Early to Bed, Early to Rise ...
Die ganze Diskussion wird leichter, wenn wir die Verschiedenheiten achten und diese respektieren. Es gibt nicht die eine Lösung, das eine richtige für jeden. Ich möchte deshalb dieses interessante Schlafthema in einen größeren Zusammenhang bringen:
1. Schlaflänge
Goethe und Einstein haben viel erarbeitet und viel geschlafen.
Kohl, Arafat und Napoleon haben viel erarbeitet und wenig geschlafen.
Ihr findet sicher eine Menge anderer berühmter Leute, die dem einen oder anderen Extrem zugerechnet werden.
Eltern behandeln dieses Thema für ihre Babys ausführlich. Es gibt große Unterschiede. Meine Kinder haben nach 8 Monaten auf Erden keinen Mittagsschlaf mehr gemacht. Das wäre für andere Eltern undenkbar und doch ist es wie es ist.
Wie Kinder haben wir Erwachsene ganz unterschiedliche Rhythmen, bei den einen geschieht das Aufwachen immer um die selbe Zeit, egal wann sie ins Bett kamen. Bei den anderen wechselt es je nach Bedarf.
Motivation lässt auch einen Langschläfer um 5h auf einen Berg wandern, um den Sonnenaufgang zu sehen, wenn er es will. Da kann alles am Menschen hellwach sein.
Es gibt Zeiten, z. B. mit weniger Licht, da ist alles träger, der Schlaf wird länger. Es gibt durchwachte Nächte, Leichtschläfer und Steine. Es gibt auch Veränderungen je nach Lebensalter und Jahreszeiten.
Es gibt Einflüsse wie Medien, Süchte wie Alkohol, Drogen. Es gibt Sorgen und Lässigkeit, es gibt auch den Schnee, eine gute oder nikotinvereuchte Luft, offen- und geschlossen Fensterschläfer, es gibt Lärm, punktuell wie Bahnen oder rauschend wie das Wasser eines Baches.
Derselbe Mensch in der Stadt und auf dem Land, in der Zivilisation und im Urlaub entwickelt verschiedene Reaktionen und Gewohnheiten, teils willentlich, teils geschieht es einfach. Und natürlich gibt es die Unterschiede in der Kultur. Einen Asiate ärgert es nicht, wenn man zwischendurch mal in der Besprechung etwas vor sich hindöst. Büroschreibtische werden in den Mittagspausen zu Schlafplätzen, hier eine Schande und dort kulturimmanent? Müssen wir uns über das eine oder andere erheben? Es gibt eben verschiedene Strategien zur Stillung des Schlafbedarfs!
Ein Zivilisationsproblem ist sicher, dass wir zu wenig schlafen, da mache ich mal keinen Unterschied zwischen den USA und Europa. http://healthland.time.com/2011/09/01/the-high-cost-of-bad-sleep-63-billion-per-year/
So, bis hierher ging es vor allem um die Länge, ob sie ausreicht, wie man sie bekommt und es dürfte klar sein, die Länge ist variabel, pro Mensch, pro Schlafart, pro Lebensalter, pro Jahreszeit, pro Situation.
2. Taktung des Schlafs und des Wachens
Nun kommt Chronos ins Spiel:
Eine Gesellschaft, die nach der Uhr lebt, in der alles mögliche getaktet ist, auch die Gleitzeit, trifft Entscheidungen über Konventionen: wann sind Läden offen, wann Behörden, wann Banken, wann Schulen, wann Bibliotheken, wann wird in der einen Industrie gearbeitet, wann in der anderen Serviceunternehmung, wann kommt der Tatort, wann fangen Kinofilme an?
Aber auch, in welchem Alter sollen Kinder zur Schule gehen, wann sollen sie arbeiten, wann heiraten, wann selbst Kinder bekommen? Ups, mit dem Kinder bekommen geraten biologische Faktoren in den Vordergrund. So wie die Gesellschaften des Westens tendenziell eher wenig schlafen, so bekommen sie eher spät Kinder. Außerdem, halten sich Unfälle, Unglücke, Naturkatastrophen oder das Landwetter an eine bestimmte Uhrzeit? Ein Bauer schaut auf das System, lernt wie es funktioniert und ordnet sein Handeln den Bedürfnissen des Systems unter. Kein Kampf gegen Windmühlen, sondern geschickte Adaption mit gelegentlicher Wette.
