@Kieselflink – meine Antwort

nereus, Sonntag, 15.12.2019, 17:37 (vor 1587 Tagen) @ nereus2481 Views

Hallo kieselflink!

Für Deine Zeilen gibt es ein [[top]] !

Du schreibst: Nach biblischem Verständnis wird man nicht Sünder durch eine oder mehrere Verfehlungen gegenüber moralischen und/oder ethischen Regeln. Vielmehr wird man schon als Sünder geboren.

Richtig!
Das hat mit unserer materiellen Existenz zu tun, an der sich schon die Debitisten nach Leibeskräften abarbeiten.
Man kann den „Schaden“ nur so gering wie möglich halten, um es mal plastisch zu formulieren.

Der Zustand der Sünde beschreibt das Getrenntsein des einzelnen Menschen von seinem Schöpfer durch einem Sund. Es beschreibt auch die willentliche Abkehr des Geschöpfes von seinem Schöpfer.

Irgendwie so, obwohl das ein sehr weites Feld ist ..

Der Mensch setzt sich selbst als Gott ein.

Nicht unbedingt, denn wenn er nichts von dessen Existenz ahnt, dann bleibt er „unbewußt“ im Schatten.

Der Mensch als Gott bestimmt nun selbst, was gut und böse sei.
Gerne auch demokratisch, wie unser Tempranillo immer wieder zu berichten weiß.

Darauf läuft es am Ende hinaus. Ja.

Die sichtbaren Folgen beschreiben und diskutieren wir auch in diesem Forum seit fast 20 Jahren.

So ist es und in diesen 20 Jahren haben wir beide auch mehr oder weniger gesündigt.
Mal mit Absicht und oftmals auch unabsichtlich – wir sind eben nur Menschen.
Das sage ich jetzt nicht zu unserer Verteidigung, sondern um die These von der Sünde aufrecht zu erhalten.

Man merkt - insbesondere bei Führungspersonen - sehr schnell, ob der betreffende Mensch über sich geistig eine Stahlbetondecke eingezogen hat a la "Über mir kommt nichts mehr". Oder ob sich der Mensch bei all seinem Reden und Handeln bewusst macht, dass er möglicherweise einmal Rechenschaft ablegen muss über all das, was er geleistet oder auch unterlassen hat..

Ja und es erstaunt mich immer wieder, wie solche Führungspersonen manchmal gestrickt sind. Einerseits sind sie erstklassige Fachleute oder eben auch echte Führernaturen, aber andererseits mitunter geistig recht banal konstruiert.
Ob das eine das andere bedingt, weiß ich nicht, weil ich meine auch schon andere Beispiele erlebt zu haben.

Soweit ich es verstanden habe, geht es in allen ausnahmslos Religionen darum, wie diese Trennung überwunden werden kann: Durch lebenslanges ethisch einwandfreies Handeln und Aufsteigen durch Reinkarnation, durch Selbstkasteiung, durch Ablass u.s.w.

So ähnlich sehe ich das auch.

Die so genannte "Gute Nachricht" von der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus steht dem diametral entgegen.

Nach anfänglichem Stutzen und notwendigem Weiterlesen habe ich es jetzt gerafft - ja.

Da der Mensch den Sund nicht bezwingen kann, kommt die Initiative von der anderen Seite.

Ja.

Der gekreuzigte Jesus wurde in der frühen Kirche auch Pontifex genannt, auf deutsch: Brückenbauer. Nach neutestamentlicher Lehre schlägt Jesus durch seine eigenen Existenz und stellvertretendes Opfer die Brücke über den Sund und macht damit den Weg frei zum Urquell des Seins - zum Vater in den Himmeln. Wer diese zuverlässige Brücke betritt, der findet nicht nur zu Gott, sondern immer auch zu seinen Brüdern und Schwestern.

Wobei der Begriff „Vater“ wieder für Verwirrung sorgt, aber das tun ja auch die Bilder der alten Meister, wo ER im weißen Gewand und mit Rauschebart dargestellt wird.
Aber in Deinem Wortsinn paßt das alles schon.

Der erste Schritt dahin ist die Buße (Umkehr; Eingeständnis der eigenen Rettungsbedürftigkeit), es folgt die bedingungslose (kosten-/ablassfreie) Vergebung und die Neugeburt im Geist.

Nicht nur das.
Wenn man DAS verinnerlicht hat, erscheint einem auch die Welt in einer anderen Gestalt(ung).
Plötzlich ist die dahin flitzende winzige Ameise ein kleines Wunderwerk oder der vor Jahren selbstgepflanzte Baum.
Dann glaubt man auch nicht mehr an den Zufall.

