Danke für diese Zuschrift

Ashitaka, Samstag, 24.10.2015, 12:10 (vor 3355 Tagen) @ Leserzuschrift4096 Views

Hallo Johann,

ich denke, dass die ganze Diskussion auf einer höheren Ebene geführt
werden muss.

Ja, nur wer kann dann noch seine Ängste greifen? Darum geht es, um eine Bewältigung unserer Ängste. Schau dir an auf welch primitiven Niveau wir alle (mich eingeschlossen) hier die tagtäglichen News durchstöbern und darauf aufbauend unser Entsetzen üben. Wie das ganze ausschaut wenn die Generalprobe gelaufen ist, dürfte klar sein. Wer sich vom Hyperrealen mitreißen lässt, egal auf welche Seite, wird am Ende innerlich verbrennen.

Die Seereiche der Venezianer; der Holländer, der Portugiesen und der
Briten besaßen eine territoriale Grundlage. Da sie zum Teil aus kleinen,
unscheinbaren Territorien bestanden, hätten sie in Konkurrenz mit den
großen Landmächten ohne die hinzukommenden (Handels-)Flotten nur geringe
Möglichkeiten der Entwicklung gehabt. Der Reichtum dieser drei Seemächte
beruhte ja auf ihren (Handels-)Flotten, die die Handelsrouten mit ihren
Waren, ihrem Kapital, ihren Informationen usw. kontrollierten, die also ein
Instrument der finanziellen Prosperitätssicherung und des ökonomischen
Mehrwertes waren – also der Beherrschung von Strömen.

Ja ausreichend Tribut, sowie Zölle besicherten die Finanzierungen der Seefahrtreiche.

Für das heutige Imperium kommt zusätzlich zur Beherrschung der obigen
Ströme hinzu: Finanzindustrie, Informationstechnologie und Geheimdienste.
Die Beraternetzwerke, in denen sich die wichtigsten Instanzen der Macht
vereinen, sind zurzeit noch vorwiegend in der angelsächsischen Welt
beheimatet, d.h., dass das amerikanische Machtzentrum nur noch teilweise
territorial mit den Machtinstanzen vereint ist. Das muss aber in der
Zukunft nicht mehr der Fall sein. Die drei letzten Ströme sind wegen der
Digitalisierung unabhängig vom Territorium. Das zunehmende online-banking
wird z.B. zur Schließung fast aller Bankfilialen führen.

Sehe ich genauso. Zunächst sollten wir keine Allmacht in den staatsunabhängigen Netzwerken sehen. Die Beraterwelt ist keine Verschwörung, niemand sitzt dort in Hinterzimmern und lenkt willentlich das Weltgeschehen. Diese Strukturen sind sind so breit ausgedehent, dass heutzutage weltweit Staaten von ein und der selben Gesellschaft/Kanzlei vertreten werden. Man schaue sich nur an, wer die Entwürfe des ESM, der Verträge von Lissabon geliefert hat und zugleich die nationalen Staaten in ihrer Entscheidung berät. Wer dazu etwas sucht (ich hab die wichtigsten Gesellschaften ja schon mal gelistet), der wird auch schnell fündig. Das sind nur ein paar der Gesellschaften, die unsere Staaten, Zentralbanken und Kreditinstitute beraten.

Das alles ist so verworren, dass die Annahme, Putin / China säßen auf der einen Seite, Obama und Merkel auf der anderen Seite, einer Sinnsuche im Teletubbieland gleicht. Wer so denkt, wer das zum Schutz des Spiegels alles als Verschwörung abtun will, der muss den Netzwerken und Gesellschaften eine Allmacht andichten, die sie nicht haben. Es ist ihre Struktur selbst, ein in die Staaten und Institute eindringender bzw. sich immer erstreckender Einfluss, eine Kraft, die aufgrund ihrer Dichte und Manpower dazu fähig ist, binnen paar Tagen hundertseitige Vertragswerke zu erstellen, sie ständig zu aktualisieren und den Regierungen vorzulegen, sowie zugleich die solche Verträge bzw. Gesetzentwürfe annehmenden Seiten zu beraten. Schau dir an, welche Kanzlei derzeit die Bundesregierung in Klageverfahren vertritt. Kurzum: Kläger und Beklagte sind ohnmächtig.

