Erlösung vom Monströsen
Auschwitz war tatsächlich ein Ort des Grauens und ein Beispiel, wie Menschen zu Unholden werden können….. wie sehr dieser Ort Menschen zu Monstern machte, lässt sich auch den Standort- und Kommandanturbefehlen des Konzentrationslagers Auschwitz entnehmen, die ich vor einigen Jahren mal eingesehen habe. http://www.amazon.de/Darstellungen-Quellen-Geschichte-Auschwitz-Konzentrationslagers/dp... Diese Befehle sagen nichts zu Erschießungen oder Vergasungen, aber zum sonstigen Alltag (oder zur Trivialität des Lageralltags, wie es Wolfganz Benz in der FAZ nannte bzw. zum „Monströsen des Dienstbetriebes“ dort). „Monströs“ ist der richtige Begriff. http://www.perlentaucher.de/buch/standort-und-kommandanturbefehle-des-konzentrationslag...
Wie sonst, als dass Menschen zu Monstern werden, soll man es nennen, wenn wir erfahren müssen, dass sich in dieser Todesfabrik Kinder von SS Angehörigen aufhielten, im Lager herumtrieben und neben Häftlingskolonnen herliefen? Was den Kommandanten von Auschwitz, Höß, dazu veranlasste, dies am 29.05. und am 02.07.43 zu verbieten – der Kontakt mit den Häftlingen habe eine korrumpierende Wirkung auf die Kinder und bei einem Fluchtversuch der Häftlinge seien die Kinder in Gefahr.
Wie sollte man Menschen anders als Monster nennen, die an diesem Ort ihre Frauen, wenn sie zu Besuch waren, in der Postenkette (d.h. bei der Bewachung bzw. beim gemeinsamen Marsch mit Häftlingen) spazieren führten? Was wiederum Kommandant Höß zur Veranlassung nahm, dies am 11.06.43 zu verbieten.
A propos Besuch: Die im Schnitt 3 – 4.000 SS Männer in Auschwitz ließen tausende ihrer Familienangehörigen an diesen Ort des Grauens nachkommen. Wie wir vom Auschwitzprozess wissen, lag dort oft der süßliche Geruch nach verbranntem Menschenfleisch in der Luft (der in Frankfurt angeklagte SS Mann Kaduk sagte aus, manchmal sei der ganze Bahnhof Auschwitz davon gänzlich vernebelt gewesen und aus den Schornsteinen der Krematorien seien fünf Meter hohe Stichflammen geschossen – so nachzulesen bei Hermann Langbein, Der Auschwitz Prozess, Band 1, S. 106).
An diesen Ort also ließen die SS Männer ständig ihre Frauen, Eltern, Schwiegereltern, Geschwister etc. nachkommen. Für diese wurden dann von der SS Kommandantur Aufenthaltsgenehmigungen erteilt.
So zum Beispiel am 08.07.43:
SS Oberscharführer Erich Landleiter, Besuch der Schwiegermutter vom 02.07. – 20.09.43
SS Rottenführer Ludwig Mittermeier, Besuch der Ehefrau vom 15.07. – 15.09.43
SS Unterscharführer Franz Schmidt, Besuch der Familie vom 15.07. – 31.08.43
Ss Unterscharführer Herbert Ludwig, Besuch der Schwägerin mit Kindern vom 12.07. – 01.08.43
Etc. pp. Ab Dezember 43 wurden die Aufenthaltsgenehmigungen nicht mehr bei den Standortbefehlen veröffentlicht, weshalb wir nicht die genaue Anzahl der Besucher kennen, aber es müssen tausende gewesen sein. Dass es viele waren, belegt ein Befehl vom 18.08.44, in dem der damalige Kommandant Baer befiehlt, dass, da der Zuzug von Familienangehörigen zu große Ausmaße angenommen habe, keine Aufenthaltsgenehmigungen mehr erteilt werden (dies übrigens auf dem Höhepunkt der Vergasungen der ungarischen Juden, wo laut Zeugenaussagen die Gaskammern und Krematorien Tag und Nacht arbeiteten).
In dieselbe Zeit, d.h. in den Sommer 44, fallen auch die Befehle vom 09. und 10.06.44, die es untersagen, dass sich fremde Personen im Lager aufhalten (was offenbar immer wieder vorkam) und dass sich keine Zivilpersonen im Bereich des Lagers Birkenau herumzutreiben hätten und dass dies auch für Frauen gelte, die sich dort im Beisein von SS Männern befänden.
Dass sich in Auschwitz neben tausenden von Angehörigen der SS auch tausende Zivilarbeiter befanden, wissen wir auch aus anderen Quellen wie den Erinnerungen von Benedikt Kautsky, der anschaulich in seinem Buch „Teufel und Verdammte“ die verschiedenen Gruppierungen von Zivilarbeitern, Polen, Franzosen, Deutsche etc. beschreibt, welche sich vor allem im sechs Kilometer von Birkenau entfernten Komplex Monowitz aufhielten.
Wo am 22.02.44 der dortige Lagerkommandant Schwarz es untersagte, dass Häftlinge durch besagte Zivilisten misshandelt würden und dies auch den SS Männern verbot. „Im fünften Kriegsjahr ist alles daran zu setzen, die Arbeitskraft der Häftlinge zu erhalten“.
Wie gesagt: Es war ein grausiger Ort. Ich kann nur zur Lektüre der Standort- und Kommandanturbefehle raten, um das Funktionieren der Nazi-Maschinerie genauer kennenzulernen.
Beste Grüße
K_v_S
P.S.: Ich vergaß â€“ die Vorfreude der „Erlösung“ der Befreiung durch die Rote Armee am 27.01.45 war in Auschwitz derart, dass sich manche Häftlinge in der Krankenstation, denen es die SS freistellte, ob sie dort bleiben und auf die Russen warten wollen oder den Todesmarsch gen Westen antreten, für den Todesmarsch entschieden. So zum Beispiel auch Elie Wiesel, der davon in seinem Buch „La Nuit“ bzw. „Night“ berichtet, wie er entschieden hätte, mit den Nazis zu gehen anstatt auf die Russen zu warten. (Elie Wiesel, Night, S. 78).
Dass die Befreier dann kurz nach ihrer Ankunft befreite Frauen zu Tode vergewaltigten, mag bei manchen, die gen Westen marschierten, bei ihrer Entscheidungsfindung eine Rolle gespielt haben. http://articles.chicagotribune.com/2005-01-27/news/0501270319_1_auschwitz-birkenau-stat...
Immerhin - vielleicht lassen sich diese Greuel eines Tages noch zusätzlich ausschlachten. Plus ca change, plus c’est la meme chose….
--
Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen.
Karl Valentin