Heutige EU = Post-WK II- Produkt der US-Hegemonialmacht; muß sich davon lösen
Hi,
Was Du hier schreibst unterstütze ich voll und ganz.
Wir haben ja mal kontrovers über die Rolle über der EU diskutiert.
Du so: Starke EU, um USA-Kriegstreibern etwas entgegen zu setzen.
Ich so: Fuck the EU, das ist mit dem Souveränitätsprinzip nicht
vereinbar.
Varoufakis sagt in diesem absolut sehenswerten Vortrag (gegen Ende, in der Diskussion, ab ca. 1:24):
- the EU is predicated on a number of myths
- it wasn't created by the Europeans, it was created by the Americans
- It was never meant to be democratic.
Ich denke, im Prinzip hat er da recht. Dennoch glaube ich, daß es innerhalb der EU auch eigenständige Kräfte gibt, die sich aktivieren lassen und die man aktivieren muß. Helmut Schmidt nimmt schon 2006 bei seiner nüchternen Analyse der Rolle der USA von kein Blatt vor den Mund und fragt, "Wollen die USA Europa als Partner oder als Vasall?" (Buch: "Die Mächte der Zukunft"). Ich glaube, er war diplomatischer Taktiker gegenüber den USA, der sich - wenn auch nicht immer offen - für die Selbstbehauptung Europas eingesetzt hat.
Die Situation ist momentan sehr labil und im Flux, und es ergeben sich neue Möglichkeiten und neue Koalitionen. Das sieht man auch am Vermischen der ehemals getrennten ideologischen Positionen, und es werden sich da neue Koalitionen bilden, denke ich.
In diesem Prozess muß man sich m.E. mit klaren Zielen positionieren und einbringen, und entschieden im Sinne dieser Ziele handeln. Eine Selbstbehauptung und eigenständige Handlungsfähigkeit Westeuropas sowohl gegenüber RU als auch gegenüber den USA anzustreben, ist für mich dabei ein essentielles Ziel. Wie realistisch es auch immer sein mag, es wurzelt in re-aktivierbarer gemeinsamer Geschichte.
Nach den jüngsten Ereignissen:
Einem McGovern, der davon berichtet, wie US-Vertreter von
Staatsoberhäuptern in der EU nicht mehr eingeladen werden (einer Quelle,
der ich vertraue)...
Einem Zwist zwischen den kriegstreiberischen USA im Auftrag der IMK sowie
anderen Partikularinteressensvertretern und MERKEL sowie HOLLANDE, lässt
mich etwas hoffen: Vielleicht arbeitet man im Bundeskanzleramt doch nicht
dabei aktiv mit, die Zerstörungsagenda des Weißen Hauses umzusetzen. Oder
nichts dagegen zu setzen.
Aber skeptisch bin ich immer noch, ob wir den Vasallenstatus lösen
können.
Skepsis heißt Handlungsunfähigkeit und Untätigkeit. Du mußt entscheiden, was Du willst, und entsprechend handeln. Vasallenstatus akzeptieren - oder nach Eigenständigkeit streben.
Vor allem, weil Merkels US-hörige Russland-Politik mit dem Arsch
eingerissen hat, was Jahrzehnte aufgebaut wurde.
Auch gegenüber RU sollte man sich m.E. keine Illusionen machen - natürlich werden auch dort Machtinteressen verfolgt. Pragmatische Allianzen gegen die US-Imperialmacht ja, mit fliegenden Fahnen die EU verlassen und als Einzelstaaten in den Schoß von Putins Mütterchen Rußland flüchten, NEIN. Zu groß sind da die Unterschiede nach wie vor.
Interessanterweise hat Merkel das ja ganz ähnlich auch durchklingen lassen.
