Rückzahlbarkeit der Schulden
Hi Bill,
Die Griechen werden nicht aus dem Euro gehen. Aber Schulden "abschütteln"
werden sie müssen (so oder so). Griechenland ist insolvent. Hilft ja nix.
Und wie das so ist können Schulden nicht erlassen werden ohne dass
Gläubigern dadurch Verluste entstehen.
Denken wir doch mal in Real Terms, auf der Ebene der Leistungsbilanzen (also von Güterkaufs- und Verkaufssalden).
Griechenland hat Schulden bei Deutschland, weil Griechenland wertmäßig mehr Güter von Deutschland gekauft hat, als es an Deutschland verkauft hat.
Umgekehrt hat Deutschland Forderungen gegenüber Griechenland, weil es ihnen mehr verkauft hat, als es bei Griechenland eingekauft hat.
Schuldensaldi entstehen (auf Leistungsbilanzebene) durch Verkaufsüberschüsse (wer mehr kauft als er verkauft, verschuldet sich, wer mehr verkauft, als er kauft, baut Forderungen auf).
Wie können solche Leistungsbilanzungleichgewichte wieder abgebaut werden?
Du sagst, klar, durch Schuldenschnitt. Das aber würde heißen, D hätte seine Produkte GR geschenkt. Das wäre eine nachhaltige Lösung schon deshalb nicht, weil der Ausgleich von Geben und Nehmen nicht hergestellt würde, und das gibt böses Blut. Gute Beziehungen basieren auf Reziprozität, dem Ausgleich von Geben und Nehmen.
Ohne Schuldenschnitt können diese Ungleichgewichte nur dadurch abgebaut werden, daß Deutschland für eine gewisse Zeit gegenüber Griechenland Leistungsbilanzdefizite macht, und Griechenland gegenüber D Leistungsbilanzüberschüsse. D.h. Deutschland müßte, um seine Schulden zurückbezahlt zu bekommen, eine Zeitlang weniger an GR verkaufen, als es von dort kauft. Anders lassen sich die Schulden nicht zurückzahlen. Bleibt D Überschussland ggü. GR und GR Defizitland ggü. D, wachsen die Schulden nur immer weiter an.
Wer also sagt, GR solle Überschüsse machen und D EBENFALLS (und alle anderen ebenfalls, denn D mache ja alles richtig), der ist schlicht verrückt - bzw. unterliegt einem Trugschluss der Verallgemeinerung.
Denn natürlich können nicht alle Überschüsse gegenüber dem Rest der Welt machen, weil ein Überschuß eines Landes immer ein Defizit des Rests der Welt voraussetzt. Addiert man alle auf, kommt man natürlich auf Null.
Redet man nur über die Schulden und neue Kredite, blickt also nur auf die Finanzermögensebene, klebt man am Geldschleier und verschleiert diese einfache Tatsache auf der "realen", der Güterebene.
DESWEGEN ist das Ziel "außenwirtschaftliches Gleichgewicht" (oder permanentes "Surplus Recycling") ein sehr wichtiges gesamtwirtschaftliches Ziel und Teil des "magischen Vierecks" und des Stabilitätsgesetzes von 1967.
Daß D mit seinen Exportüberschüssen permanent dagegen verstößt, hat Herr Schäuble offenbar noch nicht nur nicht einmal gemerkt; er erklärt das sogar noch zur Tugend für alle.
Weil dauerhafte Leistungsbilanzungleichgewichte zu bösem Blut und letzlich zu Aggressionen und Abbruch der Handelsbeziehungen führen müssen, wie in den 30er Jahren, hatte Keynes in seiner Clearing Union konsequenterweise einen Mechanismus vorgesehen, der Defizitländer UND Überschussländer (!!) sanktioniert hat. Ohne daß das Gläubigerland also bereit ist, eine Zeitlang Defizite gegenüber dem Schuldnerland zu machen, verunmöglicht es (rein logisch) die Rückzahlung der Schulden.
Genau das tut Schäuble mit seinem Trugschluss, alle könnten Überschüsse machen, wenn sie nur wollten, lastet aber die "Schuld" dafür ausschließlich den Griechen an.
Nun wäre allerdings die Frage, wie es tatsächlich PRAKTISCH gehen sollte, daß GR eine Zeitlang - bis die Schulden eben "in real terms beglichen" sind - Überschüsse gegenüber D machen (also an D mehr verkaufen, als sie dort einkaufen).
Flaßbeck sagt: ja, die Süd-Länder müssen wettbewerbsfähiger werden, da das nicht über den Wechselkurs geht, geht es nur über die Löhne. Und zwar müssen die Defizitländer, um ihre Defizite gegenüber D abzutragen, eine Zeitlang WETTBEWERBSFÄHIGER als D sein. Das geht nur, wenn die Deutsche Wirtschaft ggü. den Schuldnerländern weniger wettbewerbsfähig wird, indem die Löhne erhöht werden, sonst ist die Eurozone nicht zu retten. Passiert das nicht, droht Deflation - und die ist immer schlecht fürs Schuldenbedienen, weil jeder an seinen nominell fixierten Forderungen in der Erwartung sinkender Preise und Einkommen festhält.
Es geht also nur über eine Anpassung des Niveaus der Wettbewerbsfähigkeiten der unterschiedlichen Länder über die Löhne - PLUS eine expansive Strategie.
Aber verändert sich nicht über Lohnanpassungen die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes gegenüber nicht nur denjenigen Ländern, mit denen Leistungsbilanzunglichgewichte ausgeglichen werden sollen, sondern gegenüber ALLEN Ländern?
Ist also Lohnpolitik eine sinnvolle und praktisch machbare Form des "surplus /deficit recycling"?
Hm ... muß ich alles nochmal durchdenken, scheint mir noch unausgegoren.
Sicher scheint jedenfalls:
Die Fragen, "sollen wir den Griechen weiter neue Kredite geben oder einen Schuldenschnitt machen", um die sich gegenwärtig alles dreht, sind eigentlich die falschen Fragen.
Man müßte vielmehr fragen:
Wie lassen sich dauerhaft ausgeglichene Leistungsbilanzen zwischen Volkswirtschaften unterschiedlicher Wettbewerbsfähigkeit herstellen? Einmal generell - also weltweit. Darauf zielte Keynes' bancor plan. Zum anderen in einer Währungsunion, wo man dies nicht mehr über die Wechselkurse machen kann.
Aber im System von Bretton Woods gab es doch auch fixe Wechselkursbandbreiten und unterschiedlich wettbewerbsfähige Länder (wie D und Italien z.B.). Wie hat man es da bewerkstelligt - es ging doch offenbar?
Vielleicht wäre das eine Richtung, in die mehr gefragt werden müßte. Ich blicke da selber noch nicht wirklich klar durch.