Staatsgeld, Regulationsgeld, ZB Marketmaker für GBen, ...

BillHicks ⌂, Wien, Sonntag, 01.02.2015, 13:44 (vor 3965 Tagen) @ politicaleconomy3572 Views

Ich kann erstmal nur ganz kurz:

Hi PE,

lese gern mehr!

1) Durchaus nicht nur "Regulationsgeld", historisch natürlich auch
"Kriegsgeld" in immensem Umfang (hat 33ff. nirgends hyperinflationiert,
erst nach Zerstörung der zugrundeliegenden Sachwerte).

Ja, die zugrunde liegende Logik des "Staatsgeldes" ist als "Regulationsgeld" oder als Kriegsgeld die selbe. Wenn der Staat nicht das Eingehen von privaten Verbindlichkeiten untereinander im money of account schon vorschreiben soll (= Kommandowirtschaft / mißverstandenes "gesetzliches Zahlungsmittel"), dann kann er den Bedarf nach seinem "Staatsgeld" erst ex post erzeugen. Und dieser Bedarf nach Geld (money proper) ist es der Private dazu bringt ihre Verträge im zugehörigen money of account auszuzeichnen. Wenn das Geld unter Privaten entstanden ist, dann gibt es den Bedarf nach Geld ohnehin schon, durch die uno actu erzeugte Rückzahlungsverpflichtung.

Private, die sich im Rahmen ihrer privaten Verträge für ein money of account zu entscheiden haben, jedoch keinen unmittelbaren Bedarf nach einem bestimmten money proper haben, unterliegen ihren eigenen Risikoüberlegungen, die in der Tendenz ein im Vergleich zu unmittelbar relevanten Vermögenspreisen möglichst preisstabiles money of account bevorzugen werden.
Diese Preisstabilität ergibt sich bei - reinem - Privatgeld durch die (Über-)Besicherung der nominal fixierten "Rückzahlungsverpflichtungen". Das sieht man wunderschön bei privaten Banken, die immer dann in Verlegenheit kommen, wenn sie ihr Privatgeld nicht mehr "at par" mit dem money proper der höheren Hierarchieebene halten können, weil die Rückzahlungsverpflichtung zwar nominal fixiert war, die Besicherung aber nicht ausgereicht hat und sich Verluste ergeben haben. Soweit die Logik, die sich rein aus privaten Verträgen und privatem Profitstreben ergibt.

[Mittlerweile kann bei Geschäftsbanken jedoch nicht mehr von reinem Privatgeld gesprochen werden, weil auch sie nicht mehr nur einen Liquiditäts-Put haben (Bagehot: "lend freely at a high interest rate"), sondern zusätzlich auch einen - mehr oder weniger diffusen - Solvenz-Put durch den Staat ("too big to fail", "too big to bail", "too big to jail", ...). Es ist die Realisierung, dass einerseits zwar Interesse daran besteht exzessives Risiken Eingehen bei privaten Banken dadurch einzuschränken, dass es Bankregulierung gibt, andererseits aber die Banken als für das Gesamtsystem als unverzichtbar angesehen werden und die Banken zudem nicht wirksam davon abgehalten werden können exzessive Risiken einzugehen.]

2) Eigentümerstruktur ist für Staatsgeld keine Voraussetzung (warum
sollte sie das sein?).

Ohne Eigentümerstruktur gibt es schon gleich gar keine Märkte, weil es keinerlei private Akteure geben kann, die private Verträge so schließen können, dass Märkte überhaupt erst geschaffen werden. Märkte sind ja gerade nicht immer da und es wird gerade nicht immer auf diesen immer schon da gewesenen Märkten "getauscht" ...
Nun ist es freilich nicht so, dass es per se "Märkte" bräuchte um Steuern einzutreiben. Aber das was ich unter "Regulationsgeld" bislang verstanden habe, oder die "Regulation", die mit "Regulationsgeld" möglich ist, funktioniert meiner derzeitigen Überzeugung nach so nur in denjenigen Staaten, die ihren Privaten ermöglichen sich eigenständig auf Märkten zu betätigen. Was gäbe es sonst zu "regulieren"? [Mehrling spricht von größerer "Elastizität", die von oben aus der Hierarchie kommen kann. Super Bild, finde ich. Diese Elastizität muss aber jemandem nutzen können... auf Märkten! Btw: Die letzten Jahre wird von der ZB alles an Elastitzität gegeben was möglich ist, aber es kommt davon ganz unten in der Hierchie nicht genug Elastitzität an. Deshalb mein noch gänzlich in den Kinderschuhen steckender Vorschlag des Crowdfunding 2.0]
Dieses eigenständig auf Märkten tätig werden aber, setzt die Eigentümerstrukturen gerade voraus.

