Sokal-Affäre - vom wüsten Umgang mit Fachbegriffen

azur, Samstag, 03.01.2015, 03:15 (vor 3404 Tagen)8795 Views
bearbeitet von unbekannt, Samstag, 03.01.2015, 03:23

Hallo allen,

zu meinem Erstaunen war im Forum noch nicht die Rede von der Sokal-Affäre.

"Die Sokal-Affäre (auch Sokal-Debatte oder Sokal-Kontroverse) war eine Auseinandersetzung über die intellektuellen Standards in den Sozial- und Geisteswissenschaften, die durch die Veröffentlichung eines Hoax-Artikels des Physikers Alan Sokal in der sozialwissenschaftlichen Fachzeitschrift „Social Text“ ausgelöst wurde. Sokals Artikel erschien 1996 in einer den Science Wars (Wissenschaftskriegen) gewidmeten Ausgabe, die die US-spezifische Auseinandersetzung zwischen Wissenschaftlichem Realismus und Postmoderne thematisieren sollten. Sokals Beitrag war in postmodernem Jargon formuliert und gab vor, die Quantengravitation als linguistisches und soziales Konstrukt zu deuten, wobei die Quantenphysik die postmodernistische Kritik stütze. Sokal hatte dabei absichtlich zahlreiche logische und inhaltliche Fehler eingestreut, was von den Redakteuren der Zeitschrift − sie hatten für die Schlussredaktion keine Physikexperten hinzugezogen − jedoch nicht erkannt wurde. Es folgte eine wissenschaftstheoretische und öffentliche Debatte über mangelnde intellektuelle Strenge bei der Bewertung pseudowissenschaftlicher Artikel in den Sozial- und Geisteswissenschaften und einen möglicherweise schädlichen Einfluss postmoderner Philosophie auf diese Wissenschaften. Weiterhin wurde diesen Disziplinen vorgeworfen, naturwissenschaftliche Konzepte in sinnloser oder missbräuchlicher Weise für ihre Lehren zu verwenden."

Weiter heißt es dazu:

"dass es sich bei dem Aufsatz um eine Parodie handle. Er habe die zusammengesuchten Zitate verschiedener postmoderner Denker mit dem typischen Jargon dieser Denkrichtung zu einem Text montiert, dessen unsinniger Inhalt bei Beachtung wissenschaftlicher Standards, so der Vorwurf an die Herausgeber von Social Text, als solcher hätte erkannt werden müssen. Dabei äußerte er bereits in diesem ersten Artikel Sympathie für linke kritische Wissenschaftsdiskussionen und bezeichnet sich selbst als links und als Internationalist.
Debatte

Dieser Vorfall löste im akademischen Milieu und der Presse (der Fall kam immerhin bis auf die Titelseite der New York Times) eine öffentliche Diskussion aus, wie dieser Vorfall im Besonderen und die Seriosität der postmodernen Philosophie im Allgemeinen zu bewerten sei. Sokal und Vertreter des kritisierten Personenkreises führten die Diskussion in weiteren Zeitschriftenartikeln fort und verteidigten ihre Standpunkte.

1997 veröffentlichte Sokal zusammen mit seinem belgischen Kollegen Jean Bricmont dazu ein Buch mit dem Titel Impostures Intellectuelles (übersetzt: Intellektuelle Hochstapeleien, deutscher Titel: Eleganter Unsinn — Wie die Denker der Postmoderne die Wissenschaften missbrauchen[2]). Dieses Buch enthält zum einen als Anhang den Auslöser der Affäre, den oben erwähnten Artikel „Die Grenzen überschreiten: ...“, so wie er in „Social Text“ veröffentlicht wurde, sowie Anmerkungen und ein Nachwort dazu.

Zunächst und vor allem aber wird am Beispiel ausgewählter Texte von Autoren, die nach Ansicht von Sokal zur „Postmoderne“ zu zählen sind (namentlich Jean Baudrillard, Gilles Deleuze und Félix Guattari, Luce Irigaray, Julia Kristeva, Jacques Lacan, Bruno Latour und Paul Virilio sowie – obwohl kein Postmoderner, als historisches Beispiel – Henri Bergson) mit ausführlichen Zitaten und Anmerkungen dargelegt, worin genau der „Missbrauch“ besteht, den Sokal und Bricmont kritisieren.