Die USA wanken als Weltmacht und laufen seit Bush jr. Amok. Es gibt Anzeichen auch vernünftigerer Stimmen, aber es ist nicht absehbar, ob diese sich durchsetzen können. Die USA haben sich enorm viele Sympathien verscherzt. Das seit 1971 bestehende Regime des "surplus recycling" ist 2008 ersatzlos verdampft und hat eine Wüste hinterlassen, mit einer hin- und herwabernden Dauerstagnation und speziell in Europa, katastrophaler sozialer Desintegration v.a. im Süden, von dem der Norden nicht unberührt bleiben kann.
Europa "has to get its act together and stand up for itself" oder es wird in der Bedeutungslosigkeit verschwinden.
Vorbild Schweiz gefällt mir im Grunde besser.
Aber ich will geistig beweglich sein. Womöglich hast Du da im einen oder
anderen Punkt recht.
Bleiben wir mal in der Diskussion - m.E. ist ein integriertes, demokratisches Europa keine Unmöglichkeit, wenn der Wille dazu von INNEN kommt - wenn es die Mehrheit seiner Bürger wirklich will, weil sie erkannt hat, wie nötig eigenständige westeuropäische politische Handlungsfähigkeit ist. Nicht nur wegen der Währungsunion, sondern v.a. auch aus geostrategischen Gründen.
Bisher wurde es ja nicht zuletzt auch von außen her weder gewollt noch wirklich zugelassen. Eine solche Bewegung kann aber nur von der Peripherie kommen, und da wäre der nächste Schritt: Portugal und Spanien solidarisieren sich mit den Griechen, und entwerfen eine gemeinsame Strategie along the Lines von Varoufakis' modest proposal im short run, und mittelfristig along the Lines eines New Deal a la Varoufakis und in umfassenderer Form Schulmeister (müßte breit diskutiert werden). DANN, in der längeren Frist, käme eventuell die Demokratisierung und Föderalisierung Europas als sinnvolle Möglichkeit und sinnvolles Ziel auf den Tisch, ebenso eine Neuordnung der Weltwährungsordnung (Teil von Schulmeisters New Deal), die ja auch von Seiten Chinas und Rußlands vorgeschlagen wurde, bisher immer von den USA blockiert wurde.
Hier gäbe es durchaus Schnittmengen einer reformierten Linken (die unter vielem leidet und deshalb den Anschluß zur Realität verloren hat) und der neuen Rechten, doch bei beiden Perspektiven muß sich dafür noch vieles ändern. Die Linke klebt an einer völlig unrealistischen Vorstellung dessen, was sich im Bereich Familie-Frauenemanzipation-Demographie-Migration etc. abspielt. Die völlige Inkompetenz, zu verstehen, was auf diesem Feld abläuft, ist einer der wichtigsten Gründe, warum sie so viele Leute an die Rechte verliert, die hier ebenfalls keine brauchbare Analyse hat, aber wenigstens die Tatsachen nicht leugnet (um sie dann populistisch auszuschlachten).
Dagegen hat die Linke generell eine internationalistische Ausrichtung, die hier auf der pan-europäischen Ebene aktiviert und utilisiert werden könnte. Hier klebt die Rechte mit ihrem Kleben an der alten Nationalstaats-/Volks-ideologie in der Vergangenheit fest und unterminiert ein eigenständiges, politisch handlungsfähiges Westeuropa von dieser Seite her.
Das bedeutet, daß auf diesen Felder analytische Klarheit geschaffen werden muß. Diese ist prinzipiell auch möglich, die Mittel dafür sind vorhanden, aber sie werden gegenwärtig noch aufgrund der alten ideologischen Standard-Scheuklappen (die aber in flux sind) abgewehrt bzw. im Moment nur von den herrschenden 1% für ihre Zwecke erkannt und utilisiert werden.
Die Herausforderungen sind also groß. Die Möglichkeitsräume aber, die sich - in dieser in flux befindlichen Situation - auftun, ebenfalls.
Packen wir's an - wenn nicht wir, wer denn? Wenn nicht jetzt, wann dann?!?