Chronos als Taktgeber ist in unseren Kulturen unerbittlich, durch Technik versuchen wir, Chronos ein Schnippchen zu schlagen. Wir haben Licht und Strom, können rund um die Uhr im Internet und zunehmend auch life einkaufen. Es gibt um die Welt verteilte Serviceketten (3x8h), 24h Kinderabladestationen, Late Comer Frauenärzte mit in Vitro-Boostern (Exkurs Beginn: Google & Co friert die Eier und das Sperma der "ehrgeizigen Selbstversklaver" auf Firmenkosten ein, damit alles selbstoptimiert werden kann, was das BIP steigern hilft, GB hat schon lange für Zahlkräftige Leihmütter erlaubt, Kinder austragen ist zum Servicegeschäft degeneriert, mit dem offiziellen Segen der Politik und mit Dank der Wirtschaft. Exkurs Ende).
3. Freiheit und Entscheidungen
Die Freiheit scheint auch unter den Wolken grenzenlos zu sein. Die weiteste Wahlfreiheit steht in einer bürokratischen, "reifen" Gesellschaft zuerst den Reichen und danach den aktiven Alten zu.
Babys sind einerseits potentiell frei und andererseits vollkommen abhängig. Sie sollen an einen bestimmten Erwachsenenrhythmus gewöhnt werden, Kinder an die Kinderkrippen und -gartenzeiten sowie eben die Schulen- und Universitätentakte.
Ein Babysitter ist unzufrieden, wenn das Kleinkind bis 24h durchmachen will. Es ist schlecht möglich, eine asynchrone Krisenbesprechung mit unterschiedlichsten Schlafgewohnheiten kompatibel zu gestalten, wenn die Krise sich nicht an eine Uhrzeit hält.
Seniorenheime sind dann wieder wie bei den Kindern streng nach externen Faktoren wie Arbeitszeiten der Dienstleister getaktet, nur wenige erlauben dem Pflegebedürftigen, bis 10h zu schlafen. Freiheit rückwärts.
Militär, Politik, Management und ganz normale Teamarbeit brauchen offensichtlich diese Konventionen bis zu einem gewissen Grad, mindestens aber irgendwelche Verlässlichkeiten, um zu funktionieren.
Andererseits:
Das Lernen wird durch Udacity und Co, also virtuelle Universitäten, gerade flexibler, mit Ausnahme von Deutschland, Schweden und Nordkorea gibt es meines Wissens überall die Möglichkeit des Home Schooling, dem Lernen im eigenen Takt. Das erfordert einen gewissen Mut von den Regierenden und Eltern, doch es kann funktionieren.
All das ist unsere Kultur, wir wollen das so, oder? Nun, es ist einfach einfacher zu verwalten, so wie es war und noch häufig ist. Und die Freiheit bedingt viel mehr Entscheidungen als im Dorf, wo Langschläfer ihre Lichter und Rollläden idealerweise mit elektronischen Helfern trimmen sollten, um sozial nicht geächtet zu werden.
Nun fragt sich, wie hoch der Grad der Anpassung sein soll, was "gut" ist, was "nützlich", was "gerecht".
Das ist eine höchst interessante und unsere Gesellschaft spiegelnde Frage, wann wir was tun sollen. Für mich ist es eine individuelle Präferenz mit einer sozialen freiwilligen Adaption.
https://www.dialog-ueber-deutschland.de/DE/20-Vorschlaege/30-Wie-Lernen/Einzelansicht/v...
Unten im Artikel gibt es einen Verweis auf offensichtlich statistisch nachweisbare, zeitbedingte Leistungsverschiebungen in der Pubertät.
Blum
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It's not what you don't know that gets you into trouble, it's what you know that just ain't so that gets you into trouble. (Satchel Paige)