In ihrer Einführung führen Sokal und Bricmont dazu unter der Überschrift „Was wir zeigen wollen“ aus:

Das Wort „Missbrauch“ impliziert hier eine oder mehrere der folgenden Bedeutungen:

Die weitschweifige Darstellung naturwissenschaftlicher Theorien, von denen man günstigstenfalls eine äußerst vage Vorstellung hat. [...]

Die Übernahme von Begriffen aus den Naturwissenschaften in die Geistes- oder Sozialwissenschaften ohne die geringste inhaltliche oder empirische Rechtfertigung. [...]

Die Zurschaustellung von Halbbildung, indem man schamlos mit Fachbegriffen um sich wirft, die im konkreten Zusammenhang völlig irrelevant sind. [...]

Die Verwendung von im Grunde bedeutungslosen Schlagworten und Sätzen. [...]

Vielleicht glauben [die Autoren],sie könnten das Prestige der Naturwissenschaften nutzen, um ihren eigenen Diskursen den Anstrich von Exaktheit zu geben. Und sie scheinen darauf zu vertrauen, dass niemand ihre falsche Verwendung wissenschaftlicher Begriffe bemerkt, dass niemand mit einem Aufschrei verkünden wird, der König sei nackt.

(„Eleganter Unsinn“, S. 20 f), und etwas später (Seite 23) fahren sie fort:

Unser Ziel ist es also nicht, Geisteswissenschaftler zu verspotten, die beim Zitieren von Einstein oder Gödel Fehler gemacht haben, sondern den Kanon der Rationalität und der intellektuellen Redlichkeit zu verteidigen, der allen wissenschaftlichen Disziplinen zu eigen ist (oder jedenfalls sein sollte)."

http://de.wikipedia.org/wiki/Sokal-Aff%C3%A4re *

Unlängst hieß es hier mal wieder "Geld ist ein Schuldverhältnis".

Der Begriff Schuldverhältnis stammt klar aus dem Recht.

http://de.wikipedia.org/wiki/Schuldverh%C3%A4ltnis

http://de.wikipedia.org/wiki/Gesetzliches_Schuldverh%C3%A4ltnis

http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/schuldverhaeltnis.html

http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/recht-a-z/22853/schuldverhaeltnis

Ein Schuldverhältnis bedeutet, dass ein Rechtssubjekt (Person) einem anderen Rechtsubjekt (Person) eine Leistung schuldet. Das kann auch eine Geldschuld sein, die eine Unterart von geschuldeter Leistung ist.

Also: eine Person ist einer anderen Person zu einer genau festgelegten Leistung verpflichtet.

Bsp.: Ein Mietverhältnis ist ein Schuldverhältnis. Eine Person (Rechtssubjekt, Vermieter) schuldet einer anderen Person (Rechtssubjekt, Mieter) die Nutzung eines Mietobjektes (Rechtsobjekt); im Gegenzug wird Miete geschuldet (Rechtsobjekt).

(Nur zur Sicherheit: Der Mietvertrag ist lediglich die Beurkundung des Mietverhältnisses, und damit des Schuldverhältnisses.)

Geld ist ein Ding. Es ist keine Forderung gegen irgendwen (sofern kein Goldstandard: Dort möglich das Verlangen des Aushändigens von Gold). Geld ist auch kein Verhältnis zwischen irgendeinem Schuldner und irgendeinem Gläubiger, in dem irgendeine Leistung verlangt werden kann (nichts von den drei notwendigen Bestandteilen ist vorhanden, keine Rechtssubjekte und kein Rechtsobjekt!) - eben kein Schuldverhältnis.

Bedenkt man noch einmal das, was oben zur Sokal-Affäre zu lesen ist, in diesem Zusammenhang...

Allen ein schönes Wochenende!

Viele freundliche Grüße

azur

* im WWF wurde unlängst nicht umsonst mal wieder auf den http://de.wikipedia.org/wiki/Dunning-Kruger-Effekt verwiesen.

--
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