Grundsaetzlich einig - aber ich plaediere fuer eine differenzierte Betrachtung ...
Grundsaetzlich bin ich zwar einig mit dem im Vorposting geschriebenen, aber es ist ein "grundsaetzlich", wie es Juristen verwenden: im Einzelfall ist es eben dann doch ganz anders:
Meinungsfreiheit kann nur jemand beanspruchen, der unter seinem Klarnamen publiziert.
Ich denke, das geht zu weit. Und zwar schon allein aus praktischen Gruenden: wie wollte man die Personalien-Feststellung organisieren? Denn darauf liefe es hinaus.
Facebook und einige andere soziale Plattformen "bestehen" ja (oder bestanden) auf Klarnamenspflicht. Das Ergebnis, wie ich aus Stichproben, die natuerlich nicht repraesentativ sein koennen, gewonnen habe:
Ein sehr hoher Prozentsatz, womoeglich annaehernd die Haelfte der Facebook-Profile enthielt "Klarnamen" die im jeweiligen Kultur- und Sprachkreis gelaeufigen Namen nachgebildet waren. Es handelt sich aber dennoch um Pseudonyme. Daneben gibt es noch eine ganze Anzahl Menschen, die ihre Profile auf Facebook mit dem "Nachnamen" Syno "benannt" haben. (Fuer "Synonym" - das sind fast ausschliesslich Menschen, die ZWEI Profile auf Facebook haben - eines mit ihrem Klarnamen, ein anderes mit dem "Nachnamen" Syno; dort posten sie dann ihre Kotz- und Besaeufnis-Bilder. Da sie aber untereinander ihre "Geheimdaten" weitergeben, kann man oft sehr genau an den "Likes" sehen, wer wer ist - jedenfalls mit Gewissheiten weit jenseits der 99% ...).
Dies vorausgeschickt: eine Klarnamenpflicht muesste "brutal" durchgesetzt werden, indem jederzeit eine Ueberpruefung stattfinden muesste, etwa aehnlich der "Zertifizierung" bei der bisher i.W. gescheiterten "de-mail".
Das Problem weitet sich ab da dann aber schlagartig aus: durch Identitaets-"Diebstahl" wuerden dann erst recht "unbescholtene" Buerger mit Straftaten in Verbindung gebracht und ggf. ruiniert, was bei "ungewisser" Identitaet bisher kaum vorzukommen scheint.
Das gleiche gilt für die Demonstrationsfreiheit. Vermummte können diese nicht beanspruchen.
Das ist aber etwas ganz anderes. Erstens sieht man schon daran, dass das Vermummungsverbot keineswegs unumstritten ist und z.B. in der Schweiz nur in einigen Kantonen besteht, in Deutschland offenbar erst vor wenigen Jahrzehnten eingefuehrt werden "musste", dass es auch ohne geht/gehen kann. Fuer Laender in der angelsaechsischen Rechtstradition gilt das noch weit mehr. Oder: wer Einwohnermeldeamter kennt, scheint auch oefter Vermummungsverbote fuer "normal" zu halten ...
Das Problem ist aber, dass hier direkte Gewalt gegen Sachen und Menschen und Ordnungskraefte ausgeuebt werden kann und dann eine Identifizierung von Taetern erfolgen koennen soll. Im Internet handelt es sch aber nicht um solche Straftaten. (Nebenbei bemerkt: ich weiss aus Erfahrung, da ich noch zu Zeiten vor und nach der Einfuehrung des Vermummungsverbotes unter Innenminister Zimmermann Demonstrationen mit-organisiert habe, dass es gerade unbescholtene "normale" Buerger sind, die heute weniger gern auf Demos gehen - weil sie sich vor der flaechendeckenden Erfassung der Gesichter fuerchten, die seither stattfindet. Das Ding geht also faktisch gerade gegen die, die es schuetzen soll, wenn es das je sollte.)
Im Uebrigen muesste man mit der Logik, Straftaten-Begeher immer gleich im Vorhinein identifikationsfaehig zu machen, auch flaechendeckend das Fahrtenbuch einfuehren - wer sein Auto verleiht, deckt damit potentielle Verkehrssuender - die Kette wird endlos und endet direktemang im ... Gulag.
