Real sieht es schon komplizierter aus
Der ESM übernimmt die faulen griech. Schulden von den Banken.
Nein. Varoufakis - immerhin jetzt griechischer Finanzminister - schlaegt vor, dass die EZB alle 'Maastricht-compliant' also bis 60% BIP - Schulden aller EU Staaten uebernimmt, und in gleicher Hoehe auf dem Kapitalmarkt Anleihen ausgibt, also liquiditaetstechnisch ein Nullsummenspiel
Argumentation: Maximale Bonitaet, da die EZB nie pleite gehen kann.
Siehe hier: http://yanisvaroufakis.eu/euro-crisis/modest-proposal/4-the-modest-proposal-four-crises...
Der ESM soll lediglich Banken in Schieflage rekapitalisieren, anstelle nationaler Regierungen, die ohnehin schon pleite sind:
http://yanisvaroufakis.eu/euro-crisis/modest-proposal/4-the-modest-proposal-four-crises...
In einer normalen Rekapitalisierung erwirbt der Kapitalgeber Gesellschaftsanteile. ich gehe mal davon aus, dass somit der ESM Mehrheitsanteile an den rekap. Banken erhaelt (wie zB auch in UK bei Bailouts durchaus praktiziert)
Letztlich müssen sie abgeschrieben werden.
Sehe ich nicht so. Sie koennen durchaus auch 100 Jahre von der EZB gehalten werden, und dann von Griechenland zurueckbezahlt werden.
Die Schulden der am ESM beteiligten
Staaten erhöhen sich. Sie wurden also auf die Konten der am ESM
beteiligten Staaten umgebucht.
Dadurch wird immer noch der Steuerzahler nicht belastet.
Davon abgesehen, erhaelt der ESM, wie oben beschrieben, im Gegenzug auch etwas.
Hohe Staatsschulden gelten der herrschenden Ideologie zufolge als schlecht
und inflationstreibend. Sie werden daher als Legitimation für weitere
"Reformen" genutzt werden, die den Staaten "Kosten sparen" sollen, d.h.
Rentenkürzungen, Verlängerungen der Lebensarbeitszeit, Kürzungen im
Sozial- und Gesundheitswesen - bis diese Bombe explodiert (was schon 2017
in FR beginnen könnte).
Schon moeglich. Oder die vorherrschende Ideologie aendert sich, so wie es jetzt in Griechenland beginnt, und demnaechst in Spanien weitergeht, und 2017 in Frankreich auch.
Hohe Staatsschulden sind schliesslich, da brauchen wir unter uns nicht diskutieren, und auch mit Mephistopheles nicht, nicht nur nicht per se schaedlich, sondern sogar u.U. nuetzlich. Dann naemlich, wenn aus welchen Gruenden auch immer die Privaten netto viel sparen wollen.
Und wenn sie viel sparen wollen, braucht es viel Staatsschulden.
Und solange sie nicht entsparen wollen, ist das absolut und voellig unproblematisch.
So werden die Schulden dann quasi auf die Konten der Lohnabhängigen
umgebucht, die damit zum Zahlmann für sämtliche Entgleisungen aller
anderen gemacht werden. Die SozialleistungsEMPFÄNGER dagegen werden
gebraucht, um den Druck auf die noch Beschäftigten dahingehend zu
erhöhen, ihr Lohnniveau weiter in Richtung auf Sozialhilfeniveau nach
unten "anpassen" zu lassen, mit dem Argument: "Wenn's Dir nicht paßt,
stehen genügend andere auf der Matte, die machen es auch für weniger
Kohle gern".
Nicht in Richtung Sozialhilfeniveau, sondern in Richtung chinesischer Lohn. Denn kein Arbeitsplatz kann aufrechterhalten werden, wo ich das Produkt der Arbeit auch aus Laendern beziehen kann, in denen nur 10% der in Europa gaengigen Loehne gezahlt werden.
Das Problem mit der Anpassung nach unten, es ist kein Finanzmarktproblem, und kein Problem der Banker.
Es ist ein Problem des Freihandels ohne jegliche Auflagen, welcher natuerlich ebenfalls ein Teil der neoliberalen Ideologie ist.
D.h. was immer auch passiert - Profiteure sind die risikofrei agierenden
(weil "too big to fail/jail" "systemrelevanten") Banken, während
sämtliche Risiken und Lasten auf die Konten der Lohnabhängigen umgebucht
werden.
Alle Probleme dieser Welt allein auf die finanzpolitische Ebene und die Bankenpolitik zu schieben ist m.E. kontraproduktiv und verschleiert einen grossen Teil der Probleme des Neoliberalsimus.
