Tatsächlich haben wir eher islamische Anti-Aufklärung
Hi Bill,
Alles Liebe aus dem ehemals und mehrmals osmanisch belagerten Wien.
Dessen
geplante
Einnahme bis 2020 der IS ja im Juli mal wieder verkündet hat.
Sollen sie gerne versuchen. Ist ja schon zwei Mal schief gelaufen. Diesmal
freilich nochmal unter anderen Voraussetzungen, dennoch wird es wieder
misslingen. Warum?
Jetzt versuche ich mich mal selbst als (Über-)Simplifizierer: Ich vermute
es wird eine islamische Aufklärung geben, so ähnlich wie es eine
christliche gab - ebenfalls trotz oder eben gerade wegen des youth bulge...
denn eine solche Aufklärung schafft ja schließlich neue
Positionen!
Wie Heinsohn schon sagte, selbst in Europa reichten die "von der Aufklärung geschaffenen" Positionen nicht, Kolonialismus und zwei Weltkriege zu verhindern. Hinzu kommt noch, daß heute ja das Wissen fehlt, wie nachholende Modernisierung erfolgreich zu machen wäre - das Globalisierungsmodell des "Washington Consensus" und der "economic hitman"-Strategien, in dem nicht nur die Schaffung der staatlichen und rechtlichen Grundlagen für moderne Geldwirtschaften schlicht fehlt (nämlich Eigentumsrechte - worauf Heinsohn und DeSoto ja hinweisen), sondern dessen sofortige Öffnung der Märkte der nachholenden Entwicklung auch gar keine Chance läßt, ist rundweg gescheitert und deshalb verständlicherweise nicht attraktiv, sondern provoziert verständlicherweise Antiamerikanismus (das beste Beispiel dafür ist RU).
Würdest Du tatsächlich auf die islamische Welt schauen, würdest Du vermutlich schnell merken, daß genau deswegen (aber nicht nur deswegen) statt "islamischer Aufklärung" die Bewegung in genau entgegengesetzter Richtung verläuft: nämlich islamische Re-Fundamentalisierung. Das sieht man nicht nur an der Türkei, wo heute mehr Frauen Schleier tragen als noch vor 10 Jahren, und an deutschen Türkinnen wo die Entwicklung in dieselbe Richtung geht. Man sieht es auch an den einschlägigen Äußerungen von Erdogan.
Schauen wir nun mal auf die aktuelle Bevölkerungsentwicklung z.B. im Iran, einem Land, in dem die Verwestlichung nach dem US-Globalisierungsmodell aus verständlichen Gründen früh einem Roll Back ausgesetzt war. Heinsohns Buch "Söhne und Weltmacht" ist vor 12 Jahren erschienen, 2003.
Die heutige Bevölkerungspyramide von Iran zeigt folgendes:
Ziemlich zeitgleich mit dem Erscheinen des Buchs von Heinsohn schwächte sich der Bevölkerungsrückgang ab, um sich dann umzukehren: Iran wächst wieder und hat mehr als 2 Kinder pro Frau. Auch im Irak ist kein Rückgang festzustellen.
Noch ist die islamische Welt gespalten, aber das könnte sich schnell ändern. Die Kultur selbst wird sich ihrer Bevölkerungsmacht bewußt und wird diese ausspielen, da sie ja nur zu Warten und sich zu reproduzieren braucht - und möglichst die inneren Konflikte nach außen lenken muß, durch innere Unifikation, für die die Ideologie bereits vorhanden und verbreitet ist.
Wenn man Heinsohn glauben schenken möchte, dann müssten wir hier ohnehin
nur bis 2020 durchhalten, denn dann ebbt die islamic youth bulge ohnehin
ab.
Nur unter der Voraussetzung, wie er einräumt, daß in der islamischen Welt keine erneute Menschenproduktion angekurbelt wird, was H. nicht ausschließt (Siehe Interview im Philosophischen Quartett, "Demographie als Schicksal"). Aber selbst, wenn dies nicht der Fall wäre, erwartet Heinsohn bis 2050 islamische Mehrheiten in Deutschland, da mit zunehmender Zuwanderung auch die Abwanderung der Ethnodeutschen zunehmen wird. Es könnte also durchaus sein, daß wir die Einführung der Scharia noch erleben.
Ob das so stimmt? Hoffen wir's - oder hoffen wir darauf, dass die IA
(islamische Aufklärung) schneller ist?
Wenn diese erfolgreich wäre, vielleicht. Da sie es rundweg nicht ist: ich zweifle stark.
Wenn Du IS-Mitglied wärst, was würdest Du von "Diskordianismus"
halten?
(ernstgemeintes Gedankenexperiment auf dem Hintergrund des obigen).
Meinst Du man könnte den Diskordianismus ebenfalls als Instrument nutzen
um Großtötungen zu rechtfertigen?
Das hatte ich nicht gemeint. Ich hatte gemeint, daß aus Sicht eines Islamisten Diskordianismus eine ungläubige, gottlose Ideologie ist.
Gibt es einen Kriterienkatalog von Heinsohn, der Ideologien bezüglich
ihrer Eignung als Tötungen rechtfertigende Ideologien abklopft?
Soweit ich sehe, sagt er: die Ideologie ist relativ egal.
Vielleicht gibt es ein Kriterium das zumindest einen Eignungsgrad erkennen
lassen könnte: trennt die Ideologie (eher) oder vereint sie (eher).
Damit wären wir gewissermaßen beim Ausgangspunkt meiner Fragen im ersten
Post.
Wem nützt es, wenn man einen Graben zieht zwischen Christen und Moslems?
Dieser Konflikt ist sehr alt.
Laut Heinsohn ist ja jeder Europäer selbst schuld, der 2030 noch immer
nicht in USanada ist...
Natürlich. Europa hat fertig - man sieht das auch an der Art, wie die Eurokrise gemanagt wird. Die USA profitieren davon durch qualifizierte Einwanderung aus Europa, haben damit auch ein Interesse, die Entwicklung in diese Richtung voranzutreiben.
Insofern sähe ich im Falle eines bis nach Mitteleuropa drängenden
heißen Bürgerkrieges durchaus USanada als Hauptprofiteur (bei
dementsprechender Auswahl der mitteleuropäischen Migranten). Stichwort:
Krieg um die besten Köpfe.
Ja.
Ich hoffe das lässt sich bedeutend besser für Europa lösen. Ideen?
Leider nein - ich glaube, der Käse ist längst gegessen. Wer noch kann, verläßt Europa. Alte, Kranke und Niedrigqualifizierte bleiben zurück, weil sie dort nicht hereingelassen werden (Heinsohn: "Continent of Losers"). Die Konsequenzen kann sich jeder selbst ausmalen.
Gruß
PE