklich zurück zu fahren. Das wäre so, als wenn du die Autoproduktion einstellst.

Mit Sicherheit ist das System am Ende, wenn die Sozialsysteme kollabieren - sie sind viel zu bedeutend geworden.

Mit Gruß, Beo2


gesamter Thread:

RSS-Feed dieser Diskussion

Werbung

Wandere aus, solange es noch geht.