Und wenn: Was ist mit der Klarnamenspflicht fuer Geheimdienst-Mitarbeiter, die ganze Industrianlagen (zer)stoeren und ggf. ganze Landstriche unbewohnbar oder Millionen Menschen evtl. mit "Cyber-War" Hunger oder Krankheiten anheimgeben koennten?
Und was waere mit denen, die davor warnen wollten?
Diese Klarnamenspflicht wuerde sofort zu einer totalen Asymmetrie im Internet fuehren und jeglichen kritischen Dialog wirksam unterbinden.
Von daher halte ich den Vergleich zwischen Vermummungsverbot und Klarnamenspflicht fur in keiner Weise gerechtfertigt!
Publiziert man unter seinem Klarnamen, überlegt man sich vielleicht mehr, ob man Blödsinn schreibt.
Das genau bezweifle ich im Uebrigen auch ... Aber selbst wenn: im Lichte obiger Darlegungen ist das dann ein schwaches Argument?!
Das heißt nicht, dass jemand der unter seinem Klarnamen schreibt keinen Blödsinn schreibt. Da schließe ich mich nicht aus.
Ich denke, das ist ein Persoenlichkeits-Merkmal. Denn: wer unter Pseudonym (bewusst!!!) jede Menge "Bloedsinn" schreibt, und nicht bedenkt, dass sein/ihr Pseudonym ja irgendwann aufgedeckt werden koennte, der hat es nicht anders verdient, als sich umso mehr zum Gespoett der Menschheit zu machen, wenn es irgendwann bekannt wird.
Daher glaube ich eben nicht, dass Klarnamen irgendwelche Bloedsinns-Absonderungen auch nur um ein Jota begrenzen wuerden. Aber wichtige Erkenntnisse wuerden seltener geschrieben werden, davon bin ich ueberzeugt.
Das heißt nicht, dass ich unter bestimmten Umständen akzeptiere, dass jemand anonym Informationen weitergeben möchte
Also: es sollte eine Behoerde geben, die je nach Gefaehrdungslage entscheidet, wer Klarnamen verwenden muss oder nicht? Oder: die entscheidet, aufgrund der Inhalte, die man beabsichtigt zu veroeffentlichen, wann Klarname sein muss, wann Pseudonym sein darf? Wie verhielte sich das zu Artikel 5 Grundgesetz?
Ich selber habe einen weiteren klaren Standpunkt: Ist man Angestellter hat man Loyalitätspflichten. Kann man das was der Arbeitgeber macht nicht vertreten, muss man kündigen. Die Loyalitätspflichten wirken aber fort.
Ich gehe noch weiter: wer keinen persoenlichen Mut hat, sollte sich zurueckhalten oder "trainieren". Pseudonym ist kein Grund fuer Feigheit.
Aber: wer glaubt, einschlaegigen Kreisen sei z.B. meine Person nicht bekannt (oder ich wuesste das nicht), der irrt. Nur: die "einschlaegigen Kreise" koennen nicht damit an die Oeffentlichkeit, weil sie dann Ermittlungs- und Ueberwachungsmethoden offenlegen muessten und den Quellenschutz gefaehrden wuerden.
Das Klarnamen-Problem ist wesentlich komplexer, als es auf der reinen Ebene des Persoenlichkeitsrechts diskutiert werden koennte!
Ich bin kein Arbeitnehmer. Nachteile habe ich also nicht zu befürchten.
Vielleicht aber ist ein Anwalt auch am Klarnamen interessiert, weil er damit wirbt?
Feige finde ich es, wenn jemand fremdenfeindliche oder antisemitische Äußerungen nur anonym machen möchte.
Eigentlich wuerde ich hier zustimmen koennen, aber: wer bestimmt, was "fremdenfeindlich" ist? Da haben wir schon wieder dasselbe Problem wie bei der oben genannten (vielleicht bald nicht mehr ganz so) hypothetischen Klarnamen-Behoerde???
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Mit 40 DM pro Kopf begann die Marktwirtschaft, mit 400.000 Euro Schulden pro Kopf wird sie enden.
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