noch etwas dazu
Hallo Dieter!
Du schreibst: unsere Beiträge sind schon mächtig nach unten im Forum gerutscht, hab sie aber gefunden.
Wenn ich jetzt wegen etwas anderem nicht zurückgeblättert hätte, wären mir die Antworten zum Thema nicht mehr untergekommen.
Die Mehrzahl meiner Verwandten lebte in der DDR (sind bei der Flucht nicht ganz so weit gelaufen wie meine Eltern), allerdings im Zonen-Grenzstreifen, Besuchen war nicht möglich und wenig pers. Kontakte. Auch haben wir nie über Politik gesprochen obwohl vom selbständigen Schuhmacher über Offiziere bis zur Kombinatsleitung alles vorhanden war und vermutlich dem einen oder anderen auch nicht ganz wohl war.
Das Offiziere überhaupt anwesend waren ist schon merkwürdig an sich, denn denen waren Westkontakte untersagt. Ich habe in meiner Armeezeit erlebt wie ein Major degradiert (ich glaube zum Oberleutnant) und versetzt wurde, weil seine Frau von den Kontakten nicht lassen wollte, er auch mal beim Besuch anwesend war und er wohl verpfiffen wurde.
Allerdings gebierte er sich selbst ziemlich rot, so daß sich damals mein Mitleid in Grenzen hielt.
Aus Deiner Beschreibung entnehme ich, daß (fast) jedem bewußt war, daß er einem Diktat unterworfen war, sich ideologie-zustimmend oder neutral zu verhalten. Meines Erachtens besteht der Unterschied zur heutigen BRD insoweit, daß hier viel unterschwelliger manipuliert wird.
Ja, ganz sicher ist das so.
Gegen einen offenen Feind (psychologisch gesehen) kann man viel besser sich immunisieren als gegen das subtile, was hier passiert. Hier kann man nicht mal im Privaten Tacheles reden, da die Indoktrination viel tiefer greift.
Nicht nur das.
Es geht aktuell um eine andere Lügentiefe – etwas Besseres fällt mir jetzt nicht ein.
In der DDR ging es um die Fassade, die bei uns grau und bei Euch bunt war.
Logisch, daß knallig besser ankommt als steingrau, mausgrau usw..
Aber wenn man hinter die Farben schaut und auch den Putz beseitigt um an das Gebäudeskelett zu kommen, dann haben wir es doch mit der gleichen Substanz zu tun.
DIE haben wir im Osten nie hinterfragt, weil wir „hungrig“ waren.
Jetzt sind wir „satt“ und können uns weiteren Themen zuwenden.
Dabei ist die jetzige BRD doch in keinster Weise mehr mit der BRD vor 20 oder gar 40 Jahren zu vergleichen, vor allem was die Freiheit und Meinungsfreiheit betrifft, bzw. bei Verstößen deren Folgen.
Zustimmung! Ich bin geradezu entsetzt über den Unverstand mancher Leute, die ich andererseits privat sehr schätze.
Als Ossi habe ich die früher mit großen Augen angeschaut und deren Erzählungen über die große weite Welt gelauscht – die allerdings auch nur vom Hotel bis zum Stand reichte. Heute muß ich zusehen, daß ich mich nicht im Ton vergreife, weil ich mich gedanklich entfernt habe
Die Entfaltungsmöglichkeiten waren in der DDR aufgrund der Vereinheitlichung eingeschränkt, dafür gabs als Gegenleistung soziale Sicherheit. Die meisten Menschen nach meiner Erfahrung würden, wenn sie wählen müßten, die soz. Sicherheit der Entfaltungsmöglichkeit vorziehen (trifft auf mich nicht zu). Insofern kann ich gut verstehen, daß auch eine gewisse Sehnsucht nach der alten DDR vorliegt.
Große Vorsicht, Dieter! Hier liegt der Teufel im Detail.
Ja, die soziale Sicherheit wird zurück gesehnt, aber OHNE die Einschnitte des Ostens, also weltweites Reisen, limitiertes Warenangebot u.a..
Hier ist bei manchen Leuten auch ziemlich viel Heuchelei im Spiel.
Da wollen einige den absoluten Wohlfühl-Kommunismus.
Aber nicht nur unser Land hat sich verändert, wir sicher auch. Vielleicht sehen wir aus unserem Blickwinkel der Erfahrung heute viele Dinge anders als früher.
Ja, die Welt ändert sich nun einmal.
Konnte man in der DDR auch hoch kommen, wenn man einfach nur gute Leistungen hervorbrachte ohne jegliche Motivation für "gesellschaftliche Aufgaben" zu zeigen? Oder anders gefragt, konnte man Betriebsleiter ohne SED-Mitgliedschaft werden?
Ich will es nicht völlig ausschließen, wenn man sich ggf. zuvor unter die Fittiche einer Blockpartei geflüchtet hatte, aber in der Regel waren die Betriebsleiter alle in der SED.
Das hieß aber nicht, daß die SED'ler alle Tausendprozentig waren.
Im Gespräch konnte man sehr wohl erkennen wer überzeugt und wer gefangen war.
Kann es sein, daß ehemalige DDR-Bürger besser gelernt haben, politische Aussagen viel genauer zu analysieren bzw. Untertöne herauszuarbeiten als Wessis, also mehr Erfahrung im kritischen Denken haben? Welche Erfahrungen hast Du gemacht?
Ich würde das bestätigen, jedoch ohne alles über einen Kamm zu scheren.
Nach der braunen Lüge kam die rote Lüge und möglicherweise hat dieser Doppelbetrug die Leute nachdenklicher werden lassen.
Ich würde aber keineswegs das intellektuelle Niveau im Osten höher einschätzen.
Im Osten ist man etwas pragmatischer und oftmals weniger verlogen, was im Westen manchmal als platt und ungelenk gedeutet wird und es manchmal ja auch tatsächlich ist.
Man kommt hier schneller auf den Punkt als das ewige Gequake um den heißen Brei, den die Wessis auch im Geschäftlichen mitunter bevorzugen.
mfG
nereus