Bevor Bundesrichter Fischer das Thema fortsetzt: von Schirach zum Thema Feindstrafrecht und sich aus der Gesellschaft stellen

azur, Montag, 26.01.2015, 12:01 (vor 3697 Tagen)4080 Views
bearbeitet von unbekannt, Montag, 26.01.2015, 12:26

Hallo allen,

es ist in der vergangenen Woche eine spannende Diskussion aufgewärmt worden: Darf der Staat jemanden, für den gelte: "Vertragstheorie von Thomas Hobbes: Ein Mensch, der die Gesellschaft verlasse, begebe sich in einen gesetzlosen Naturzustand und werde zum Feind. Und als Feind müsse er bekämpft werden.", anders behandeln, und so z. B. foltern oder töten.

http://www.dasgelbeforum.net/forum_entry.php?id=338546

Es ist klar, dass es bisher ohne Feindstrafrecht ging und es klar gegen die Jusitzgrundrechte verstieße, u. a. der Gleichheit vor dem Gesetz. Und, dass es viele bedrohen könnte, wenn man zu einem Menschen zweiter Klasse erklärt würde. Denn wer legt an Hand welchen Maßstabes fest, wer "die Gesellschaft verlassen habe" - siehe auch http://de.wikipedia.org/wiki/Verfassungsfeindlichkeit *...

Lassen wir mal beiseite, dass Fischer in der Zeit viel und gut beschrieben hat, was alles schief läuft und warum der Artikel von ihm jetzt kommen durfte, und bereiten uns auf den angekündigen zweiten Teil vor.

Der sehr renommierte Strafverteidiger Ferdinand von Schierach hatte sich schon im letzten Jahr ausführlich zu Jakobs, auf den sich Fischer bezieht, und dem angeblich notwendigen Feindstrafrecht:

BÜRGERRECHTE
Die Würde ist antastbar

Von Schirach, Ferdinand von

(Wenn bestimmt werden muss, dass die Würde unantastbar ist, dann eben deshalb, weil es möglich ist.)

Das sollte man zu Fischer lesen, bei dem man sich übrigens fragt, warum er nicht auf von Schierach (und weitere Gegenstimmen) einging!

Von Schierach hat eine Menge guter Bücher geschrieben. Das letzte heißt wie das genannte Essay und steht im Buch promnent am Beginn.

http://www.piper.de/buecher/die-wuerde-ist-antastbar-isbn-978-3-492-05658-8

Mehr zu von Schierach (ja, er ist Enekl vom Reichsjugendführer):
http://www.schirach.de/

http://de.wikipedia.org/wiki/Ferdinand_von_Schirach

Anmerken will ich noch zweierlei: Zum einen, ist es natürlich nicht unvernünftig darüber nachzudenken, ob man ein finaler Rettungsschuss (Fachbegriff) richtig ist und zum anderen sei auf den rechtfertigenden Notstand verwiesen, den von Schierach merkwürdigerweise nicht verweist. Denn die Geschichte von Schiffbrüchigen, die nur überleben können, in dem sie töten, ist auch Standardbeispiel im Recht eben dafür: http://de.wikipedia.org/wiki/Notstand#Strafrecht (dort wird auch der staatsrechtliche und zivilrechtliche Notstand erläutert). Das gilt auch sowohl für den entschuldigenden http://dejure.org/gesetze/StGB/35.html sowie den rechtfertigenden Notstand: http://de.wikipedia.org/wiki/Rechtfertigender_Notstand / http://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__34.html

Geprüft wird nach hM so:

1) Vorliegen des Tatbestandes
1a) objektiver TB
1b) subjektiver TB
2) Rechtswidrigkeit
3) Schuld
(4) Strafe)

Siehe u. a.: http://www.juraexamen.info/strafrecht-die-wichtigsten-schemata/

Wie die Namen es sagen, kommen die Prüfungen des Notstandes unter 2 oder 3, sofern 1 vorliegt usw.

Kann nur noch einmal warnen vor Jakobs Thesen, denn die Folgen könnten für jedermann furchtbar sein. Wo zweierlei Recht galt, gab es immer Opfer und Unschuldige. Das ist bis heute so.

Weitere Kritiker werden u. a. hier genannt: http://de.wikipedia.org/wiki/Feindstrafrecht#Kritik

Dort nur indirekt zitiert: Heribert Prantl, einem der letzen aufrechrechten Stimmen in den MSM: http://www.sueddeutsche.de/politik/us-kommandoaktion-gegen-osama-bin-laden-das-toeten-e...

