Prognose: Einen weiteren Maidan wird es so schnell nicht mehr geben

Miesespeter, Freitag, 13.02.2015, 18:01 (vor 3953 Tagen) @ pigbonds5640 Views
bearbeitet von unbekannt, Freitag, 13.02.2015, 18:24

Hi Pigbonds,

Demokratische Institutionen existieren in der Ukraine nur als Cargo-Kult.

Es existiert doch eine Verfassung, die sowohl die Presidentenbestellung als auch die Sezessionsprozeduren festlegt, oder bin ich da falsch informiert?

Das
Land war in der Hand des Quasi-Diktators Kutschma

Dieser und seine Familie sind auch heute noch maechtig im westukrainischen Oligarchen-Spiel involviert, als Unterhaendler, als Medienmogule, als Oligarchen.

und danach in der Hand
von
Oligarchen-Clans.

Ja, jetzt in der Hand von westukr. Oligarchen, bis vor 12 Monaten auch in der Hand von ostukr. Oligarchen.

Demokratische Institutionen zu schaffen, ist da sehr
schwer
möglich,

Trotzdem gab es sie, zb in Form des Presidialamtes, des Parlaments, des Wahlrechts usw, und alle Parteien berufen sich auf diese, ebenso wie alle Parteien diese missachten, wenn es ihrer Sache foerderlicher erscheint.

deshalb erhofften sich viele Leute Veränderungen im Zuge des
Abkommens
mit der EU.

Ja, die jungen, liberalen kosmopolitischen Eliten erhofften sich, dass die EU ihr Administrationsmodell ueber das korrupte und unfaehige ukrainische System zwingen kann

Die Mehrheit der Oligarchen duerfte erhofft haben, dass der Uebergang unter europ. Eigentumsrecht ihre zusammengerafften Besitztuemer endgueltig legitimiert und zementiert. Unter ukr. Verhaeltnissen ist dies niemals gesichert (das Risiko einer totalen Enteignung besteht jederzeit) und auch Russland kann nichts Gleichwertiges anbieten (wer sich dort als Oligarch den staatlichen Interessen nicht unterordnet, laeuft ebenfalls Gefahr, seines Eigentums verlustig zu gehen).

Nachdem der Kuchen verteilt war, ist nun langfristige Sicherung das Gebot der Stunde.

An die Macht geputschte Regierungen hingegen, die sich auf

demokratische

Prinzipien berufen, haben die heilige Pflicht, die Einhaltung

gesetzlicher

Verfahren zu fordern und notfalls die Armee damit zu beauftragen, diese
auch mit Gewalt im Inneren durchzusetzen.


Jede Regierung nimmt das Gewaltmonopol für sich in Anspruch und fühlt
sich dazu
legitimiert, Gewalt anzuwenden, um ihre Ordnung durchzusetzen.
Ohne Gewalt ist kein Staat zu machen.

Das musste Janukowitsch leidvoll erfahren. Denn obwohl die russische Regierung ihm mehrmals angeraten hat, die Armee gegen den Maidan einzusetzen und die besetzten Guverneurssitze in der westukr. Provinz zu raeumen, um die staatliche Ordnung wiederherzustellen, hat er dies abgelehnt und nicht umgesetzt.

Jatzenjuk und Konsorten waren dann ihrerseits nicht so pingelig, und haben umgehend die Armee in die Ostukraine geschickt, um die nunmehr dort nach dem Kiewer Umsturz besetzten Guverneurssitze gewaltsam raeumen zu lassen.

Das erwartbare Ergebnis: Buergerkrieg, internationale Krise, tausende Tote, Tendenz weiterhin steigend.

Was wird wohl die Lehre sein, welche (selbst rationale) Staatschefs daraus (aber auch aus ganz aehnlichen Vorgaengen in Syrien und Libyen) ziehen werden? Meine Erwartung: die naechsten Maidans werden ablaufen wie der himmlische Platz.

Die überlegene Waffe sichert dem Staat das Gewaltmonopol. Ohne Gewalt ist
kein Staat zu
machen. So geht das im Staat.

Eben. Und wer es nicht verstanden hat, dem werden seine Berater in Zukunft das Schicksal von Janukowitsch und Ghadaffi in Erinnerung rufen.

Wem die Widersprüche des Janukowitsch-Regimes nicht stossend erschienen,
der kannte sie entweder nicht,
vermochte Zwang besonders lange zu ertragen oder profitierte davon.

Die Opferzahlen, welche das Poroschenko-Regime durch Anwendung von Zwang und massiver Gewalt im eigenen Land bisher produziert hat, duerfte Janukowitsch waehrend seiner ganzen Amtszeit nicht erreicht haben. Auch auf anderen Gebieten sind bisher keinerlei Erfolge sichtbar.


Eine konkrete Frage zum Schluss: inwiefern hat sich die ukrainische
Regierung "an die Macht
geputscht"?
http://de.wikipedia.org/wiki/Kabinett_Jazenjuk_II
Widerspiegelt ziemlich offensichtlich das Parlament:

Indem die Verfassung gebrochen wurde: weder gab es ein geregeltes Amtsenthebungsverfahren gegen Janukowitsch, noch gab es eine erforderliche 3/4 Mehrheit zu seiner Absetzung. Alles selbst bei Wikipedia nachzulesen.

Somit hat ein illegaler President das Parlament aufgeloest und unberechtigt Neuwahlen ausgerufen.

Ich will aber gerne mal zum Kompromisse auch ein wenig Sophismus walten lassen: Wer diesen Verfassungsbruch und diese Parlamentswahlen gutheisst, der kann nicht im Gegenzug die Abstimmung zur Sezession der Krim verurteilen. In beiden Faellen wurde dieselbe Verfassung missachtet, und somit rechtlich ungueltige Wahlen unter quasi-revolutionaeren Bedingungen, inklusive Gewalteinfluessen, Boykotten und massiver Propaganda, abgehalten. Beide Wahlen produzierten recht eindeutige Ergebnisse. Sie duerften auch beide - trotz ihres jeweils zweifelhaften Ablaufs - im Ergebnis tatsaechlich den Willen einer Mehrheit der aufgerufenen Waehler widerspiegeln. Insofern: das Parlament ist ebenso legitimiert wie die Sezession der Krim.

http://de.wikipedia.org/wiki/Parlamentswahl_in_der_Ukraine_2014
Wo sind "Swoboda" und der "Rechte Sektor", die angeblich die Ukraine im
Griff hätten? Siehe Verheugen
Video: http://www.dasgelbeforum.net/forum_entry.php?id=342473

Im Griff haben die Oligarchen die Ukraine, sie haben dabei aber u.a. Unterstuetzung aus den USA, der EU, und selbstverstaendlich von rechtsradikalen Kraeften in der Ukraine. Diese sitzen sowohl im Parlament ( Radikale Partei 7,5%, Gefaelligkeitsmandate wie zb Parubij bei der Volksfront, sowie Direktmandate wie zb Jarosch vom rechten Sektor), in der Regierung, wie sie auch als nationalistische (im Sinne westukrainischer, antirussischer Kosackennation) paramilitaerische Vereinigungen formen, welche dann einen Teil der gewalttaetigen Drecksarbeit erledigen, analog vielleicht zu einer SA in Hitlerdeutschland. Diese hatte Deutschland zwar nicht im Griff, ein unwesentlicher Faktor war sie aber auch nicht.

Gruss,
mp

--
Everything is ok


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