So glaubt der Ökonom, lösen sich Schulden in Nichts auf

Ashitaka, Samstag, 09.05.2015, 13:53 (vor 3287 Tagen)13376 Views
bearbeitet von unbekannt, Samstag, 09.05.2015, 14:52

Hallo Zusammen,

Daniel Stelter, bloggender Thinkaholic, hat am 8. April 2015 unter der Überschrift "So lösen sich Schulden in Nichts auf" einen amüsanten Beitrag für das Magazin Cicero geschrieben.

http://www.cicero.de/kapital/vollgeldsystem-holt-islands-monetaere-revolution-nach-deut...

Gleich im ersten Satz berichtet Stelter von der isländischen Idee, dass nur noch Notenbanken Geld schöpfen sollten. Tief durchatmen. Es geht also wieder einmal um das Dauerkurzsichtthema "Vollgeld".

Verehrte Debitisten, wir alle hier wissen dank der exzellenten Aufarbeitung zahlreicher Forenmitglieder, dass dies im derzeitigen zweistufigen Zentralbanksystem längst der Fall ist. Kreditinstitute schaffen bereits heute isoliert kein Geld, sondern können über Kreditverträge nur ein Guthaben auf Geld einräumen. Da steht es nun, das Guthaben, zu nichts fähig. Um das zu verstehen, müssen die Hintergründe und das zweistufige Zentralbanksystem bekannt sein:

Die Kreditinstitute, sie buchen Kreditforderung an Sichtguthaben des Kunden. Wenn es sich bei dieser Buchung bereits um Geld handeln würde, dann wäre die zweite Stufe des Zentralbanksystems (Zentralbankgeld) völlig nebensächlich, müssten Leitlinien nicht extra dahingehend verfasst werden. Viele Ökonomen verfallen immer noch dem Glauben, dass eine gewisse Mindesreserve nach Artikel 19.1 ESZB Satzung ausreichen würde, um aus dem Nichts per Kredit Geld zu schöpfen.

Doch Tatsache ist, dass weder das Kreditinstitut, noch der Kreditnehmer alleine etwas mit dem geschaffenen Sichtguthaben anfangen können. Der Kunde hat schließlich nur Geld gut, hat es aber noch nicht (Geschäftsbesorgung notwendig). Es passiert immer wieder, dass die Sichtguthaben auf Konten der Kreditinstitute mit Geld verwechselt werden. Um das Guthaben in Geld auszuzahlen, müssen die Kreditinstitute jedoch zwingend als Geschäftspartner der EZB an geldpolitischen Operationen teilnehmen, einfach gesagt: Sie müssen heute Kredittitel (Schuldtitel), die ausreichend besichert sind (Anforderungen lt. EZB klar geregelt), bei der Zentralbank hinterlegen (Verkauf und Rückkaufvereinbarungen treffen). Und selbst müssen sie dafür die Voraussetzungen erfüllen, die über die Leitlinien (EU) 2015/510 in Teil 1 Artikel 2 und Teil 3 vorgeschrieben sind. Nur für die Dauer, des geldpolitischen Geschäfts entsteht somit Geld, kann sich der Kreditnehmer das gut gehabte Geld auszahlen lassen. Das selbe gilt, wenn der Kreditnehmer statt der Auszahlung eine Überweisung des Guthabens an ein anderes Institut vornehmen will. Eine solche Transaktion bedarf immer Zentralbankgeld, egal wie komplex die innertägige Aufrechnung mit zutransferierten Guthaben (Clearin) die Kosten für Zentralbankgeld mindert, der Bedarf ist immer da; hat man das Gesamtsystem mit seinen einzelnen Instituten vor Augen, wird klar, dass immer ein Bedarf entsteht, unabhängig wie dieser beim einzelnen Institut aufgerechnet wird.

Stelter behauptet in dem Artikel, dass Banken heute beliebig viel Geld aus dem Nichts schaffen können. Das ist natürlich völliger Unsinn, wie man immer dann liest, wenn jemand als Techniker das System revolutionieren will. Sowohl die Kreditvergaben, als auch die geldpolitischen Geschäfte mit der Zentralbank sind an klar geregelte Besicherungen der Kredite gebunden. Es kann ausdrücklich kein Geld aus dem Nichts geschaffen werden, sondern zunächst nur ein Guthaben auf Geld. Wie ich bereits erklärte, kann aufgrund der Zweistufigkeit des Zentralbankgeldsystems keine Auszahlung bzw. Transaktion zwischen den Instituten erfolgen, solange das Kreditinstitut kein geldpolitisches Geschäft mit der Zentralbank tätigt.

