Staatsgeld

politicaleconomy, Donnerstag, 22.01.2015, 12:33 (vor 3975 Tagen) @ BillHicks3826 Views

Ich kann erstmal nur ganz kurz:

Wenn Du startest mit der Annahme: ein Staat kann Geld schöpfen. Punkt.
Dann ist es freilich unlogisch, warum dieses "Geld" dann nicht auch
irgendwo bei Privaten ankommen könnte...

Ein Staat kann auf sich allein gestellt aber nur in dem Rahmen Geld II
(Regulationsgeld) schöpfen in welchem er glaubhaft Verbindlichkeiten bei
den Privaten erzeugen kann, die in diesem Geld II zu zahlen sind. Eine
solche Ausgabe von Geld II ist nur möglich, wenn diese innerhalb eines
Systems geschieht, welches die teilprivate Erzeugung von Geld I
(Eigentümergeld) bereits erlaubt. Kurz: es braucht eine entsprechende
zivilrechtliche und fiskalische Infrastruktur.

1) Durchaus nicht nur "Regulationsgeld", historisch natürlich auch "Kriegsgeld" in immensem Umfang (hat 33ff. nirgends hyperinflationiert, erst nach Zerstörung der zugrundeliegenden Sachwerte).

2) Eigentümerstruktur ist für Staatsgeld keine Voraussetzung (warum sollte sie das sein?). Steuerforderungen reichen.

3) Perry Mehrling hat eine sehr schöne Erklärung dafür, warum "the state's money tends to be the best money". Allerdings sieht er nicht, daß Steuerrecht öffentliches Recht ist und damit Herrschaftsrecht - und eben KEIN "Business" (Zivil/Vertragsrecht).

Perry Mehrling: "The State as a Financial Intermediary".

Die Modern Monetary Theory, von der ja auch der dottore seine Machttheorie des Geldes abgekupfert hat, sieht das sehr viel deutlicher, wenn auch nicht systematisch und bezogen auf ÖffRecht/Privatrecht (auch ihr fehlt der Anschluß zu den rechtlichen/institutionellen Grundlagen, die sie für selbstverständlich nimmt und unthematisiert läßt, was sie für entwicklungstheoretische Anwendungen untauglich macht).

Interessant übrigens, daß bei gegenwärtigen Diskussionen um Staatsschulden diese nicht im Kontext der Bilanz des Staates und den gesamtwirtschaftlichen Finanzierungssalden, sondern nur in Relation zum BSP betrachtet wird.

Auch in den gesamtwirtschaftlichen Vermögensbilanzen der Bundesbank fehlt in der Bilanz des Staates dessen wichtigster Aktivposten, den kein Privater jemals haben kann: Steuerforderungen gegen ALLE Staatsbürger in prinzipiell beliebig (herrschaftliche) festlegbarer Höhe. Natürlich können Forderungen unbestimmter Höhe nicht wirklich bilanziert werden - Bilanzen wurden ja von Privaten für Private entwickelt.

Bundesbank: Sektorale und gesamtwirtschaftliche Vermögensbilanzen 1999-2013

Natürlich hat der deutsche Staat auch OHNE die Bilanzierung seiner Steuerforderungen noch immer ein positives Nettovermögen.

Wie Du sagst, ist ein verläßliches staatliches Gewaltmonopol und ein darauf beruhendes öffentliches Recht und Privatrecht samt funktionierender Judikative und Exekutive Voraussetzung für all das - in GR z.B. nach wie vor kaum gegeben.

Das vergessen die Ökonomen gern, bei Juristen steht es auf den ersten Seiten jeder Einführung in die ReWi. Juristen dagegen glauben meist ans "schwäbische-Hausfrau-Modell" - die geistigen Voraussetzungen für in Realitätskenntnis wurzelnde Führung sind damit bei der heutigen Generation längst nicht mehr gegeben. War anders in den Zeiten, in denen es um den AUFBAU von Nationalstaat und Kapitalismus ging - heute ist all das Essentielle vergessen, weil es für selbstverständlich genommen wird, während es de facto längst unterminiert wird.

Der Staat hat damit in einer geschlossenen Volkswirtschaft jederzeit das Potential, die Ökonomie zu hyperinflationieren - oder zu hyperDEflationieren, ganz nach Wunsch. Oder eben zu stabilisieren. Daher richten sich die Anstrengungen der gesellschaftlichen Interessengruppen darauf, das Handeln der Regierungen via Ideologien, die ihr Partialinteresse als Allgemeininteresse darstellen, in die einen oder andere Richtung zu lenken. Daß dabei momentan die Koalition aus Finanz- und Realkapitalisten die Oberhand hat, deren ideologisches Mittel einzelwirtschaftliches Denken und die Neoklassik samt Ösi-Schule (und hiesigem debitismus) sind, muß ich Dir ja nicht erzählen.

Nun leben wir aber in einer Welt mit globalisierter Wirtschaft und einer Vielzahl von Nationalstaaten, die zur effektiven Stabilisierung eigentlich kooperieren müßten ... die großen Akteure (USA, China) haben es ja begriffen, nur Europa zerstört sich tatkräftig und auf allen Ebenen weiterhin ökonomisch und demographisch selbst (wovon die USA natürlich profitieren, weswegen sie da gelassen zusehen können).


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