"Über das Töten eines Feindes

Welches Gesetz deckte die Erschießung Bin Ladens? Die Rechtsprechung der USA verlangt vor der Todesstrafe einen Prozess. Rechtsstaatliches Recht verbietet jegliche Exekution. Das Kriegsvölkerrecht deckt die US-Aktion auch nicht. Die Entscheidung, den Terrorpaten zu töten, war eine politische.
Ein Kommentar von Heribert Prantl"

Mehr: Professor Thies: http://www.phil.uni-passau.de/fileadmin/group_upload/64/VLSS10-Terrorbekaempfung.pdf

Kritik des Feindstrafrechts - Google-Leseprobe
sieh u. a. Kai Ambos - Seite 345 ff. - Feindstrafrecht - Einführung

Man sollte genau überlegen, worauf das alles zielen kann.

Wenn der Staat foltern will usw.

Viele freundliche Grüße

azur


*) siehe auch: http://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__90b.html
StGB: § 90b Verfassungsfeindliche Verunglimpfung von Verfassungsorganen
http://de.wikipedia.org/wiki/Verunglimpfung

Wer das macht, ist doch Teil der Gesellschaft. Schließlich muss er sich sonst auch an Gesetze halten, Steuern zahlen usw.

(Die Vertragtheorie, die einen Vertragsschluss andeutet, den es nicht gibt - wer kann sich schon Geburt und Ort der Geburt aussuchen, von Hobbes ist nicht dafür geeignet, denn es heißt nicht, dass der, der sich gegen Sachen in der Gesellschaft stellt, mit seinem Ausschluss daraus und seiner Tötung einverstanden ist. Ein Einverständnis, dem eh sehr enge Grenzen gesetzt sind: http://de.wikipedia.org/wiki/Einwilligung )

Mehr dazu: http://www.dasgelbeforum.net/forum_entry.php?id=216233

Und: "Wo ist der Unterschied zur Lynchjustiz?

Magazin: "lch bin für Tyrannenmord" - das Interview mit Parag Khanna führte Arno Widmann (2./3.April): Khanna meint: Schlechte Regierungschefs sollte man entmachten. Ganz schlechte umbringen. Ich bin entsetzt über die Berliner Zeitung, welche Thesen sie für diskutabel hält. Es geht immerhin um Mord, um politischen Mord. Die Todesstrafe ist bei uns geächtet. Sollte man da Ausnahmen zulassen, bei denen scheinbar der gute Zweck die Mittel heiligt? Es hätte sich angeboten, dem Interviewten auf den Zahn zu fühlen. Wer sollte über den Tod entscheiden? Ein Gremium von "willigen" Außenministern? Was wäre der Unterschied zur Lynchjustiz? Wer ist ein Tyrann? Ist der Kulturkreis begrenzt, aus dem die potenziellen Tyrannen stammen? Herr Parag Khanna arbeitet für eine der größten Denkfabriken der USA, dieser "präsidialen Bundesrepublik", die zwar in etlichen ihrer Bundesstaaten die Todesstrafe kennt, sich aber gleichzeitig keinem internationalen Gericht unterwirft. Wiederholt haben die USA jeden ihrer Bürger gegenüber einem internationalen Gerichtshof für immun erklärt. Nach Khanna kann zum Tode verurteilt werden, wer - ohne Verfahren und Urteil - "Terrorist" ist. Und: Es sollen keine Regierungsorganisationen tätig werden. Es fänden sich immer welche, "die das für Geld machen". Na, das beruhigt. Irgendwie kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, hier wolle jemand Krawall schlagen, um vielleicht auch auf sich und seine sonstigen Anliegen aufmerksam zu machen. Schade, dass ihm nicht mehr abverlangt wurde. Denn Neues bringt die Diskussion beileibe nicht. Nicht umsonst galt sie als überwunden. Bis vor zwei Jahren Daniel Goldhagen zum Mord an jenen aufrief, die von einer imaginären Staatengemeinschaft zum Feind bestimmt werden könnten. Khanna geht noch darüber hinaus: Er fordert die Möglichkeit, Terroristen, die letztlich vor allem politische Widersacher sind, ohne Gesetz und Verfahren per gedungener Mörder aus der Welt zu schaffen. Jeder sollte sich vor Augen führen, wem die Forderung nach ein wenig Mord Tür und Tor öffnet. Es empfiehlt sich, sich mit der Rolle dieser Denkfabriken auseinanderzusetzen, die Strategien im Sinne ihrer oft milliardenschweren Auftraggeber entwickeln."

http://www.berliner-zeitung.de/archiv/schlechte-regierungschefs-sollte-man-entmachten--...

Es findet sich nun inzwischen die Behauptung des Esquire, was immer die auszusagen vermag, und ein Foto, wie das eines Terroristen: http://www.esquire.com/features/75-most-influential/parag-khanna-1008
Vorsicht, vorsicht Parag: Sonst landest Du in der Datenbank und es könnte eine Drone... (die Problematik der tagtäglichen feigen Morde per Drone und mehr, greift Fischer völlig zu Recht an - will aber nach Berechtigungen, fachsprachlich Rechtfertigungen, dafür suchen, die dann für alle gelten könnten!!!)

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