Wirklichkeit vs. Realität

Ashitaka, Mittwoch, 20.01.2016, 20:22 (vor 3193 Tagen) @ nvf337200 Views

Hallo nvf33,

Du unterscheidest offenbar zwischen Realität und Wirklichkeit. Man
könnte sagen, dass ist Deine Entscheidung. Aber ist diese Deine oder
irgendeine Entscheidung nun real oder wirklich in Deiner Welt?

Ich meine, nichts ist wirklich in meiner oder deiner Welt. Ich kann mich deshalb gar nicht zwischen den Begriffen entscheiden. Die Welt erscheint, als sinnbasierte Simulation. Alles was über diese Vorstellung hinausgeht, ist Wirklichkeit.

Oder anders gefragt: Worin besteht Deiner Meinung nach der Unterschied
zwischen z.B. Körpersinn und Körper? Du betonst m.E. auch, dass ein
Modell "nur" ein Modell sei, und damit eben "weniger" als z.B. unser
Körper selbst.

Wenn ich dich richtig verstehe, geht es um die Frage: Was unterscheidet das körperliche Selbstmodell von dem Körper. Nun, es gibt keinen Körper, wenn dieser nicht modelliert wird. Das Meinigkeitsgefühl des Körpers, d.h. die Frage danach, was mein Körper ist, ist ausschlaggebend. Schau dir dazu einmal Metzingers Experimente mit der Gummihand an. Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass du aufgrund einer Beeinflussung deiner Wahrnehmung (Sinne) Schmerz spürst, wenn jemand in die Gummihand sticht. Streichelt sie jemand, so fühlst du das Streicheln in deiner Gummihand, die du auf dem Tisch liegen siehst. Die Gummihand ist Teil deines körperlichen Selbstmodells und damit Teil deines Körpers. Umgekehrt verhält es sich mit Menschen, die sich auf die Bahngleise legen damit das Bein abgetrennt wird, welches nicht zu ihrem Körper gehört.

Wenn dem nämlich so wäre,
wie Du es nahelegst, dann wäre es im absoluten Sinne legitim, zu

lügen

und die Menschheit in (irgend)eine manipulierte Bewußtseinsform zu
(ver-)führen.


Weshalb wäre es legitim?

Weil die Wirklichkeit Deinen Worten nach unerreichbar hinter den
Simulationen verborgen läge.

Sie ist nicht verborgen, weil niemals Bewusstseinsinhalt. Und nur Bewusstsein kann etwas verborgenes zu Tage bringen. Die Wirklichkeit bringt das Bewusstsein aber nicht zu Tage, denn sie wird nie inhaltlicher Teil. Wir werden die Wirklichkeit niemals erfahren können. Bewusstsein setzt Sinne voraus, durch die immer nur Teile der Wirklichkeit (z.B. eine bestimmte Perspektive) wahrgenommen wird.

Warum also sich damit aufhalten oder unsere
"Unfähigkeit" beklagen? Tat wäre Trumpf und Fühlen Schwäche, wenn es so
wäre, und klar und kalt wären diese Taten, mit dem Ziel unser Kopfkino
dem bedeutungslosen Spiegelkabinett des Erdendaseins aufzudrängen.

Die niemals gestalt annehmende Wirklichkeit (mach dir kein Bildnis!) ist der Schlüssel um deine Bedeutsamkeit zu erkennen, zu lieben. Fass es bitte nicht als Predigt auf. Texte, die uns die Bedeutsamkeit zuschreiben, werden seltener. Wenn dir wie Prof. Dr. Hans-Peter Dürr bewusst wird, dass du, der da zuhörend im Publikum sitzt, zugleich der Pianist auf der Bühne bist, dass du es bist, der die Realität erzwingt, dann spürst du keine Kälte mehr, sondern eine Wärme, die uns seit Jahrhunderten ausgetrieben wird.

Es gibt keinen Unterschied. Die Realität ist Simulation. Schau dir
deine Hand an. Du erblickst eine Simulation deiner Hand.


Also ich bin mir ziemlich sicher, dass ich zumindest die reale UND
wirklich Chance dabei habe, meine reale UND wirkliche Hand zu erblicken,
bzw. genauer: Das zu erblicken, was dem Sinn dieser meiner Hand entspricht > bzw. noch etwas spiritueller: wie sie gemeint ist. Dass ich mich darüber
irren kann, steht außer Frage. Aber dass es möglich ist, deren Sinn zu
erkennen, halte ich für höchst wesentlich.

Realität (das Wesen deiner Vorstellung) und Wirklichkeit (unabhängig von deiner Vorstellung, darüber hinausgehend).

Kannst du die vor dir liegende Hand aus deiner Hand heraus "realisieren"? Nein, du musst sie als ein perspektivisches Wesen "nach außen" realisieren, weil du es dir aufgrund deiner sinnbasierten Selbstmodellierung so vorstellen musst.

Oder anders: Was ist dine Hand ohne Perspektive, ohne das Wesensfundament, durch welches Körper erst realisierbar werden? Wie realisiert ein von Geburt an Blinder Mensch seine Hand, wenn er noch nie einen Abstand der Körper modelliert hat, er auf das Fühlen und das Spüren seiner Bewegungen angewiesen ist?

Das Problem ist, dass wir Modellierungen auf den Blinden übertragen, zu denen er gar nicht im Stande ist. Umgekehrt glauben wir, wir könnten wissen, wie Fledermäuse oder Blinde die Welt realisieren.

Die Bedeutungslosigkeit in der riesenhaften Finsternis ist einzig und
allein auf die gewaltsame Unterdrückung der Zentralinstanzen
zurückzuführen.


Na wir machen da schon auch etwas mit in unserer Bequemlichkeit.
Sobald wir unbequem werden, dann klappt das mit den Zentralinstanzen auch
nicht mehr.

Realität vs. Fiktion

Werden die Massen so unbequem, dass jedes Individuum von der Schaffung einer Instanz, aus der dann wieder Zentralinstanzen entstehnen, abgehalten wird? Milliarden Selbstmodelle dieser Welt sind darauf ausgerichtet, suchen sich einen neuen Charismatiker, dem sie Gefolgschaft leisten werden. Sie können gar nicht anders, weil ihre Selbstmodelle gar kein Potential entfalten könnte, welches die Nachteile einer Gefolgschaft bewusst macht. Und so stimmen sie nur für wen anders oder sehnen die Revolution herbei.

Innen und Außen sind m.E. gerade die wesentlichen organischen
Urteilskategorien, ähnlich wie "krumm" und "gerade". Es liegt an uns, was
wir aus ihnen machen. Daher halte ich es nicht für sinnvoll, diese
Polaritäten als unwesentlich zu bezeichnen.

Richtig: "Es liegt an uns, was wir aus ihnen machen."

Voller Zuversicht, dass unsere Welt wohl irgendwann Ihrer Illusioen
verlustig geht, aber niemals ihres Sinns:

Herzlichst,

Ashitaka

--
Der Ursprung aller Macht ist das Wort. Das gesprochene Wort als
Quell jeglicher Ordnung. Wer das Wort neu ordnet, der versteht wie
die Welt im Innersten funktioniert.


gesamter Thread:

RSS-Feed dieser Diskussion

Werbung

Wandere aus, solange es noch geht.