Die Unabhängigkeit der Machtinstanzen vom Territorium ist weltweit zu bestaunen. Instanzen sind durch weltumspannende Netzwerke zu ersetzen, welche mit ihren Fähigkeiten auf die Zentralinstanzen (Staaten) einwirken. Auch eine Art von Big Data, wenn man zugleich chinesische Banken berät und die Gesetzentwürfe in den USA vorbereitet. Vor diesem Hintergrund kann man das Spionagegehampel von Obama, sowie auch den digital erschaffenen Snwoden nur belächeln. Eine Vertiefung in dieses Thema ist ausgeschlossen, da sich damit die Wahrnehmung unserer auf Demokratie und Souveränität gestützen Welt ins Gegenteil verkehrt. Man wird ein wenig irre.

Auf die Reiche an den großen Flüssen am Nil (Ägypten), an Euphrat und
Tigris (Mesopotamien), am Jangtse und Gelben Fluss (China) folgten die, die
sich um Binnenmeere bilden, z.B. das Römische Reich (Mittelmeer), Venedig
(Adria), Schweden (Ostsee). Die Seemächte der Neuzeit breiten sich alle
ozeanisch aus – sie hatten bestehende Ordnungen überwunden, indem sie
territoriale Begrenzungen hinter sich ließen.

Jawohl.

In der Gegenwart sehen wir den Aufstieg von Politikinstanzen, die nicht
räumlich gebunden, weltweit handlungsfähig und kaum verwundbar, d.h. im
Falle der Bedrohung sehr mobil sind. Ein Beispiel dafür ist greenpeace als
staatenübergreifende Nichtregierungsorganisation. Wir müssen heute
begreifen, dass das „Westfälischen System“ des Territorialstaates als
Hülle der Politik überwunden wird: Grenzen, Recht, Sozialordnung,
Sicherheitsdienste, Wohlstandssicherung, Verbrechensbekämpfung. Man kann
das im Scheitern der amerikanischen – aber auch russischen –
Afghanistan-Politik erkennen: der nichtterritoriale asymmetrische al-Qaida
Gegner soll territorial bekämpft und besiegt werden – ein Widerspruch in
sich! Das hat zum Umdenken in den zuständigen Beraternetzwerken geführt.
Die (von der CIA gegründete und darum im Moment wenig bekämpfte)
asymmetrische Terrororganisation IS soll sich in der Levante
territorialisieren, damit sie territorial besser kontrolliert !
werden kann. Der Zynismus des Politischen, der eben grenzenlos, unfassbar
und schwer zu akzeptieren ist, folgt halt der inneren unvermeidbaren Logik
des debitistischen Ablaufes!

Völlig richtig. Sehr klare Gedanken. Ich habe hier schon oft zum IS, zum "War against Terror" und den tatsächlichen Investments unserer Staatengebilde vor Ort geschrieben, dass es sich um Strategien weltumspannender Beratungsnetzwerke handelt, finanziell, militärisch, militärindustriell auf Staatenbeteiligungen ausgerichtet. Den medialen IS gibt es nicht. Es ist, wie Baudrillard sagen würde, eine Virtualisierung, lediglich unsere Hyperrealität ("Der Golfkrieg hat nicht stattgefunden!"). Der Kontakt mit dem Realen (mit Söldnern, die auf US-Geräten umherfahren und von der Türkei (siehe Schneise) und die Lieferungen der NATO/USA aus dem Irak mit Nachschub versorgt werden) ist nahezu unmöglich. Die ersnthaft kritischen Stimmen im Netz sind selten. 99,9% ernähren sich aus dem Virtuellen.

"Die Virtualisierung ist für Baudrillard der "Effekt der sich optimierenden Kommunikation". Im Cyberspace kann sich die Gesellschaft neu erfinden, es entsteht eine „Realität ohne Widerstand, [in] einen Raum des Als-ob, in dem man nichts ernst zu nehmen braucht." (Wallich 2003: 193)

Siehe z.B. Flüchtlingskrise. Wir stehen nicht mehr im Kontakt mit dem Realen, denn das Virtuelle hat uns ernährt, weckt unsere Ängste und Hoffnungen, hält uns in der Unentschlossenheit (Angst) gefangen. Man kann auch von hypnotisierten Gesellschaften sprechen, die im Cyberspace verschwunden sind und damit unfähig sind, die Wüste des Realen zu erblicken. Würde man diese erblicken stünden wir bereits im Krieg mit uns selbst. Dieser Flucht ins Virtuelle muss man sich bewusst werden. Jeder, dich und mich eingeschlossen. Beobachten wir uns nur in den alltäglichen Diskussionen, wie wir gezwungen sind das Hyperreale als eine Übereinkunft, zum Ersatz des Realen zu erheben.

