Bitcoin, Kaufen vs. Bezahlen, Kompliziertheit vs. Komplexität

BillHicks ⌂, Wien, Donnerstag, 07.01.2016, 17:33 (vor 3318 Tagen) @ CalBaer4019 Views

Hallo CalBaer!

Deswegen gibt es auch kein (von einem Nationalstaat unabhängiges)
Eigentum an Bitcoins.


Ich bin Besitzer der Bitcoins und kein Staat kann das aendern,

Ja, d'accord.

deswegen
ist mir die Eigentumsdefinition erst mal voellig egal.

Ok.

Und weil das so ist nutzt auch niemand Bitcoin zum Bezahlen.
Das Bezahlen ist das Auflösen einer
Kreditbeziehung.
Mit Bitcoin könnte man "Realtauschwirtschaft" machen. Dafür ist es
gebaut. Aber außer in neoklassischen (und klassischen und

marxistischen

und österreichischen und...) Vorstellungen existiert keine
Realtauschwirtschaft. Wie Stützel schon in den 50ern weiß: "Es

herrschen

Kreditbeziehungen."


Kreditbeziehungen koennen in der Blockchain genauso eingegangen werden,

Wie denn genau?

was teilweise bereits auch passiert,

Ich spreche nicht von einer Kreditbeziehung, die einem Bankkredit gleicht.

Ich spreche davon was passiert, wenn Du als natürliche Person (Träger von Rechten und Pflichten) einen Kaufvertrag abschließt. Kommt dieser zustande existiert eine Kreditbeziehung aus dem Kauf (Kaufen, d.h. bei Dir entsteht eine Ausgabe, beim Verkäufer eine Einnahme).
Diese kann - je nach Vertragsdetails - sofort oder nach einiger Zeit (z.B. 90 Tage) zu tilgen sein (Bezahlen, d.h. bei Dir entsteht eine Auszahlung, beim Bezahlten eine Einzahlung).

nur eben nicht mehr ueber die
klassischen Institutionen und Unterwerfung unter einen Hoheitsrahmen.
Banken und andere Einrichtungen werden ueberfluessig und damit auch die
klassischen Kreditbeziehungen.

Mit "klassischen" Kreditbeziehungen meinst Du diejenigen, die Schuldner und Geschäftsbanken heute eingehen.
Was ist mit den Kreditbeziehungen, die ich oben erwähnt habe?

es uebernimmt ein
kryptographischer Algorithmus der von der "51%-Mehrheit" kontrolliert

wird.

Der Algo bringt meiner bescheidenen Meinung nach noch nichts hervor,

das

ernsthaft mit "Eigentum" bezeichnet werden könnte.


Der Konsens der 51%-Mehrheit, die diese Algorithmen ueberwachen, bestimmt
dann quasi, wer Eigentuemer wird.

Da geht es um Besitz. Wer ist der Besitzer? Der Algo entscheidet. Fertig.

Die 51%-Mehrheit wird zum Defakto-Staat,
gegen den der klassische Staat nicht viel ausrichten kann. Erst spaeter
wird sich daraus ein formales Staatssystem herausbilden.

Hm... eine interessante Perspektive. "Recht" als ergebnis der "reinen Logik" (diesmal festgeschrieben in ein Computerprogramm, einen Algorithmus)...
Klingt für mich ein bißchen nach einem Revival der Begriffsjurisprudenz. Sind wir mal gespannt.
Schon der Versuch dürfte ein kolossales Desaster werden. Hier liegt meiner unmaßgeblichen Ansicht nach eine Verwechslung von Kompliziertheit und Komplexität vor. Mal wieder.

Sobald ein - wie auch immer geartetes System - in der Lage ist eine
Insolvenz zu handlen, d.h. Rechte auch gegen a priori anonyme Dritte
durchzusetzen, dann hat dieses System etwas von Staatlichkeit. Dann wird

es

spannend.


Rechte gegen Dritte durchzusetzen wird immer weniger notwendig werden.

Das verstehe ich nicht.

Aber ich behaupte auch nicht, dass alles Staatswesen verschwinden wird, es
wird nur viel ueberfluessig werden bzw. einfach machtlos.

