Der Tod auf Raten

Phoenix5, Samstag, 05.03.2016, 22:16 (vor 2979 Tagen) @ Morpheus10566 Views
bearbeitet von unbekannt, Samstag, 05.03.2016, 22:26

Hallo Morpheus!

muss zum Einstieg mal sagen, dass ich deine Beiträge sehr schätze.

Danke, das beruht auf Gegenseitigkeit!

Wie meinst du das mit teilsanieren? Ist mir völlig unverständlich, wie
das gehen soll.

auch gesamtwirtschaftlich eine
Entsparung eintritt, die den Schuldendruck aus dem System nimmt (Geld,

das

bestimmt auch zur Kredittilgung verwendet wird).


Aber das wirkt doch deflationär und soll (wie du selber unten schreibst)
doch um jeden Preis verhindert werden?!

All diese Widersprüche lösen sich in dem Augenblick auf, indem man aufhört zu glauben, dass die da oben irgendeinen Plan hätten oder über mehr Wissen verfügen würden, als wir hier, die mit dem Debitismus ja wahrlich gesegnet sind. Das Gegenteil ist der Fall. Ich würde meine Hand ins Feuer legen, dass 90% der Leute hier im Forum einen Staat besser führen könnten als 100% der Oberhäupter der Europäischen Union. Dass es im Imperium Think Tanks des Geldadels gibt, die durchaus auf Jahrzehnte, vielleicht sogar Jahrhunderte hinaus planen ist unbestritten und heißt außerdem ja nicht, dass diese geopolitischen oder sozialpolitischen Pläne aufgehen müssen, aber auf der offiziell "demokratischen" Ebene, v.a. auf Ebene der "Eliten" der Vasallen-Staaten hat man es mit inkompetenten, ja richtiggehend dummen, charakterlosen Leuten zu tun, die keinen Schimmer hätten, was sie tun sollen, wenn sie nicht a) ihre "Experten", Lobbys und Geldgeber hätten, die ihrer Existenz Inhalt einhauchen und b) ihre alltäglichen Probleme (wirtschaftlicher und sozialer Natur), die sie zur Reaktion zwingen.

Zurück also zum Problem. Deine Frage war: Was meine ich unter teilsanieren? Ich meine einfach, dass a) zukünftig weder Staat noch Bank für Bilanzprobleme der Bank bürgt, sondern der - wie der Name schon sagt - "Bürg-er" und b) der Staat neben weiter steigenden Steuern auch noch Guthaben besteuern wird (die berühmte Forderung des IWF 10% auf alle Guthaben einzuheben zur Lösung der Staatsschuldenkrise). Das war es, was ich damit meinte. Sanieren, im Sinne von schuldenfrei werden, kann er sich natürlich nicht, aber stabiler halten schon.

Warum tut er das, wenn er doch weiß, dass das deflationär wirkt?

Antwort: Weiß er das? Wenn er das wüsste, warum erhöht er dann überhaupt seit Jahrzehnten laufend alle nur erdenklichen Steuern? Warum gegenfinanziert er alle seine Ausgaben v.a. seit der Finanzkrise durch höhere Steuern, d.h. warum lässt er den Steuerzahler dafür blechen? Er könnte doch gleich Nettogeld drucken (was er natürlich nicht sofort tut, aus Angst vor der Reaktion der internationalen Investoren und Geldgeber) Warum glaubt er, dass durch den Konsumanreiz, den Negativzinsen bilden (Entsparen), die Wirtschaft angekurbelt wird? Meiner Meinung nach ist die Antwort darauf simpel: Er handelt wie er handelt, weil er erstens Anhänger der klassischen Wirtschaftsmodelle ist, welche Schulen, Unis, Think Tanks und den Staat durchsetzt haben wie die Pest und weil er zweitens nur von Wahl zu Wahl denkt. Das ist die furchtbare Antwort, die keiner hören will, am wenigsten die, welche dem Staat immer sinistre Pläne unterstellen, die sie sich im Nachhinein zurechtschustern. Meist steckt da aber nicht mehr dahinter als ein Konglomerat hunderter Interessen.

Die Abfolge ist einfach: Wirtschaftskrise -> Muss mit Staatsgeld verhindert werden -> "Unser Staatsschulden explodieren" -> Muss mit Steuern hereingebracht werden -> Der Konsum bricht ein -> Senken wir die Zinsen auf Null -> Wirtschaft schwächelt weiter -> Setzen wir Negativzinsen, um Konsum anzuheizen und gleichzeitig Bürger für Schäden am Finanzsystem direkt haftbar zu machen -> Wirtschaft kollabiert? -> Dann werfen wir die Druckerpresse an. Es ist ohnehin schon alles wurscht. Gut, dass jetzt niemand mehr sein Geld in Sicherheit bringen kann... So in etwa läuft das. Und über allem schwebt der Debitismus, der seine Zyklen abspult, egal welche Tricks die Politik anwendet.

