Turgot war tatsächlich ein Liberaler

Fabio ⌂, München, Sonntag, 15.02.2015, 09:59 (vor 3649 Tagen) @ Monterone5683 Views

Viel wichtiger scheint mir, zu erkennen, daß Libertarianismus,
Libertarismus, Liberalismus oder Neoliberalismus in schönen Worten ein
eiskaltes Programm zur Entrechtung und Verelendung der breiten Massen
propagieren, bei dem am Ende nur einer zahlenmäßig extrem schmalen
Schicht von Reichen und Starken die Vorteile dieser Art von *Freiheit*
zugutekommen.

Ich habe den Eindruck, dass Du über "Libertarianismus" (nie gehört) etc. nur aus der Feder von Menschen gelesen hast, die keine Problem damit hätten, sich selbst als nationale Sozialisten zu bezeichnen? Ist das korrekt?


Man kann das geradezu lehrbuchhaft anhand der liberalkapitalistischen und
von der City of London finanzierten französischen Revolution beobachten.

Was hat die City damit zu tun? Wer hat da wann was an wen bezahlt?


Schon vorher, in den Jahren von König Louis XVI., führte die von
Minister Turgot betriebene libertäre Politik mit ihrer Freigabe der
Getreidepreise und Abschaffung der Preisüberwachungspolizein (police des
grains) im ersten Schritt zu fieberhafter Getreidespekulation und später
zu Hungersnot und Hungerrevolten, (Sigaut).

Da scheint es auch eine andere Lesart zu geben:

"Turgot wollte zunächst den freien Getreidehandel durchsetzen, aber seine am 13. September 1774 unterschriebene Verfügung dazu stieß sogar beim conseil du roi auf energische Opposition. In der Präambel des Edikts fasst er seine Thesen populär zusammen, so dass „selbst ein Dorfrichter sie seinen Bauern erklären könne“. Die Ablehnung war heftig. Turgot wurde von denen gehasst, die unter dem Regime Terrays von Spekulationen mit Getreide profitiert hatten, darunter auch die Königsfamilie....Aber Turgots schlimmster Feind war die Missernte 1774, die im folgenden Winter und Frühjahr zu einem leichten Preisanstieg für Brot führte. Im April kamen in Dijon Unruhen auf, und Anfang Mai fand der so genannte „Mehlkrieg“ (frz. guerre des farines) statt. ."

http://de.wikipedia.org/wiki/Anne_Robert_Jacques_Turgot


Der liberale Freiheitsheld Turgot wollte das gegen den Hunger
revoltierende Volk auf der Stelle erschießen lassen und ihm verbieten,
ohne spezielle Erlaubnis das eigene Dorf zu verlassen.

Das war eine sicherlich nicht zu entschuldigende Überreaktion auf konkrete Angriffe und keine generelle Sichtweise von ihm.


Ein Dekret Turgots sah vor, jede Interessenvertretung der Arbeiterschaft
zu verbieten, sogar Versammlungen, egal unter welchem Vorwand.

Quelle?

Das meinen Libertäre und Liberale, wenn sie in öligen Phrasen von der
Freiheit reden.

Nachzulesen hier: *Turgot ou l’avènement du libéralisme : la fin de
l’Ancien Régime* (Turgot oder die Heraufkunft des Liberalismus: das Ende
des Ancien Régime).
http://www.egaliteetreconciliation.fr/XVI-Turgot-ou-l-avenement-du-liberalisme-la-fin-d...

Das ist da alles nicht nachzulesen (sorry, ich kann französisch).

Der deutsche Wikipedia-Artikel, der in weiten Teilen dem französischen entspricht, zeichnet ein völlig anderes Bild von Turgot als Du.

"1769 schrieb er sein Mémoire sur les prêts a intérêt anlässlich einer skandalösen Finanzkrise in Angoulême; bemerkenswert ist diese Schrift, weil darin die verzinste Verleihung von Geld erstmals wissenschaftlich und nicht nur von einem kirchlichen Standpunkt aus behandelt wurde. Weitere während seiner Intendanz verfasste Werke waren das Mémoire sur les mines et carrières und das Mémoire sur la marque des fers, in dem er gegen staatliche Regulierung und Einmischung protestierte und für freien Wettbewerb plädierte. Zur gleichen Zeit tat er viel, um die Landwirtschaft und die örtlichen Industrien zu fördern; dazu zählt auch die Einrichtung einer Porzellanmanufaktur. Während der Hungersnot der Jahre 1770 bis 1771 legte er den Landbesitzern die Verpflichtung auf, den Armen und insbesondere den abhängigen Pächtern zu helfen. Er ließ Werkstätten und Büros gründen, um Arbeit für die Gesunden und Hilfe für die Gebrechlichen bereitzustellen, während er gleichzeitig die wahllose Verteilung von Almosen verurteilte. 1770 schrieb er seine berühmten Lettres sur la liberté du commerce des grains (Briefe über den freien Handel mit Getreide), gerichtet an den Generalkontrolleur, den Abbé Terray. Drei der Briefe sind verschwunden, da Turgot sie später an Ludwig XVI. schickte und nicht zurückbekam; die übrigen zeigen auf, dass freier Getreidehandel gleichermaßen im Interesse der Landbesitzer, Bauern und Verbraucher sei, und verlangen in klaren Worten die Beseitigung jeglicher Restriktionen."

"Frankreichs Beteiligung am amerikanischen Revolutionskrieg lehnte er aus ökonomischen Gründen ab, konnte sich aber nicht durchsetzen."

"Seine Angriffe auf die Privilegien hatten ihm den Hass des Adels und der Parlamente eingetragen, seine versuchten Reformen des königlichen Haushalts den des Hofs, seine Pläne zum Freihandel den der Finanziers, seine Ansichten über die Toleranz den des Klerus, und sein Edikt über die Zünfte den der reichen Bourgeoisie von Paris. Die Königin hatte eine Abneigung gegen ihn, weil er sich gegen die Verschwendungssucht zugunsten ihrer Günstlinge wendete, und bei Madame de Polignac hatte er auf ähnliche Weise Anstoß erregt."

"Turgot setzte sich für die „natürlichen Rechte“ der Bürger ein, über die diese aufgrund des „Naturgesetzes“ verfügen."

http://de.wikipedia.org/wiki/Anne_Robert_Jacques_Turgot

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