Aufsatzsammlung und Einschätzung
Hallo!
In München gibt es zwei Exemplare in der Unibibliothek und in der Staatsbibliothek, die ich mir bei nächster Gelegenheit mal anschauen kann.
Da der Untertitel des Buches aber "politische Aufsätze 1945 - 1981" lautet, ist recht unwahrscheinlich, daß in den verschiedenen Auflagen solch gravierende Änderungen an den älteren Texten vorgenommen wurden, daß in einer der verschiedenen Auflagen plötzlich die Aussagen zu finden wären, die hier ganz unten zu lesen sind.
Auch von einer Neuaufnahme eines älteren Textes, der diese angeblichen Weizsäckeraussagen enthält, ist nicht auszugehen, da die Seitenzahl der verschiedenen Auflagen in den OPAC-Systemen identisch mit 648 angegeben wird. Daraus schließe ich, daß es sich tatsächlich um unveränderte Nachauflagen handelt.
Der Vermerk zur Auflage von 1983 lautet in der Unibibliothek München "Ungekürzte Ausg.", zur Auflage von 1984 "Ungekürzte Ausg., 2. Aufl.". Also werden beide wahrscheinlich auch nicht länger sein?
"Der bedrohte Friede - heute" von 1994 ist hingegen ein ganz anderes Buch, über 300 Seiten kürzer. Auch das findet sich in München.
Die zu vergleichen ist eher eine Tagesaufgabe für die kommende Urlaubszeit.
Die Aussagen muten mir übrigens schon im Duktus nicht "weizsäckerisch" an, sondern wie der übliche, halbwahre, mit Übertreibungen garnierte Verschwörungsquatsch, der in der Internet-Aufklärerszene verbreitet wird, insbesondere:
"Zum Zweck der Machterhaltung wird man die Weltbevölkerung auf ein Minimum reduzieren. Dies geschieht mittels künstlich erzeugter Krankheiten. Hierbei werden Bio-Waffen als Seuchen deklariert, aber auch mittels gezielten Hungersnöten und Kriegen."
Auch durch Beriffe wie "herrschende Elite", "Eliten", "totaler Überwachungsstaat", "weltweite Diktatur", "Geldadel", "Armageddon" verrät sich der Autor als Sproß des NWO-Aufklärermilieus, das bemüht ist, durch reißerische Phrasen lange Erklärungen aussparend es plakativ auf den Punkt zu bringen, eben internettauglich.
Hinzu kommt eine gewisse sprachliche Unfähigkeit, die einem Weizsäcker sicher nicht zueigen war: "Die Menschheit wird nach dem Niedergang des Kommunismus, dass skrupelloseste und menschenverachtende System erleben wie es die Menschheit noch niemals zuvor erlebt hat" (So jedenfalls die Schreibweise schon auf den ältesten erhaltenen Internetseiten aus der Zeit um Oktober 2008, die den Text enthalten. Spätere, berichtigte Fassungen sind wohl jünger, da bei Copy & Paste kaum etwas richtiges plötzlich falsch wird. )
Solche grammatikalisch falschen und für ein feineres Sprachgefühl widrigen Sätze hätte Weizsäcker nie von sich gegeben. Es spiegelt aber die inkonsistenten Denkstrukturen eines Autors wider, der mit der behandelten Materie überfordert ist und seinem Gegenstand mit Superlativen hinterherhechelt.
Die Intuition deutet mir darauf hin, daß der Text nicht koscher ist. Vermutlich hat hier jemand in Ermangelung einer validen Quelle den verstorbenen Weizsäcker mißbraucht, um einen literarischen Beleg seiner wirren Ideen in die Welt zu setzen.
Gruß
Taurec
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Weltenwende