Gehen wir in die nächsten Diskussionen und erklären unseren Nächsten, dass es keinen IS gibt, dass wir niemals einen Flüchtling willkommen geheißt haben, sondern dies nur im Cyberspace anzunehmen bereit sind. Wer traut sich?

Vor 8mal“I see you in 25 years“(© by @Ashitaka) hat Napoleon in der
Folge der Französischen Revolution, die das Ergebnis eines Staatsbankrotts
(“les debt d´Etat sont enorme“ frz. FinMin. Jacques Hecker) war, das
Heilige Römische Reich deutscher Nation mit der Kleinräumigkeit, der
rechtlichen Beschränktheit und der Borniertheit seiner Fürstentümer
beseitigt. Mit seinem Code Civil zerstörte er das Alte und schuf als
bejubelter Befreier das Neue – das „Westfälische System“, das er so
richtig ans Laufen brachte und dessen Ende wir jetzt allseits bestaunen
können. Es geht also ein räumlich größerer und zeitlich viel längerer
Zyklus von 200 Jahren zu Ende. Im Mittelalter bis in die Neuzeit unter
Napoleon herrschen vorwiegend personengebundene Abhängigkeiten vom Adel
vor. Danach lebten die Menschen als Souverän in territoriale Loyalitäten
zum Staat. Das endet auch irgendwie – die neue Oberbürgermeisterin von
Köln wird gerade von 20% der Wahlberechtigten gewählt.
Die Vereinigten Staaten werden das letzte territorial abgrenzbare Imperium
sein, das, wenn es nicht implodiert, transformiert wird ja in „Was?“.
Wie sieht das neue „Imperium“ aus.

Melde dich hier an und lass und darüber gerne diskutieren. Solche Unterhaltungen brauchen Zeit, Jahre. Ich sehe das weltweit unterstützte Experiment in Syrien/Ukraine als gelungen an. Das ganze ist exportfähig und dürfte die hyperreale Wahrnehmung der Imperien in den nächsten Jahren / Jahrzehnten Stück für Stück ablösen. Die Strukturen zerfallen und bauen sich im gleichen Atemzug neu auf. Und das ganz ohne großflächigen Krieg, ohne dass wir jemals einen Zeitpunkt hätten an dem erkennbar wird, dass ein Zyklus endet. Aufstände, man fährt morgens zur Arbeit, Chaos in weiten Teilen des Landes, Abends geht es nach Italien (schick zum Italiäner essen), auf den Straßen tummulte, am Wochenende eine Geburtstagsparty und Panzer rollen durch die Straßen. Die Veränderungen werden den meisten zu schaffen machen, dass alles (wenn auch anders) weiter geht und es keinen Morgen gibt an dem Gewissheit herrscht.

Wie wird das wesentlich Neue, das entsteht, aussehen und ausgefüllt sein?
Das hohle Geflecht allen Staatlichen ist nur noch ein inhaltleeres Gerüst,
in dessen Inneren nur Entscheidungen umgesetzt werden, die anonyme
Machthalter in entterritorialisierten Machtinstanzen eines
Beraternetzwerkes gefällt haben. Es bestehen nur noch digitalisierte
Kontakte der Machthalter zur Bevölkerung.

Exakt, digitalisierte Kontakte zu Machthaltern, die es in der Wüste des Realen nicht gibt. Merkel ist Sprecherin, mehr nicht. Obama ist Ableser, mehr nicht.

Die souveränen Entscheidungen
in den Gemeinden, Ländern, Parlamenten existieren nicht mehr.
„Staatliche“ Aufgaben werden von „PSC“ – private state companies
– übernommen und müssen sofort bezahlt werden. Gib es heute ja schon.
Über allem thronen völlig unerkannt und unbekannt die Beraternetzwerke
– vor allem die Schuldenverwalter –, aus deren inneren Kreisen nichts
bekannt wird. Eine Ausnahme ist der Investmentbanker Rainer Voss, der in
dem Film “ Der Banker – Master of the Universe“ erzählt, wie es im
Inneren der Banken zur Zeit des Aufschwungs zuging, was in de!
n „Trading Rooms“ und bei den „Deal Makers“ passierte. Er
schildert das geschlossene System der Banken und beschreibt die darin
Agierenden. Damit wird die Frage „UND DANN?“ aus einem zurückliegenden
Posting beantwortet mit „ Das ist im Wesentlichen völlig egal!“ –
das Zentrum liegt in keinem lokalisierbaren Territorium mit einem festen
Ort – es liegt überall und gleichzeitig nirgends.

