Rechtsstaat, Staatlichkeit, Bitcoin

BillHicks ⌂, Wien, Sonntag, 03.01.2016, 03:43 (vor 3322 Tagen) @ CalBaer4468 Views
bearbeitet von unbekannt, Sonntag, 03.01.2016, 03:46

Hallo CalBaer,

Ohne Staat gibt es natuerlich keine Eigentumsrechte, aber auch mit Staat
koennen diese abhanden kommen.

selbstverständlich!
Das Vorhandensein von Staatlichkeit (Herrschaftsprinzip) garantiert überhaupt nicht das Vorhandensein von subjektiven Rechten. Z.B. Eigentumsrechte.

Dazu gibt es unzaehlige Beispiele in der
Geschichte. Allein die Existenz eines Staates schafft keine
Rechtsicherheit, erst die Macht eines gerechten Staates ermoeglicht das.

Genau. Ein Rechtsstaat.

Armstrong versteht das anscheinend nicht. Mit ihm die ganzen bewussten

und

weniger bewussten Libertären.


Nein, Armstrong beklagt lediglich die Ungerechtigkeit und
Marktfeindlichkeit des existierenden Staates.

Da würde ich jetzt eine Definition von "Marktfeindlichkeit" benötigen.
Wenn damit gemeint ist, dass das Prinzip der Haftung nicht mehr generell (d.h. für alle) gilt, sondern nur noch für diejenigen, die "too small to bail" (zu klein um gerettet zu werden) sind, dann stimme ich Dir völlig zu.

@MarioDraghi @JanetYellen
WHERE IS MY SWAP LINE?

Es geht nicht darum den Staat
abzuschaffen, sondern Vermoegen vor dem Zugriff eines ungerechten, zu sehr
fuer Partikularinteressen agierenden Staates zu schuetzen:

Nevertheless, governments impose a progressive tax system ... The
global economy will be handed purely to multinational companies, be they
corporations or investment funds of some nature.

Aber jetzt mal ehrlich...
Wenn man schnallt, dass es für die Allerallerwenigsten sinnvoll ist amazon & Co. zu erlauben in Luxemburg effektiv keine Steuern zu bezahlen, dann ist doch nicht die Lösung zu fordern: ok, das kann so bleiben, wenn wir anderen dann auch alle keine Steuern mehr bezahlen!!!

Das ist doch - mit Verlaub - einfach deppert.

Freilich muss man sich dann überlegen was genau das eigentlich für die "Staatlichkeit" bedeutet, wenn man zur Überzeugung kommt, dass es eigentlich aus der Sicht der Allerallermeisten sinnvoll wäre, wenn auch amazon & Co. ähnliche Steuersätze zu bezahlen hätten, wie der Einzelhändler um die Ecke, der Arbeiter, Angestellte, Beamte (eigenes Thema) ...

Übrigens einschließlich Bitcoin-Tauscherei
und was weiß ich nicht was alles.


Ein Staat schafft zwar prinzipiell Eigentumsdefinitionen, nur leider ist
es immer eine Frage wie gerecht es dabei zu geht.

In der mir bekannten Geschichte war es niemals "gerecht". Eine mögliche Ausnahme könnten die griechischen Polis darstellen, wenn man gänzlich davon absieht, dass dort freilich nicht alle auch nur in Betracht gekommen wären für eine - wie auch immer genau geartete - materielle Gleichheit (zu Beginn).

Ursache von
Ungrechtigkeiten ist die Konzentration von Macht in Personen und
Personengruppen,

Die Konzentration von ökonomischer Macht ist der modus operandi der Vertragsfreiheit. Das ist die Dialektik der Freiheit (und der Gleichheit). Das private Recht (dessen Basis die Idee der Gleichheit und Freiheit ist) erzeugt immer genau diejenige Ungleichheit und Unfreiheit, die das öffentliche Recht zulässt.

daher kam es bei der Entwicklung von Staatssystemen zur
Gewaltenteilung bis zur heutigen Demokratie.

Ja, man hat in Form des "demokratischen Rechtsstaats" versucht den politischen Maschinenraum unter "rechtsstaatliche" und "demokratische" Kontrolle zu bekommen.

Leider sind Korruption,
Machtmissbrauch sowie Erhaltung des Status Quo alles auch Erscheinungen im
demokratischen Rechtsstaat.

Besonders in der Demokratie, wenn sie "zu früh" in der Staatsentwicklung kommt, meint jedenfalls Fukuyama, der das nicht-demokratische, dafür für seine unbestechlichen Beamten bekannte Preußen mit dem von Beginn an demokratischen und überaus klientelistischen US Bundesstaat vergleicht.
Was genau dieser nicht-korrupte, nicht-demokratische Staat dann macht ist freilich eine Frage, der nicht ausgewichen werden kann... Korruptionsfreiheit alleine nutzt also gar nichts!

Von daher ist eine weitere Dezentralisierung
von Macht nur konsequent.

Wenn Du mit "Dezentralisierung" das Prinzip der Gewaltenteilung meinst, stimme ich Dir voll zu. Genau dort, bei der (mangelnden) Gewaltenteilung liegt der Hase im Pfeffer.

Neue Technologien bieten dazu Ansaetze und
erlauben die Trennung von Macht und Personen.
Eigentum an Bitcoins kann der
heutige Rechtstaat nicht mehr kontrollieren,

Deswegen gibt es auch kein (von einem Nationalstaat unabhängiges) Eigentum an Bitcoins.
Und weil das so ist nutzt auch niemand Bitcoin zum Bezahlen. (Zu anderen Zwecken vielleicht schon.) Das Bezahlen ist das Auflösen einer Kreditbeziehung.

Mit Bitcoin könnte man "Realtauschwirtschaft" machen. Dafür ist es gebaut. Aber außer in neoklassischen (und klassischen und marxistischen und österreichischen und...) Vorstellungen existiert keine Realtauschwirtschaft. Wie Stützel schon in den 50ern weiß: "Es herrschen Kreditbeziehungen."

es uebernimmt ein
kryptographischer Algorithmus der von der "51%-Mehrheit" kontrolliert wird.

Der Algo bringt meiner bescheidenen Meinung nach noch nichts hervor, das ernsthaft mit "Eigentum" bezeichnet werden könnte.

Damit wird der Staat aber nicht abgeschafft, er wird nur eine voellig neue
Form annehmen.

Das ist durchaus möglich.

Sobald ein - wie auch immer geartetes System - in der Lage ist eine Insolvenz zu handlen, d.h. Rechte auch gegen a priori anonyme Dritte durchzusetzen, dann hat dieses System etwas von Staatlichkeit. Dann wird es spannend.

Bitcoin ist bisher - gemessen am eigenen Anspruch - bloß ein Spielzeug. Und das liegt mEn daran, dass auch Bitcoin von Menschen entwickelt wurde, die glauben Besitz sei Eigentum, Kaufen sei Bezahlen und Einnahme sei Einzahlung. Bitcoin hat mit Staatlichkeit bisher noch nichts zu tun.

Ich danke Dir für Deine Denkanregungen!

Schöne Grüße

--
BillHicks

..realized that all matter is merely energy condensed to a slow vibration – that we are all one consciousness experiencing itself subjectively. There's no such thing as death, life is only a dream, and we're the imagination of ourselves.


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