Kannst Du da einiges bitte nochmal präzisieren?

politicaleconomy, Montag, 12.01.2015, 09:53 (vor 3413 Tagen) @ re-aktionaer3076 Views
bearbeitet von unbekannt, Montag, 12.01.2015, 10:17

Hi,

Die "Abschaffung der EU" bezieht sich mehr auf institutionelle,
ideologische und administrative Fehlkonstruktionen,


Und stattdessen Aufbau wovon (auf europäischer Ebene)? Bitte konkret,

mit

Quellenhinweisen, würde mich sehr interessieren. Danke.

Klar begrenzte Institutionen un einem weitgehend föderalen Staatenbund.
Also: Gemeinsame Verteidigung/Aussenpolitik/Wirtschaftspolitik
aber
Autonome Innenpolitik, Währung, Migration, Bildungspolitik,

Was genau meinst Du mit Wirtschaftspolitik? Was meint "die Rechte" (wer genau?) damit? In einer Währungsunion ist fiskalpolitische Handlungsfähigkeit entscheidend, konsequente Vergemeinschaftung der Staatsschulden also. Was sagst Du dazu?

Aber natürlich kann Fiskalpolitik nur demokratisch legitimiert ablaufen. Wie soll nach Deiner Vorstellung bzw. Vorstellungen "der Rechten" die EU politisch organisiert sein (das jetzige Modell aus Parlament/Rat/Kommission kann so nicht bleiben)?

nicht jedoch auf die
Idee eines vereinten Europas.


Es geht nicht um die Idee, sondern um die zentralisierten

Machtstrukturen

(Staat), ohne die es kein (auch militärisch nach außen)

handlungsfähiges

Europa geben kann; ökonomische Handlungsfähigkeit und

Selbstbestimmung

geht nicht ohne Fiskalunion. Die (noch dazu falsch und von

Banken-Ideologie

gemanagte WÄhrungsunion OHNE Fiskalunion zerstört Europa genau so,

wie

die USA es brauchen).

Ich stimme Dir voll zu. Trotzdem.
Du brauchst als ERSTES die manifeste Idee und das Selbstverständnis in
den Köpfen der Menschen.

Das ist durchaus vorhanden, wenn auch latent - vor allem aber ohne Bewußtsein für die Notwendigkeit der Integration auf staatlicher/politischer Ebene, weil dieses Bewußtsein von 30 Jahren durch US-Propaganda durchgesetztem marktfundamentalistischen Denken verschüttet wurde.

Jeder, der beispielsweise durch Paris, Berlin, Prag, Budapest, Riga, St. Petersburg oder jede andere europäische Stadt läuft, erkennt sofort die Gemeinsamkeiten der Geschichte an Stadtbild und Architektur - und erkennt auch sofort die griechischen Wurzeln, weil ihm (hoffentlich) beim Anblick eines beliebigen Theaters oder Regierungsgebäudes die Akropolis einfällt.

Ohne diese Idee zerbröseln alle Strukturen beim
ersten Gegenwind, weil sich niemand mit der Sache identifiziert und sich um
sie bemüht.

Es ist nicht eine abstrakte Idee, sondern eine nur ideologisch überwucherte tiefe historische kulturelle Verbundenheit, die verschüttet ist durch Marktfundamentalismus. Für die antiken Griechen dagegen waren Politik und Demokratie viel wichtiger als Geschäftemacherei und Staatsfeindlichkeit.

In Europa haben wir eine Nomenklatura, die Nationalismus per
se ablehnt und verteufelt.

Du hast recht, daß das eine einseitige Haltung ist, die aus verständlichen Gründen natürlich v.a. beim Kriegsverlierer Deutschland besonders verbreitet ist. Das Zeitalter des Nationalismus war eben eines der Kriege, das man so nicht wiederholen will: genau das ist doch auch eine der wesentlichen Motivationen für die europäische Einigung. Zusätzlich ist die EU das weltweit größte anti-neoliberale Projekt unserer Zeit, dessen Umsetzung durch US-Propaganda in eine neoliberale, marktfundamentalistische Richtung umgebogen wurde - mit dem Ziel, die EU - die beispielsweise mit dem Euro dem Dollar in seiner Rolle als weltweite Reservewährung Konkurrenz macht - zu zerstören. Den USA ist eine Ansammlung kleiner Vasallenstaaten lieber, weil besser beherrsch- und manipulierbar, als eine starke und handlungsfähige EU.