Ob das über eine bloße Behauptung hinauskommt wird die Zeit zeigen. Ich bin gespannt und drücke die Daumen.
(Und bereite mich gleichzeitg aber seelisch, geistig und moralisch auf ein Wiedererstarken der Staatlichkeit vor, auf eine Art und Weise, wie sie von Libertären vermutlich schon aus weltanschaulichen Gründen gar nicht gesehen werden kann [[top]], weil nicht sein kann was nicht sein darf. Das Prinzip der Staatlichkeit hat noch lange nicht fertig. Der Nationalstaat durchaus.)

Bitcoin ist bisher - gemessen am eigenen Anspruch - bloß ein

Spielzeug.

Und das liegt mEn daran, dass auch Bitcoin von Menschen entwickelt

wurde,

die glauben Besitz sei Eigentum, Kaufen sei Bezahlen und Einnahme sei
Einzahlung. Bitcoin hat mit Staatlichkeit bisher noch nichts zu tun.


Bitcoin ist nur eine der Anwendung dezentraler, kryptografisch
abgesicherter Kontrakt-Systeme. Diese dezentralen Systeme werden viele
staatliche Institutionen weitestgehend ueberfluessig machen. Es wird nie
die gewohnte Staatlichkeit eintreten, es wird eben alles anders geregelt,
viel im Konsens, natuerlich wird immer noch etwas Staat im klassischen
Sinne notwendig sein, aber es wird eben wesentlich reduziert und es treten
voellig neue Institutionen auf und althegebrachte werden - heute
unvorstellbar - nutzlos werden.

Die meisten Staaten auf diesem Planeten haben noch überhaupt keine ernsthaft funktionierenden Institutionen, die Du hier schon gleich wieder ausrangieren möchtest.

Beispielsweise werden Legislative
weitestgehend verschwinden (Exekutive sowieso)

Wenn dann alles (!) zu "smart-property" im Bitcoin Sinne geworden ist? Selbst wenn das möglich wäre - wie sieht es mit einer popeligen Insolvenz aus? Soll das alles schon per Algo a priori fixiert werden?
Das halte ich - mit Verlaub - für eine unfassbare Wissensanmaßung. Eine Verwechslung von Kompliziertheit und Komplexität habe ich es oben genannt.

und damit auch die Schwach-
und Fehlstellen des demokratischen Rechtsstaates.

Aber welche Schwach- und Fehlstellen werden dann in ein solches "rein logisches" a priori erstelltes Maschinensystem eingebaut? Mir schwant da ganz Übles...

Es wird eben alles viel
gerechter zugehen im Sinne von Eigentumsrechten.

Ah...
Jetzt kommen wir zum Punkt.

Bessere soziale
Gerechtigkeit wird sich daraus sekundaer ergeben.

Wie sieht es aus mit Nicht-Ergodizität? Matthäus-Effekt?

Frage: wie würden sich die Bitcoins auf alle Bitcoin-Halter der Welt verteilen, wenn der gesamte Welthandel innerhalb und zwischen den bisherigen Jurisdiktionen in Bitcoin abgewickelt würde?

[Wer es gelesen hat, das wäre Stützels Szenario der "Goldwährung" als einziges (!) Zahlungsmittel. Ein Szenario bei welchem Kaufen und Bezahlen, bzw. Einnahme und Einzahlung immer (!) zusammenfallen.

Stützel dazu in der "Volkswirtschaftlichen Saldenmechanik", S. 64: "Vor dem Hintergrund dieses gekünstelten Modells heben sich die tatsächlichen Verhältnisse besonders deutlich ab: Es herrschen Kreditbeziehungen. Als Zahlungsmittel werden hauptsächlich monetarisierte Forderungen verwendet. Die Veränderung der Zahlungsmittelbestände hängt von ganz anderen Beziehungen ab als die Veränderung der Geldvemögensbestände.", Hervorheb. d. Verf.]

Vielen Dank für's Lesen, schöne Grüße

--
BillHicks

..realized that all matter is merely energy condensed to a slow vibration – that we are all one consciousness experiencing itself subjectively. There's no such thing as death, life is only a dream, and we're the imagination of ourselves.


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