The science of remembering ... and the science of dismembering ...
"The official transcripts from the trial in Bordeaux have been sealed until 2053."
Der Punkt ist mir auch aufgestoßen und ich verstehe es nicht, ich habe aber in dubio angenommen, dass es vielleicht um Persönlichkeitsrechte oder sowas geht.
NEIN, definitiv nicht, denn: dann werden (in Archiven z.B.) die Akten bis "x Jahre nach dem Tode" von Person Y gesperrt. (Vgl. die Auseinandersetzungen um die Mitgliedschaft unseres Bundespraeasidenten Karl Carstens in der NS-Studenten-Vereinigung, die der Archivar der Wuerzburger Universitaet zufaellig einem vertrauenswuerdig aussehenden US-Professor zugaenglich machte. Welch selbigen Archivar ich zufaellig mal bei einem Besaeufnis traf ... und mich selten so koestlich amuesiert habe.
Der Kanzler der Universitaet teilte ihn z.B. zum Bedienen der Gaeste bei der X-hundert-Jahr-Feier ein, zu der auch der Bischof geladen war. Worauf er mit grimmigem Gesicht herumlief und jedem Bocksbeutel nachgoss, der ein genuegend leeres Glas hatte. Worauf der Bischof sagte: "Guter Mann, was schauen's denn gar so grimmig?" Worauf der eingiessende Archivar entgegnete: "Wann Sie Bocksbeutel von Ihrna Steiergelder ausschenken miasten, daedn's au grimmig gugga ..." - Nun, von der Sorte gibt's aber nicht viele Archivare ... in ungekuendigter Stellung ...)
Ja, so Leute darf man natuerlich nicht zum Geheimbeauftragten machen. Dann schon eher Leute, die Akten auch dann vernichten, wenn es gegen die Archiv-Ordnung verstoesst ...
So, was war die Frage? Ach ja - zumindest all das, was in oeffentlicher Verhandlung ohnehin verlesen wurde oder ausgesagt, dafuer gibt es keinen Grund, das zu sperren und schon gar nicht fuer solch lange, noch dazu willkuerliche Fristen. Die sich berechnen wie die Pharmakologen die Wirkstoffe (immer 100 mg - nie 107,3 ...).
Was für Beispiele denn?
Falls Du meine Involviertheit meinst, muss ich passen. Das wuerde eine asymmetrische Situation schaffen ...
Also inwiefern "musste" da jemand bestimmte Ergebnisse liefern?
Nun, in der Wehrmachtsausstellung z.B. war ein Dokument mit "KZ"-Nennung enthalten. Offizielle Nazi-Dokumente verwendeten aber immer KL ...
Zur Klarstellung meiner Frage: in Deutschland "muss" man ja als Historiker (und Bürger) z.B. in punkto WW2 und Holocaust eine bestimmte Meinung haben
Gar keine Meinung geht auch. Als der Spiegel mit einem international bekannten rumaenischen Autor ein Spiegel-Gespraech fuehrte und ihn fragte, warum wohl in Rumaenien jede Schreibmaschine registriert sein muesse (wegen Samisdat-Ueberwachung ...), antwortete der: "Davon weiss ich nichts -ich schreibe Handschrift."
(wobei ich nicht weiss, wie die genau umrissen ist).
Das sagt man Dir dann schon ...
Müssen im Sinne von "man ist gezwungen, weil man sonst Gewalt erfährt".
Ja. Kommt auf's Thema an.
"Nur" den Job oder Freunde verlieren, kann man auch als Zwang definieren, aber das ist ja schon eine Spur opportunistischer.
Fuer manche schon existenzbedrohend genug. Drum am besten Klarnamenszwang.
Ich "muss" z.B. nicht unterlassen bei Facebook öffentlich zu posten, dass ich die Einkerkerung von Reynouard skandalös finde
Ja, "dumm, dass die Todesstrafe schon abgeschafft ist". Das kannst Du also ruhig schreiben
...
(habe ich auch nicht, sondern es jetzt doch getan), obwohl ich echt gegrübelt habe, was das möglicherweise für Konsequenzen haben könnte.
Na, wer nicht probiert, der nicht studiert.
Eine etwas andere aber doch verwandte Baustelle: Ich habe beim betrachten diverser Videos von Reynouard an diesen Podcast denken müssen, den ich zufällig gestern gehört habe:
youarenotsosmart.com/2015/02/11/yanss-043-the-science-of-misremembering-with-daniel-simons-and-julia-shaw/
Darin geht es um die offenbar dramatisch überschätzte Zuverlässigkeit unserer Erinnerungen. ... 71% ihrer studentischen Versuchsteilnehmer davon überzeugen konnte in ihrer früheren Jugend eine Straftat mit Polizei-Involvierung begangen zu haben. Das war mir in dem Ausmaß nicht bekannt und wirft für mich durchaus unbequeme Fragen bzgl. diversester Augenzeugenberichte auf.
So ist es. Augenzeugenberichte sind komplett fuer die Tonne. Auch die von Polizisten sind nur wenig besser, dafuer dann aber oft wiederum von einem gewissen Erfolgsdruck gefaerbt.
Man kann das allerdings aufdecken - erfundene Erinnerungen sind immer
a) widerspruechlich und vor allem
b) deutlich detailaermer als "echte".
Aber diese Erfahrung haben weder Staatsanwaelte noch Richter (in der Regel) und Vernehmungsbeamte haben meist zuviele Faelle = zuwenig Zeit.
Wer dann keinen Anwalt wie Strate oder Kempf hat, der solange fragt, bis der Zeuge diskreditiert ist, spart zwar Anwaltsgebuehren, erleidet dann aber Verdienstausfall durch Knast ...
(Das Zeugen-Diskreditieren kann man allerdings auch bezgl. echter Erinnerungen vorfuehren - denn der "gestandene" Richter und andere "Sachverstaendige" erkennen z.B. "messerscharf", wenn jemand rot wird, dass der/die luegt. Was meist genau umgekehrt der Fall ist ...)
Aber was soll's: wenn ich als Fernsehabstinenter im Hotel die Tagesschau gucke und dann von Kollegen hoere, sie haben sie auch geguckt und dann sage: "Da hat aber der und der das und das gesagt - was haltet ihr davon?" Und sie dann sich nicht mal dran erinnern koennen - dann kannst Du das alles in die Tonne treten.
Des Raetsels Loesung hiesse Mnemotechnik.
Aber das will keiner hoeren.
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Mit 40 DM pro Kopf begann die Marktwirtschaft, mit 400.000 Euro Schulden pro Kopf wird sie enden.
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