Steuerforderungen reichen.

Das sehe ich anders. Steuerforderungen alleine können mEn gerade keine Wirtschaftstätigkeit erklären und können deshalb auch nicht für ein Regulationsgeld ausreichen, weil es dann keine Regulation braucht. Dann ist es eh Kommandowirtschaft. Auch die MMT (incl. Machttheorie) verwischt das schon mal gerne und führt fast zwangsläufig zu Forderungen wie diejenigen, die die Monetative (deren aktiver Unterstützer ich einst selbst war) aufstellt.
Warum sollte der Staat sich überhaupt verschulden, wenn er doch gleich das Geld schöpfen könnte usw.

3) Perry Mehrling hat eine sehr schöne Erklärung dafür, warum "the
state's money tends to be the best money". Allerdings sieht er nicht, daß
Steuerrecht öffentliches Recht ist und damit Herrschaftsrecht - und eben
KEIN "Business" (Zivil/Vertragsrecht).

Er argumentiert über das Marketmaking (ZB der Marketmaker für die GBen, steht höher in der Hierarchie). Durchaus schlüssig (wenngleich die Argumentation über den Goldstandard zwar eingängig, aber auch hinfällig ist - da müsste nochmal genauer nachgedacht werden). Insbesondere dass es unterschiedliche und sich gleichzeitig bestärkende Gründe dafür gibt, dass das Geld des Staates einerseits dazu tendiert das beste Geld zu sein und die Schulden des Staates andererseits dazu tendieren die besten Schulden zu sein. Nochmal ganz deutlich: es sind unterschiedliche Gründe warum das (staatliche) Geld das beste Geld und die (staatlichen) Schulden die besten Schulden sind (die sich gegenseitig bestärken)!
Mehrling nennt es zwar "modern state in advanced industrialized countries" aber letztlich wissen wir hier im Forum (fast alle), dass damit eben genau die Eigentümer(infra)struktur gemeint ist.

Perry Mehrling:
"The
State as a Financial Intermediary".

Die Modern Monetary Theory, von der ja auch der dottore seine Machttheorie
des Geldes abgekupfert hat, sieht das sehr viel deutlicher, wenn auch nicht
systematisch und bezogen auf ÖffRecht/Privatrecht (auch ihr fehlt der
Anschluß zu den rechtlichen/institutionellen Grundlagen, die sie für
selbstverständlich nimmt und unthematisiert läßt, was sie für
entwicklungstheoretische Anwendungen untauglich macht).

Interessant übrigens, daß bei gegenwärtigen Diskussionen um
Staatsschulden diese nicht im Kontext der Bilanz des Staates und den
gesamtwirtschaftlichen Finanzierungssalden, sondern nur in Relation zum BSP
betrachtet wird.

Staatsschuldenquote bezogen auf das BIP ist ohne Weiteres höchst unaussagekräftig. Hatte ich mich hier schon mal etwas darüber mokiert.

Auch in den gesamtwirtschaftlichen Vermögensbilanzen der Bundesbank
fehlt in der Bilanz des Staates dessen wichtigster Aktivposten, den kein
Privater jemals haben kann: Steuerforderungen gegen ALLE Staatsbürger in
prinzipiell beliebig (herrschaftliche) festlegbarer Höhe. Natürlich
können Forderungen unbestimmter Höhe nicht wirklich bilanziert werden -
Bilanzen wurden ja von Privaten für Private entwickelt.

