Anarchistische Einwürfe
Hallo Bill,
ich hoffe, Du bist gut ins neue Jahr gerutscht!
Da ich mich immer angesprochen fühle, wenn Du libertäre Ideen etwas ins Lächerliche ziehst, möchte ich ein paar Gedanken zur Debatte beisteuern!
Ohne Staat gibt es natuerlich keine Eigentumsrechte, aber auch mit
Staat
koennen diese abhanden kommen.
selbstverständlich!
Das Vorhandensein von Staatlichkeit (Herrschaftsprinzip) garantiert
überhaupt nicht das Vorhandensein von subjektiven Rechten. Z.B.
Eigentumsrechte.
Schön, wir sind uns noch alle einig!
Dazu gibt es unzaehlige Beispiele in der
Geschichte. Allein die Existenz eines Staates schafft keine
Rechtsicherheit, erst die Macht eines gerechten Staates ermoeglicht das.
Genau. Ein Rechtsstaat.
Aha. Also das höre ich von einem Etatisten in der Form zum ersten Mal, dass es also ("auf einmal") ein Recht-Staat sein müsse.
Wir sind uns vermutlich einig, dass das so vage ist, dass wir zwei z.B. uns darunter etwas völlig anderes vorstellen?
Armstrong versteht das anscheinend nicht. Mit ihm die ganzen
bewussten
und
weniger bewussten Libertären.
Nein, Armstrong beklagt lediglich die Ungerechtigkeit und
Marktfeindlichkeit des existierenden Staates.
You both lost me. Was versteht Armstrong nicht und ich möglicherweise auch nicht? Armstrong ist kein Anarchokapitalist. Er ist am ehesten ein libertärer Minimalstaatler.
Da würde ich jetzt eine Definition von "Marktfeindlichkeit" benötigen.
Wenn damit gemeint ist, dass das Prinzip der Haftung nicht mehr generell
(d.h. für alle) gilt, sondern nur noch für diejenigen, die "too small to
bail" (zu klein um gerettet zu werden) sind, dann stimme ich Dir völlig
zu.
Ich würde Marktfeindlichkeit wie folgt definieren und wage zu behaupten, dass sehr viele Libertäre zustimmen würden:
Marktfeindlich ist, wer meint sich in privatrechtliche Vertragsbeziehungen und deren gewachsene spontane Ordnungen steuernd einmischen zu müssen, weil er in die Überlegenheit der eigenen Sozialplanung glaubt, die über das Herrschaftsprinzip zentral durchgesetzt werden müsse.
@MarioDraghi @JanetYellen
WHERE IS MY SWAP LINE?
Libertäre wollen nicht AUCH eine SWAP LINE, sie wollen dass NIEMAND eine hat, that`s the difference
Aber jetzt mal ehrlich...
Wenn man schnallt, dass es für die Allerallerwenigsten sinnvoll ist
amazon & Co. zu erlauben in Luxemburg effektiv keine Steuern zu bezahlen,
dann ist doch nicht die Lösung zu fordern: ok, das kann so bleiben, wenn
wir anderen dann auch alle keine Steuern mehr bezahlen!!!Das ist doch - mit Verlaub - einfach deppert.
Count me in
Ich verstehe Körperschaftssteuern tatsächlich nicht. Es reicht doch völlig, wenn die ganzen Angestellten und Mitarbeiter alle ihre Einkommenssteuern und Konsumsteuern blechen - es muss doch eh alles gemeinsam erwirtschaftet werden, von Angestellten und Kapitaleigentümern und sämtlichen Mischformen gemeinsam, am Markt. Wie die Abgabe dann genannt wird, ist doch nur Teile-und-Herrsche- und Klassenkampfblabla. Von mir aus könnte es auch nur Körperschaftssteuern geben und dafür keine Individualsteuern, aber warum beides, leuchtet mir nicht ein.
Und: ich halte es zumindest nicht für undenkbar, das "Herrschaftsprinzip" soweit zu überwinden, dass das Konzept "Steuern" vom Markt der Ideen verdrängt wird.
Selbst wenn mir dämmern würde, dass es so radikal nicht umsetzbar ist, so würde ich diese Überzeugung weiterhin vertreten. Nennt es Trotz. Man weiss als Individuum schließlich nicht, welcher Manifestation des Herrschaftsprinzips man gerade unterworfen ist. Ein sogenannter "Rechtsstaat" ist da ja schon der 6er im Lotto mit Zusatzzahl und Spiel 77, keine Frage, aber die Leviathan-Normal-Niete, der einen das Schicksal unterwerfen kann, ist deutlich autoritärer. Wenn es Konsens ist, dass die jeweilige Verkörperung der Herrschaft ein nichteinmal wirklich notwendiges, sondern höchstens praktisches (z.B. bei Polizei und Armee, die weiterhin monopolistisch angeboten werden) Übel ist, sehe ich zumindest das Potential dafür, dass uns sehr viele großkollektivistische Katastrophen erspart bleiben.