Grandios. So ist es. Das Zentrum, welches nur noch als das phänomenale Negativ einer zentrischen Machtordnung (dem Reglement der Fähigkeiten) vorhanden ist, es ist kein institutionelles, ist an keinen Machthalter gebunden, sondern eben nur noch ein Phänomen der Zentralmachtstruktur. Wie ist das möglich?

Die Zentralinstanzen haben keinen Willen mehr, haben damit keine Kontrolle mehr über ihre davon unabhängig noch vorhandene Macht (schwindet erst im "früher oder später"). Ich denke hier versteht mich Zara auch ständig falsch. Bestes Beispiel ist der Bundestag, wo 99% nicht mehr willentlich (inhaltlich) entscheiden, ja nicht einmal Ahnung von den Inhalten haben, sondern es ihnen nur noch um die Macht über die Entscheidung selbst geht. Inhaltlich wird alles seit Jahren extern von Kanzleien/Netzwerken/Lobbys vorgelegt, wird parteiübergreifend von extern beraten und über Fraktionszwang verteilt.

Soviel ist mir gewiss: die Umstellung vom Alten zum unbekannten Neuen wird
von Schweiß, Blut und Tränen begleitet sein.

Eben jene nostalgischen Erinnerungen, die wir angesichts der Burgen,
Schlösser und den adligen Familien hegen und pflegen und in ihnen
schwelgen, kommen auch in der Neuen Welt auf, wenn wir den untergegangenen
ruhmreichen Errungenschaften des „Westfälischen Systems“ gedenken.

Ich habe den Eindruck, dass sich das Forum etwas entfernt hat von seinen
aufklärerischen und Erkenntnis suchenden Absichten. Der Debitismus, der ja
einige unumstößliche Tatsachen formuliert, ist m.E. eine Metatheorie, die
das Ökonomische selbst zum Gegenstand der Untersuchung macht, ohne
Handlungsanweisungen liefern zu können. @Ashitaka hat in

http://www.dasgelbeforum.net/forum_entry.php?id=255805

das Bild vom Ozean mit seinem Meeresspiegel und der Betrachtung von oben
benutzt, um den Debitismus zu erklären. Das liegt auf der Linie der
Metamathematik, die die Mathematik selbst zum Gegenstand der Forschung
macht und die in den Sätzen der Unvollständigkeit und Unentscheidbarkeit
von Kurt Gödel gipfelt, deren Beweise ich im Studium vor langer Zeit noch
nachvollziehen konnte.

Melde dich an und lass uns gerne darüber diskutieren. Das Interesse wird mit den richtigen Worten sehr schnell wieder steigen. Ich sammle seit Jahren Gedanken, um das ökonomische Miteinander als das Spiegelbild zu entlarven, welches es immer nur war und sein wird. Angefangen bei der Unterwerfung und Schuld ex nihilo.

Wir sollten froh sein, dass das Alte zur Seite tritt und Platz macht für
das Neue, das schon lange am Horizont erscheint mit einer größeren
Ehrlichkeit und an dessen Ausgestaltung sich die User dieses Forums
beteiligten sollten, um nicht in der biedermännischen Erinnerung an die
Guten Alten Zeit zu versinken. Die Diskussion sollte auf der höheren
Metaebene geführt werden jenseits der Frage, ob die Armee des Imperiums
noch passende Reifen aufziehen kann – was ja belustigend sein mag –
oder der Frage, wann die Bundeswehr ausrückt oder die SPD zur
„Vernunft“ kommt. Das ist alles gewiss. Es zeigt sich schon in der
Sprache: auf der Metaebene sprechen wir von Völkerwanderung und auf der
unteren Ebene von Flüchtlingen, die versorgt (Nahrung, Unterkunft, usw.,
usf.) werden müssen. Dieses Denken in unterschiedlichen Ebenen fällt den
Menschen sehr schwer. Darum verstehen viele Leute weder den Debitismus noch
die heutige Zäsur.

Es hat mit Ängsten zu tun. Niemand will Erkenntnisse verlieren, erklärt bekommen, dass es in Wahrheit nur Spiegelbilder sind, die man in endloser Moralversifftheit als Ersatz des Originals akzeptiert. Viele Menschen ahnen schon was der Debitismus ist. Sie können es nur nicht akzeptieren, weil sie durch das System dazu gezwungen werden es anders zu leben.

"Weshalb wirtschaften wir? Ja weil wir daran glauben!"

Herzlichst dankend für die tollen Anregungen,

Ashitaka

--
Der Ursprung aller Macht ist das Wort. Das gesprochene Wort als
Quell jeglicher Ordnung. Wer das Wort neu ordnet, der versteht wie
die Welt im Innersten funktioniert.


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