Stelter versucht weiter zu erklären, dass sich die Kredit- und Geldschöpfung aufgrund der Aufhebung der Bindung des Geldes an Gold seit den 70ern immer weiter von der realwirtschaftlichen Entwicklung entfernt hat. Damit scheint er seine "heute gibts Geld aus und für Nichts Theorie" kräftigen zu wollen. Richtig aber wäre die Erklärung gewesen, dass die Zentralbanken bis heute weiterhin Sicherheiten (Schuldtitel) verlangen, damit Geld eben nicht aus dem Nichts entsteht. Wäre dem nicht so, wären die Schleusen für eine völlige Entwertung des Geldes geöffnet, gäbe es keine rückläufigen Kreditsummen der Kreditinstitute. Der Kern, an dem seine Darstellung vorbeigeht, ist der, dass die Zentralbanken heute nicht mehr nur Titeln annehmen, die Rechte an Sachen zusichern, sondern stattdessen ausreichend besicherte Schuldtitel (Kredittitel) als Sicherheit für geldpolitische Geschäfte akzeptieren.

Stelter fordert nun, dass in einem ersten Schritt sämtliche Ausleihungen der Banken zu 100 Prozent mit Einlagen gedeckt werden müssen. Wieder suggeriert er, dass alleine die Banken das Geld "ohne Deckung" ausleihen, dass der Kreditnehmer also keine ausreichenden Sicherheiten (Einlagen) bieten muss. Wie sonst soll seine Forderung, dass Banken ihre Ausleihungen mit Einlagen abdecken sollten verstanden werden. Das ist aber völlig an der Realität vorbei gedacht bzw. basiert auf völlig falschen Annahmen des zweistufigen Zentralbankgeldsystems. Die Ausleihungen der Banken (Kredite) alleine können kein Geld schöpfen. Damit Geld geschöpft wird, muss ein solcher Kredit auch heute schon ausreichend besichert sein, damit ihn eine Zentralbank im Rahmen geldpolitischer Geschäfte überhaupt als Sicherheit für geldliche Verrechnungen (die Geldschöpfung) akzeptiert. Stelter versteht nicht, wie Geld in unserem zweistufigen Zentralbankgeldsystem systematisch entsteht und ist unter seinen Autorenkollegen damit in bester Gesellschaft. Der EC-Automat machts!

Er fordert nun, dass das erforderliche Geld beim Staat geliehen werden muss. Ich frage, wozu, wenn doch die Kreditinstitute schon schon heute durch Kreditvertrag und Sicherheiten an geldpolitischen Geschäften teilnehmen können, so günstig wie nie an Geld von der Zentralbank dadurch kommen, dass sie Sicherheiten aus dem Katalog der EZB über die Pools anbieten können. Stelter glaubt, dass die Geldentstehung heute isoliert auf der Ebene der Kreditinstitute stattfinden kann, for nothing. Eine absurde Vorstellung, die ich bei zahlreichen Hobbyschreibern immer wieder beobachte. Dieses Forum erklärt zum Glück die Systematiken der zweistufigen Zentralbanksysteme und bietet Literatur an, um diese Systematiken vollumfänglich zu durchdenken.

Das fehlende Geld soll laut Stelter nun vom Staat geliehen werden, ohne dass er erklärt, woher der Staat eigentlich sein Geld erhält. Gibt es dort etwa ein Stargate? Nein, auch der Staat sammelt Gelder über Anleihenprogramme ein, die bereits vorher im System vorhanden sein mussten. Unabhängig davon, ob für die Dauer der Staatstitel anschließend (nach Zahlung an den Staat) Refinanzierungen der Forderungen (Staatstitel) erfolgen. Am Ende sind es immer die privaten Kreditnehmer, die schon heute einen Großteil ihres Geldes über Versicherer, Pensionskassen und Treuhandgesellschaften in Staaten investieren. Denn dort wird schließlich der Großteil aller Vermögen zur illusorischen Altersvorsorge angelegt.

Die von Stelter beabsichtigte Aufrechnung von notwendigen Darlehen des Staates an die Banken (damit diese über genügend Einlagen = Geld verfügen) und den Staatsschulden ist nicht zu gebrauchen. Stelter glaubt an eine Bilanzverkürzung, ohne zu erklären, woher der Staat sein Geld erhält. Er druckt es anscheinend einfach, statt sich, wie es nun einmal Realität ist, als ein Anlageprodukt für Versicherer, Pensionskassen und sonstige Institute und Treuhandgesellschaften weltweit anbieten zu müssen. Würde er dem nachgehen, müsste er nämlich erklären, was Voraussetzung dafür ist, dass die Privaten überhaupt Kredit beantragen können, damit Geld über die Zentralbanken entstehen kann. Der Staat gibt seiner Meinung nach einfach Kredit an die Banken und schon ist die Aufrechnung perfekt. So als gäbe es eine Quelle des Geldes auf Nichtzentralbankebene.

Es gähnt doch langsam!

Herzlichst,

Ashitaka

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