Tabuverletzung und die Folgen
Mein Bruder hat sich mit einem Plakat vor die Staasi-Zentrale gestellt.
Text: "ich will hier raus!". Ergebnis Ein halbes Jahr Staasi-Knast in
Cottbus, Gewichtsverlust: 30 kg. Mehrere gebrochene Rippen. Mit Anwalt
Vogel nach Ludwigshafen abgeschoben. Mein Vater wurde deswegen vom
Betriebsdirektor zum Landschaftsgärtner degradiert (Parallele zu
Nazi-Sippenhaft). Das System war schon pervers!
Das soll jetzt nicht auf eine Verharmlosung hinauslaufen, ich möchte nur darauf hinweisen, daß jedes System seine Tabus hat, die man nicht antasten darf, schon gar nicht öffentlich.
Würde sich jemand mit einem Schild vor den Bundestag oder das Gebäude des ZDJ stellen und mit der Aufschrift gewisse Offenkundigkeiten bestreiten, würde es ihm ähnlich ergehen wie Deinem Bruder; nur daß er keine Chance hätte, in einem anderen Deutschland ein neues Leben zu beginnen.
Sippenhaftähnliche Zustände gibt es bei uns auch, ich erinnere nur an den Fall der Kanutin Drygalla.
Sofern sich DDR und BRD im Hinblick auf den staatlicherseits ausgeübten Terror noch unterscheiden, dann lediglich in der unmittelbaren Härte der Sanktionen.
Auch wenn die Strafen bei uns zunächst vielleicht milder sind, wirken sie langfristig umso härter. Wer wegen Tabuverletzungen schon einmal im Knast saß, keine 6 Monate, sondern Jahre, in Einzelfällen 13, kann sich danach bloß noch aufhängen, sofern er nicht im Knast krepiert.
Ich hoffe, es ist deutlich geworden, daß es mir nicht darum geht, die Brutalität der DDR nachträglich zu rechtfertigen.