Für den Staat ist es sehr schwierig eine wirksame Flutung mit Geld
durchzuführen, die größere Ausmaße hat. Denn nur, wenn der Geldeinsatz
in der Realwirtschaft nachhaltig ankommt, dann bringen die ganzen Tricks in
der Geldwirtschaft etwas. Ich hatte dazu bereits vor länger Zeit mal einen
(nicht ganz passenden) Beitrag geschrieben, der dieses Problem zwischen
Geld-Flutung
und Realwirtschaft etwas beleuchtet
.

Super Text, der mir anscheinend damals entgangen ist. Aber was schreibst du am Ende des Textes selbst:

"Jetzt kann man die Geschenke regelmäßig durchführen. Dann wird die Entwertung aller Sparguthaben offensichtlich. Alles wird abgehoben und dann haben wir das GO durch Bankrun."

Und was schreibt @tar beinahe schon prophetisch 2009 (!) in Bezug auf deine letzte Zeile:

"Exakt! Also was liegt auf der Hand? Die Regularien derart ändern, dass ein Bankenrun entweder unmöglich (nur noch elektronisches Geld), höchst unwahrscheinlich (Bargeldgebühr) oder ganz einfach unschädlich ( Vollgeld, sprich: zweistufiges Bankensystem abschaffen) wird."

Wenn du mir erklärst, wie die staatlich Netto-Geld-Flutung positive
Auswirkungen auf die Realwirtschaft entfalten kann, dann nur heraus damit.
Aber bitte konkreter werden. Die Flüchtlinge sind zugegebener Maßen eine
Möglichkeit. Sie schaffen wirklich neue Nachfrage.

Ich bin kein Experte für verschleppte Staatspleiten, die dann ja de facto eingetreten ist. Irgendwie haben es ja offensichtlich auch die Römer geschafft, ihre Münzen durch Herabsetzung des Edelmetallgehaltes zu vermehren und unters Volk zu bringen. Es muss eine Gratwanderung sein zwischen Steuererhöhung (zur Befriedigung der Halter von Staatstitel, d.h. Vortäuschen von Solvenz) und einer modernen Form der Münzverschlechterung wie beispielsweise bei Mefo-Wechsel unter den Nazis. Leider kann ich nicht konkreter werden, weil ich es schlicht und einfach nicht weiß. Kreativität ist gefragt. Ich weiß nur, dass diese Inflationierung dauerhaft sein wird und damit dein Kriterium erfüllt: "Jetzt kann man die Geschenke regelmäßig durchführen." Diese Geschenke dürfen natürlich für die internationale Gemeinschaft nicht zu offensichtlich sein und vor allem nicht offensichtlich direkt aus der (digitalen) Druckerpresse stammen.

Das Beispiel von Rom finde ich prinzipiell sehr gut.

Zwischen Rom und dem heutigen Kapitalismus gibt es aber einen gewaltigen
Unterschied, was die "Größe und die Geschwindigkeit der
Gesamtveranstaltung" betrifft. Der Konsum und der "Sozialstaat" (Brot und
Spiele) war auf einen sehr kleinen Teil (Rom) beschränkt und die
Netto-Abgaben (Tribute) zahlenden Bereiche wurden anfangs ausgeweitet und
waren lange Zeit sehr groß. Natürlich funktioniert solch eine Besatzung
nicht dauerhaft. Am Ende übersteigen die Kosten für die Unterdrückung
der Kolonien immer die Erträge, was wir heute nach dem Abenteuer
"Kolonien" natürlich alles wissen. Das kleine konsumierende Rom "stand auf
sehr breiten Füßen". Die Dauer der Besatzung im Verhältnis zu den
europäischen Kolonien macht die unterschiedliche Geschwindigkeit klar.

Unser heutige konsumierende Kapitalismus läuft viel schneller und
effizienter ab und hat genau deshalb keine Reserven mehr, die er hier und
da noch heben kann, wie die Römer es lange Zeit konnten. Deshalb wird der
finale Kollaps Roms, wo die Einwohnerzahl innerhalb weniger Jahre von über
einer Million auf unter zwölftausend fiel, bei uns auch viel schneller
kommen.

Stimme dir zu und hat CalBaer im selben Thread auch schon hervorgehoben. Ich müsste mir das Buch History of Interest Rates mal durchblättern. Vielleicht lassen sich Rückschlüsse ziehen von Babylonien, über die alten Griechen und Rom bis zu uns. Schon die verlinkte Grafik zeigt ja an, dass das Zinstief von Kultur zu Kultur immer kürzer wurde. Ginge es in diesem Tempo weiter, würde es bei uns vermutlich keine 30 Jahre halten. Es gibt ja verschiedenste Zukunftsmodelle, die jede für sich betrachtet entweder Peak Rohstoff oder Demographie oder den Debitismus betrachten (ich habe sie im Moment alle nicht bei der Hand) und alle weisen auf eine Katastrophe rund um das Jahr 2030 hin.

Beste Grüße
Phoenix5


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