M.E. vermischt Du hier zwei differenzierbare Probleme: deflationaeren, finanzpolitischen Selbstmord aus Angst vor dem Tode (Schulden sind schlecht, wir muessen oeffentlich und privat mehr sparen, sparen, sparen; ausreichend von Bill Hicks laecherlich gemacht) auf der einen Seite, und das Problem des globalisierten Freihandels, eine weitere riesige deflationaere Kraft, die den Lohnabhängigen in der 'ersten Welt' in Konkurrenz mit den Aermsten der Armen und somit Bescheidensten der Bescheidenen treten laesst.
Leider kann nicht jeder Arbeiter auf Oekologe oder Integrationsbeauftragter umschulen.
Getreu der neoliberalen Theorie laesst man das Problem dennoch unbeachtet und ungeloest, der Markt wird schon dafuer sorgen, dass die so freigelegten Resourcen sich neu allokieren; und baut damit ein immer groesser werdendes Revoltenpotential aus Globalisierungsverlierern auf, welche dann auch diejenigen sind, die Syriza, Podemos und Front National an die Macht bringen und zu guter Letzt auch den Neoliberalismus zu Fall bringen werden. Nur ob dabei was vernuenftiges Neues erwaechst, bleibt zweifelhaft. Beim letzten Mal erwuchsen Faschismus und Sozialismus, insgesamt auch keine attraktiven Alternativen.
Es wird den Massen ja nichts genommen.
Natürlich nicht direkt - das ist ja Teil der Strategie. Sondern indirekt
- ideologisch vermittelt (s.o.).
Man muss gar keine - nicht sichtbare und auch nicht korrekt herleitbare - indirekte, ideologische Ausbeutung der Massen konstruieren. Es gibt eine sichtbare, direkte und leicht herleitbare: die Globalisierung.
Nur hat die eben auch ein paar Vorteile, daher wird sie auch ungern in Frage gestellt. Insbesondere von denjenigen, die dazu in der Lage waeren, denn die profitieren allesamt von der Globalisierung und der Schwemme von billigen Guetern aller Art, die auf diese Weise zugaenglich und bezahlbar werden.
Die Massen hingegen haben kaum etwas, was man enteignen koennte. Man
kann
sie hoechstens verarmen, indem man ihr zukuenftiges Einkommen kuerzt.
Eben - und sie z.B. länger arbeiten läßt, ihre soziale Sicherheit
verschlechtert (Kündigungsschutzgesetze lockert, Flächentarife abschafft,
Arbeitsmärkte dereguliert), weil sich so ja angeblich "Wachstum schaffen"
und "Staatsschulden abbauen" lassen (seit 30 Jahren gescheitert, aber
bisher war noch jedesmal die Konsequenz, "then we haven't done enough of
the same, let's do more of the same").
Ja, alles um irgendwie mit China, Indien usw - wo die wahren Reservearmeen des Kapitalismus heute sitzen - konkurrenzfaehig zu werden, weil es ansonsten innerhalb des neoliberalen Systems nicht darstellbar ist, die Leute wieder in bezahlte Arbeit zu kriegen.
(Genausowenig wie die zuwandernden, bildungsfernen Armutsfluechtlinge)
Nur durch massiven Druck von unten - nicht nur in GR, sondern in
Gesamteuropa - kann dieser ideologoievermittelte
Umverteilungsmechanismus
von unten nach oben durchbrochen werden.
Dafuer braeuchte es m.M.n. eine Abkehr vom Freihandel, wodurch die Untersten wieder in Arbeit gebracht werden koennten und auch Loehne nach anderen Kriterien als denen des Weltkonkurrenzmarktes gebildet werden koennten.
Eine Abkehr vom Freihandel bedeutete selbstverstaendlich dann auch ein Sinken des Lebensstandards fuer alle, die nicht ganz unten sind, da sich die Gueter natuerlich erheblich mehr verteuerten, als der durchschnittliche Anstieg der Loehne wettmachen wuerde. Auf realwirtschaftlicher Ebene einfach durch die Verknappung des Angebots bei gleichzeitigem Anstieg der Nachfrage (aus hoeheren Loehnen) zu erklaeren.
Ob das gesamtwirtschaftlich sinnvoll waere, bezweifle ich zwar, schliesse es aber nicht aus. Ein Wirtschaftsraum wie Europa ist gross genug, um im wesentlichen alle Gueter, die verbraucht werden, auch selbst herzustellen. Auch die Abschottung eines solchen grossen Marktes bzw die Bevorzugung heimischer Produzenten ist nicht unbedingt gleichbedeutend mit wirtschaftlichem Niedergang. China betreibt das sehr erfolgreich.
Wenn man aber an der Globalisierung festhalten will, und damit automatisch weite Teile der heimischen Bevoelkerung jeglicher wirtschaftlicher Chancen beraubt, so wird man sich schnellstens ueberlegen muessen, wie man deren Verluste irgendwie wenigstens teilweise kompensieren kann.
Gelingt das nicht, werden eben diese Verlierer jene Globalisierung, ebenso wie die europaeische Integration, welche sie erst zu Verlierern gemacht hat, in Kuerze beenden.
Gruss,
mp
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Everything is ok