Freilich muss man sich dann überlegen was genau das eigentlich für die
"Staatlichkeit" bedeutet, wenn man zur Überzeugung kommt, dass es
eigentlich aus der Sicht der Allerallermeisten sinnvoll wäre, wenn auch
amazon & Co. ähnliche Steuersätze zu bezahlen hätten, wie der
Einzelhändler um die Ecke, der Arbeiter, Angestellte, Beamte (eigenes
Thema) ...
Und? Was überlegst Du Dir da so? Was genau bedeutet das für die "Staatlichkeit"? Ich kapiere Deine Andeutung leider nicht...
Übrigens einschließlich Bitcoin-Tauscherei
und was weiß ich nicht was alles.
Ein Staat schafft zwar prinzipiell Eigentumsdefinitionen, nur leider
ist
es immer eine Frage wie gerecht es dabei zu geht.
In der mir bekannten Geschichte war es niemals "gerecht". Eine mögliche
Ausnahme könnten die griechischen Polis darstellen, wenn man gänzlich
davon absieht, dass dort freilich nicht alle auch nur in Betracht gekommen
wären für eine - wie auch immer genau geartete - materielle Gleichheit
(zu Beginn).
Libertarismus ist vielleicht die Resignation oder einfach die bescheidene Einsicht, dass eine Gerechtigkeit, die über reine allgemeine Einhaltung von Verfahrensregeln hinausgeht, also z.B. distributiv wirken will, nicht möglich und schon garnicht Aufgabe der Herrschaft sein kann.
A la Hayek: Als »gerecht« oder »ungerecht« kann man nur absichtsvolles Handeln von Individuen bezeichnen, aber niemals gesellschaftliche Zustände oder Resultate von sozio-ökonomischen Prozessen, die von niemanden direkt gewollt sind.
Ursache von
Ungrechtigkeiten ist die Konzentration von Macht in Personen und
Personengruppen,
Die Konzentration von ökonomischer Macht ist der modus operandi der
Vertragsfreiheit. Das ist die Dialektik der Freiheit (und der Gleichheit).
Das private Recht (dessen Basis die Idee der Gleichheit und Freiheit ist)
erzeugt immer genau diejenige Ungleichheit und Unfreiheit, die das
öffentliche Recht zulässt.
Das verstehe ich glaub ich nur ansatzweise. Schon das mit dem "Arbeitsmodus der Vertragsfreiheit" heisst was genau? Und überträgst Du nicht den Makel der prinzipiellen Unausweichlichkeit von "politischer" Macht auf "ökonomische" Macht und setzt damit unzulässigerweise beide moralisch gleich?
Zu was genau kann mich Apple zwingen?
Das private Recht ermöglicht "Ungleichheit", ja. It`s a feature, not a bug.
Ungleichheit ist grundsätzlich etwas sehr Schönes, finde ich. Materielle "Ungleichheit" freiwillig auszugleichen, liegt - und auch das ist schön - in unserer Natur, wie man an menschlichen Familien, Clans etc schön nachvollziehen kann. Man kann nunmal nicht per Gesetz solidarisch werden. Und das ist schön so.
daher kam es bei der Entwicklung von Staatssystemen zur
Gewaltenteilung bis zur heutigen Demokratie.
Ja, man hat in Form des "demokratischen Rechtsstaats" versucht den
politischen Maschinenraum unter "rechtsstaatliche" und "demokratische"
Kontrolle zu bekommen.
Sprich: das willkürliche an der Herrschaft schrittweise reduziert. Ich sehe da durchaus einen Trend " /> Wir werden mit der Zeit libertärer...
Leider sind Korruption,
Machtmissbrauch sowie Erhaltung des Status Quo alles auch Erscheinungen
im
demokratischen Rechtsstaat.
Besonders in der Demokratie, wenn sie "zu früh" in der Staatsentwicklung
kommt, meint jedenfalls Fukuyama, der das nicht-demokratische, dafür für
seine unbestechlichen Beamten bekannte Preußen mit dem von Beginn an
demokratischen und überaus klientelistischen US Bundesstaat vergleicht.
Was genau dieser nicht-korrupte, nicht-demokratische Staat dann macht ist
freilich eine Frage, der nicht ausgewichen werden kann...
Korruptionsfreiheit alleine nutzt also gar nichts!
Das Problem sind IMMER Menschen, die meinen sie hätten die Weisheit mit Löffeln gefressen und müssten ihre Sicht der Dinge auf alle übertragen, egal ob es Fürsten, Könige, Kaiser, Kanzler, Präsidenten oder zwischendurch "Revolutionäre" waren.