Bundesbank:
Sektorale
und gesamtwirtschaftliche Vermögensbilanzen 1999-2013

Natürlich hat der deutsche Staat auch OHNE die Bilanzierung seiner
Steuerforderungen noch immer ein positives Nettovermögen.

Dazu hätt' ich gern noch mehr Infos. Wenn man die Steuerforderungen nicht bilanziert, dann bilanziert man ja auch keine potenziellen Enteignungsmöglichkeiten, kein "Obereigentum" und ähnliches oder?

Wie Du sagst, ist ein verläßliches staatliches Gewaltmonopol und ein
darauf beruhendes öffentliches Recht und Privatrecht samt funktionierender
Judikative und Exekutive Voraussetzung für all das - in GR z.B. nach wie
vor kaum gegeben.

Ganz genau. Dort fängt es an. Alle Unzulänglichkeiten in diesem Bereich (ich nenne es in meiner DA Money Meta Infrastruktur (MMI), hier im Forum meist zivilrechtliche und fiskalische Infrastruktur) haben ähnliche Auswirkungen wie Löcher in Holzböden auf welchen man Sandhaufen aufschütten möchte.

Das vergessen die Ökonomen gern, bei Juristen steht es auf den ersten
Seiten jeder Einführung in die ReWi. Juristen dagegen glauben meist ans
"schwäbische-Hausfrau-Modell" - die geistigen Voraussetzungen für in
Realitätskenntnis wurzelnde Führung sind damit bei der heutigen
Generation längst nicht mehr gegeben. War anders in den Zeiten, in denen
es um den AUFBAU von Nationalstaat und Kapitalismus ging - heute ist all
das Essentielle vergessen, weil es für selbstverständlich genommen wird,
während es de facto längst unterminiert wird.

Richtig.

Der Staat hat damit in einer geschlossenen Volkswirtschaft jederzeit das
Potential, die Ökonomie zu hyperinflationieren - oder zu
hyperDEflationieren, ganz nach Wunsch. Oder eben zu stabilisieren.

Ja, mit dem Hinweis, dass es nur dann etwas zu stabilisieren gibt, wenn es überhaupt Eigentümerstrukturen gibt, die eine private Wirtschaft zu etablieren erst erlauben. Der Staat kann eben nicht irgendetwas stabilisieren, das die Privaten noch gar nicht aufbauen konnten.

Daher
richten sich die Anstrengungen der gesellschaftlichen Interessengruppen
darauf, das Handeln der Regierungen via Ideologien, die ihr
Partialinteresse als Allgemeininteresse darstellen, in die einen oder
andere Richtung zu lenken.

Das ist sehr schön ausgedrückt.

Daß dabei momentan die Koalition aus Finanz-
und Realkapitalisten die Oberhand hat, deren ideologisches Mittel
einzelwirtschaftliches Denken und die Neoklassik samt Ösi-Schule (und
hiesigem debitismus) sind, muß ich Dir ja nicht erzählen.

Stimmt.

Nun leben wir aber in einer Welt mit globalisierter Wirtschaft und einer
Vielzahl von Nationalstaaten, die zur effektiven Stabilisierung eigentlich
kooperieren müßten ... die großen Akteure (USA, China) haben es ja
begriffen,

Begriffen? Ich weiß nicht wieviel da an welchen Stellen tatsächlich begriffen wurde...

nur Europa zerstört sich tatkräftig und auf allen Ebenen
weiterhin ökonomisch und demographisch selbst (wovon die USA natürlich
profitieren, weswegen sie da gelassen zusehen können).

Dass Europa mit dem Märchen von der Schwäbischen Hausfrau und diesem unsäglich unintelligenten einzelwirtschaftlichen Denken besoders übel da steht stimmt schon. Höchste Zeit, dass sich daran was ändert. Dass Varoufakis es immerhin zum GR Finanzminister geschafft hat stimmt mich diesbezüglich positiv.

Beste Grüße

--
BillHicks

..realized that all matter is merely energy condensed to a slow vibration – that we are all one consciousness experiencing itself subjectively. There's no such thing as death, life is only a dream, and we're the imagination of ourselves.


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