Diese Haltung kann wohl kaum dazu dienen eine
europäische Nation glaubwürdig aufzubauen und durchzusetzen.

Europa ist keine Nation. Dieser Begriff aus dem Zeitalter von Nationalismus und Imperialismus ist hier einfach völlig fehl am Platz. Ein viel geeigneterer Begriff ist "Vereinigte Staaten von Europa".

Da sind die Rechten schon weitaus geeigneter.

Kannst Du mir einen Link zu einem politischen Strategieprogramm dieser "Rechten" geben, damit ich mir genauer ansehen kann, inwieweit diese kompetent und handlungsfähig sind?

Sie müssen sozusagen nur
lernen den neuen Gaul zu reiten. Und das geschieht. Alte Konflikte und
Ressentiments werden zugunsten neuer aufgegeben. Der neue Nationalismus der
gerade in Europa entsteht ist bereits ein Europäischer. Nimm den Namen
PEGIDA - patriotische EUROPÄER - da ist nicht mehr von Schland die Rede
und der Feind sitzt nicht mehr hinter dem Rhein.

Ist dann kein Nationalismus - aber Du hast recht.

Wenn also überhaupt dann wird Europa von rechts gerettet.

Vorerst sehe ich nur den Versuch einer ehrlicheren Wahrnehmung der Realität, verbunden mit dem Rückgriff auf ideologische Klischees vergangener Zeiten, aber keine realistischen Analysen und Handlungsstrategien. Was ganz klar die Rechten vor den Linken positioniert, ist ihr Bewußtsein für die Problematik der Entwicklung von Familie und Demographie (Migration eingeschlossen) - die Linke predigt hier nur altgewohnte Klischees und verweigert jede Wahrnehmung der Realität, was sie unglaubwürdig macht.

Leider fehlt aber auch bei der Rechten die tiefe Ursachenanalyse, weswegen auch die Rechte hier keine Lösung anzubieten hat, sondern lediglich Polemik, verbunden mit ebenso oberflächlicher wie perspektivloser Familienpropaganda. In dieser Frage gilt nach wie vor: Einigkeit in Verweigerung der Wahrnehmung der Realität, plus dem Klopfen hohler Sprüche - bei völligem Mangel an Lösungsstrategien.

Was Europa umhaut ist aber nicht die Kleinstaaterei sondern die
Zerschlagung homogener Gesellschaften und deren Glauben an sich

selbst.

Was für ein oberflächlicher Bullshit. Es geht nicht um Glauben,

sondern

um Macht und die dafür nötigen staatlichen Strukturen. Was "homogene
Gesellschaften" angeht: Europa hat eine gemeinsame Geschichte, die wird

nur

durch bescheuerte unhistorische neoliberale Ideologie völlig

verdrängt.
Meine Rede. Aber die gemeinsame Geschichte und Tradition wird gerade durch
Immigration und Traditionsfeindlichkeit aus dem kollektiven Gedächtnis
gelöscht.

Da ist was dran, allerdings ist "Traditions"-feindlichkeit ein Grundmerkmal der Aufklärung und damit der modernen Gesellschaft. Die Tradition, die die Aufklärer hochhalten, ist nur die europäisch-humanistische (anti-religiöse), die mir der griechisch-römischen Zivilisation begann. Genau diese humanistische Tradition wurde durch die völlig abstrakte individualistisch-misanthropischen Marktfundamentalismus a la Friedman verdrängt und überwuchert. Zu sehen an der neoklassischen Wirtschaftstheorie, die abstrakter und realitätsfremder nicht sein könnte.

Was will die Rechte denn? Hinter Aufklärung und Humanismus zurück, zu vorzivilisatorischen Traditionen (wie Evola)? Oder die europäische Tradition (die eben in Aufklärung und Humanismus, unterbrochen, aber auch bewahrt durchs Christentum, besteht) bewahren?