Für mich ist Ron Paul z.B. ein moderner Revolutionär, weil er versucht hat uns wieder (aus Sicht der USA, Grundüngsväter etc...) auf einen Weg zu bringen, auf dem wir daran arbeiten anderen eben so wenig wie möglich vorschreiben zu wollen und schon gleich garnicht mit Gewalt.
Von daher ist eine weitere Dezentralisierung
von Macht nur konsequent.
Wenn Du mit "Dezentralisierung" das Prinzip der Gewaltenteilung meinst,
stimme ich Dir voll zu. Genau dort, bei der (mangelnden) Gewaltenteilung
liegt der Hase im Pfeffer.
Ich hätte die Gewalt auch gerne sehr kleingeteilt.
Neue Technologien bieten dazu Ansaetze und
erlauben die Trennung von Macht und Personen.
Eigentum an Bitcoins kann der
heutige Rechtstaat nicht mehr kontrollieren,
Deswegen gibt es auch kein (von einem Nationalstaat unabhängiges)
Eigentum an Bitcoins.
Und weil das so ist nutzt auch niemand Bitcoin zum Bezahlen. (Zu anderen
Zwecken vielleicht schon.) Das Bezahlen ist das Auflösen einer
Kreditbeziehung.
Das Darknet sagt Dir doch 100% etwas, wieso schreibst Du dann "niemand...", wenn Bitcoin ganz neue Formen von Märkten überhaupt erst ermöglicht hat?
Mit Bitcoin könnte man "Realtauschwirtschaft" machen. Dafür ist es
gebaut. Aber außer in neoklassischen (und klassischen und marxistischen
und österreichischen und...) Vorstellungen existiert keine
Realtauschwirtschaft. Wie Stützel schon in den 50ern weiß: "Es herrschen
Kreditbeziehungen."
Fein. Von mir aus. Wenn Du es so nennen willst.
es uebernimmt ein
kryptographischer Algorithmus der von der "51%-Mehrheit" kontrolliert
wird.
Der Algo bringt meiner bescheidenen Meinung nach noch nichts hervor, das
ernsthaft mit "Eigentum" bezeichnet werden könnte.
Hat es diese platonische Idealvorstellung von Eigentum und einem "Rechtstaat" eigentlich je gegeben? Oder auch nur Näherungsweise? Ist die BRD ein Rechtstaat und das was wir hier haben Eigentum?
Damit wird der Staat aber nicht abgeschafft, er wird nur eine voellig
neue
Form annehmen.
Das ist durchaus möglich.
Vielleicht ko-existieren Staaten ja auch mit meta-nationalen Entitäten.
Kleiner Exkurs:
So eine Meta-Nationale Entität stellt sich offenbar Ex-Marine Ken O`Keefe vor:
Anarchast Ep. 261 Ken O'Keefe: Become a World Citizen and Starve the State!
https://www.youtube.com/watch?v=cGbC1ZxMCLM
Das Video ist übrigens deswegen schon sehenswert, weil O`Keefe eine Suada gegen Israel vom Stapel lässt, für die man hier vermutlich Ärger bekäme und Jeff Berwick, der Organisator von Anarchapulco 2016, lachend antwortet: "Wir werden die Sicherheit weiter erhöhen...Wir haben eine Menge Freunde in den Kartellen, keine Sorge".
Da ich plane auch nach Acapulco zu fliegen, bin ich sehr beruhigt, dass meine physischen Selbsteigentumsrechte auch von privaten Organisationen geschützt werden (auch wenn es leider Organisationen sind, die es nur wegen unsinniger herrschaftlicher Gesetze "zum Wohle aller" gibt, wie eben Drogenkartelle...).
Sobald ein - wie auch immer geartetes System - in der Lage ist eine
Insolvenz zu handlen, d.h. Rechte auch gegen a priori anonyme Dritte
durchzusetzen, dann hat dieses System etwas von Staatlichkeit. Dann wird es
spannend.
Ja. Sehe ich jetzt nicht als Raketentechnik an.
Bitcoin ist bisher - gemessen am eigenen Anspruch - bloß ein Spielzeug.
Und das liegt mEn daran, dass auch Bitcoin von Menschen entwickelt wurde,
die glauben Besitz sei Eigentum, Kaufen sei Bezahlen und Einnahme sei
Einzahlung. Bitcoin hat mit Staatlichkeit bisher noch nichts zu tun.
Mag sein. Vielleicht hast Du recht. Ich schaue dem jedenfalls gerne zu und experimentiere gerne damit. Immerhin bist Du ja nicht für ein Verbot oder eine Regulierung. Kann man ja zum Wohle aller auch auf die Idee kommen.
Ich danke Dir für Deine Denkanregungen!
Ich danke für Deine und hoffe ich konnte welche erwidern!
Liebe Grüße
Fabio
--
“We are on strike against the dogma that the pursuit of one’s happiness is evil. We are on strike against the doctrine that life is guilt." John Galt
---------------------
DASH - Digital CASH