Danach ist der neue Mensch quasi in Christus eingehüllt. Trotz der immer noch anhaftenden irdischen Verfehlungen ist der neue Mensch aus der Sicht Gottes rein.

Meine Güte, @kieselflink.
Wo predigst Du denn am 24.12.? Sind da noch Plätze frei? [[zwinker]]

Die Katholische Religion des Ablasses hingegen finde ich besonders perfide, da sie dem Deliquenten doch die (scheinbare) Möglichkeit eröffnete (und wohl noch immer eröffnet), sich von Verfehlungen (meist gegen Geld) freizukaufen - sogar von zukünftigen. Wozu also sein Leben ändern?!

Das kann man so und so sehen.
Etwas abgeben, kostet immer Überwindung.
Und wenn das Abgegebene echten Hilfsbedürftigen zu Gute kommt, kann man wenig dagegen einwenden.
Wenn die Abgaben aber hauptsächlich den Zweck haben den Fordernden ein schönes Leben zu ermöglichen dann bin ich voll bei Dir.

Was ist nun der Unterschied zum wiedergeborenen Gläubigen? Letzterer bleibt aus irdischer Sicht "Sünder", wird also immer noch "sündigen" im Sinne von "es nicht zu schaffen, immer Gott zu lieben von ganzem Herzen und seinen Nächsten wie sich selbst".

So kann man das ausdrücken.

Er wird aber unter diesem Zustand leiden und sich - der täglichen Vergebung bedürftig - immer wieder zum gnädigen Gott flüchten über die Person Jesus Christus.

Mehr oder weniger.
Ein Anfang ist schon gemacht sich über die ganze Gemengelage überhaupt erst einmal Gedanken zu machen. Ich erlebe oftmals, daß man meistens aneinander vorbei redet und sich überhaupt nicht verständigen kann.

Ersterer kennt diese Gewissensbisse kaum oder nicht.

Das würde ich pauschal so nicht sagen, aber wenn ich z.B. den Mafiosi geistig vor mir sehe, der nach dem vollzogenen Mord zur Beichte flüchtet – die Süditaliener sind erzkatholisch – dann hast Du wohl recht.

Aus dieser Perspektive erscheint das ganze Gebilde des Vatikans, welches Du, nereus, uns ja mehr als nur einmal vor Augen gemalt hast, in einem ganz beachtenswerten Licht.

Jetzt könnte es spannend werden, weil ich noch nicht ganz ahne, wo die Reise hin geht.

Dass Luther dieses für Wenige sehr einträgliche Geschäft des Ablasshandels nachhaltig und zurecht zerstört hat - zusammen mit seiner Bibelübersetzung ins Deutsche und dem qua Vorläufer des Internet - dem Buchdruck Gutenbergs, machte ihn schnell zur persona non grata.

Ja, aber Luther hat vielleicht noch mehr bewegt, als er ursprünglich bewegen wollte.
In den dunklen Ecken saßen ja schon länger die Gestalten, denen die ganze Geschichte nicht paßte. Da kam der Martin L. vielleicht wie gerufen, was ich allerdings nur vermuten kann.
Die Greta macht uns ja gerade vor, wie so etwas inszeniert werden kann, wobei man Luther schlecht mit der Schwedin vergleichen kann, aber ich hoffe, Du weißt worauf ich hinaus möchte.

Wo kommen wir denn hin, wenn das gemeine Volk jenen auf die Finger schauen kann, welche die Regeln stricken?!

Du sagt es.

Wer mal in Wittenberg ist, möge sich einen Besuch im Panometer gönnen: www.wittenberg360.de - das ist ein Stück deutsche Geschichte zum Begreifen, die bis heute wirkt.

Ich bin wahrscheinlich schon über 100 mal durch Wittenberg mit dem Zug gefahren und mit dem Pkw über 70 mal daran vorbei.
Irgendwann sollte ich vielleicht einmal einen Halt einlegen.

Und irgendwie wiederholt sich alles vor unseren Augen. Wenn man nur sehen will.

Das ist ja gerade das unglaublich Spannende daran.
Man möchte es nicht wahrhaben, aber die Indizien werden immer erdrückender.

.. und sorry - schon wieder zu viel Text.
Die Kunst besteht im Weglassen und da bin ich nach wie vor ein blutiger Anfänger...

Der beste Text zum Advent seit langem hier.

mfG
nereus


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