Was also genau meinst Du mit dem vagen Begriff "Tradition"?

Das ist, neben falschen Gesellschaftsstrukturen (Genderwahn,
Familienfeindlichkeit) der wirkliche Todesstoß.

Genderwahn und Familienfeindlichkeit sind keine Gesellschaftsstrukturen, sondern Haltungen. Der wirkliche Todesstoß ist natürlich Lohnarbeit. Denn Lohnarbeiter sind mangels vererbbaren Produktionsmitteleigentums, über das sie ihre Existenz über Generationen hinweg sichern könnten, für ihre Existenzsicherung nicht auf Nachwuchs angewiesen. Vielmehr stellt Nachwuchs für sie eine ökonomische Belastung dar, auf die natürlich bei passender Gelegenheit verzichtet wird. Sie können zu Familie und Kindern nur gezwungen werden - nicht aber zur pfleglichen Behandlung des Nachwuchses.

DAS ist das sozialstrukturelle Grundproblem, das auch die Rechte nicht sehen will, weshalb sie auch keine Lösungen zu bieten hat (oder waren die Lebensborn- und Mütterförderungsversuche ab '33 von mehr als kurzfristigem Erfolg gekrönt? Relativen Erfolg haben nur Zwangsmaßnamen, v.a. die Kriminalisierung der Geburtenkontrolle, die wie gesagt zwar mehr Nachwuchs bringen, aber nicht dessen pflegliche Behandlung sicherstellen).

Wie also genau soll die Familienpolitik der "Rechten" jenseits abstrakter Verlautbarungen konkret aussehen? (Bitte mit Link)

Vereinfacht gesagt: Frankreich und Franzosen gab es, egal ob die Boubonen,
die Jakobiner, Napoleon oder die Nazis das sagen hatten. Die
Verwaltungsstrukturen änderten sich, die Machtstrukturen wechselten - aber
das Selbstverständnis, das Fundament war vorhanden und blieb. Genau das
wird gerade von den zwei Geldkulten Kapitalismus/Kommunismus zerstört.

Das Selbstverständnis bestand woraus genau?

Kommunismus soll ein Geldkult sein?!? Dann hast Du offensichtlich nichts verstanden. Der beruhte gerade auf der Abschaffung des Geldes und der Wiederherstellung der traditionellen "Gemeinschaft" (Urkommunismus). Das mit aufklärerischen Idealen zu garnieren, deren Fundamente (Eigentum, Vertrag) man ja gerade beseitigt hatte, war natürlich eine ebenso lächerliche Fehlleistung.

Nur, um nicht mißverstanden zu werden: eine "konservative Wende" zeichnet sich überall ab, in den USA ebenso wie in Rußland, Frankreich oder wo auch immer. Der Islam ist schon von "Natur" aus "konservativ".

Es fragt sich nur, ob da nicht die gegenwärtige kurzsichtige Ideologie von der nächsten abgelöst wird.

Aus meiner Sicht kann das realistische Ziel nur darin bestehen, den Niedergang Europas klug zu bremsen und den Alterungsprozess zu gestalten. Das heißt auch, daß man versuchen muß, im Konzert der Weltmächte eine Stimme zu behalten, was nur gemeinsam geht.

Vor einem rüstigen Alten, der mit einem gehörigen Maß Weisheit und einem Bewußtsein seiner eigenen Grenzen ausgestattet ist, hat man allemal mehr Respekt als vor einem dementen, verwirrten Alten, der sich in der Größe vergangener Tage suhlt und gebetsmühlenhaft hohle ideologische Phrasen von früher drischt, als hätte sich nichts geändert.

Helmut Schmidt ist ein solcher weiser Alter.

Die heutige Generation dagegen ist eine völlig verwirrte, geschichtsblinde, USA-hörig marktfundamentalistische, die brav angelernte Phrasen drischt und intellektuell unfähig ist, die Situation auch nur ansatzweise treffend zu analysieren.

Gruß


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