Thüringen-Wahl – Die FDP und 2 x Feueralarm im Erfurter Rathaus
Eine Leserzuschrift bat mich dessen Analyse, die ich noch ein wenig ergänzt habe, hier einzustellen.
Diesem Wunsch folge ich gerne und bitte um die Aufmerksamkeit der gelben Leser.
Gegen den Trend, die letzten fünf ausgezählten Wahlkreise
Die Schlusskurve kam wohl etwas in stocken und zog sich sichtbar etwas hin.
Vermeldet wurde, dass am Abend im Erfurter Rathaus zweimal Feueralarm durch die Brandmeldeanlage ausgelöst wurde.
Gottseidank Fehlalarm, vielleicht waren die Leitungen zu heiß?
Wie bitte, Feueralarm und das gleich zweimal?
Stimmt denn das?
Spannend war der Abend wegen der FDP: Mit 5,5 % startete sie in der ersten Hochrechnung, um 19.12 Uhr erklärte Christian Lindner im ZDF schon den Erfolg seiner Partei („klar auch wirtschaftliche Fragen anzusprechen, Bildung als die soziale Frage nach vorne zu stellen, einen Kurs der Mitte zu fahren auch bei Klima und Migration“).
Doch je mehr Wahlbezirke ausgezählt waren, desto tiefer fielen die Liberalen:
Beim Auszählungsstand 3010 von 3017 waren sie bei 5,000 % angekommen.
Jetzt zählte wirklich jede Stimme.
Kein Wunder, dass es im Erfurter Rathaus gleich zwei Mal Feueralarm gab (20 Uhr und 21.45 Uhr) – da brannte nicht nur Christian Lindner der Kittel.
Um 23.49 Uhr stieg dann weißer Rauch auf – und die FDP hatte es geschafft: 5,0005 % (+2,5) errechnete der Landeswahlleiter für die Liberalen, unser Datenteam um Hendrik Lehmann und Helena Wittlich rechnete nach – exakt fünf (!) Stimmen halfen der FDP über die Hürde. Auch SPD, Grüne und Linke können sich darüber freuen, denn möglich ist jetzt immerhin noch eine 4er-Koaltion.
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/berlin/wahl-in-thueringen-die-gesellschaftliche-mitte-wird-...
War das Rathaus für die Stimmenauszählung irgendwie wichtig?
Das Briefwahlbüro zu den am 26.05.2019 stattfindenden Europa-, Kommunal- und Ortsteilratsmitgliederwahlen öffnet am Montag, dem 06.05.2019, für den Publikumsverkehr.
..
Erreichbarkeit des Briefwahlbüros
Rathaus
1. Etage „Altes Archiv“
Fischmarkt 1
99084 Erfurt
Quelle: https://www.erfurt.de/ef/de/rathaus/wahlen/europa/aktuell/index.html
Ach, da war ein Wahlbüro für die Briefwahlen.
Nun weiter im Text der Leserzuschrift.
Zumindest schien es stellenweise so, dass die FDP die 5%-Hürde nicht reißen könnte.
Interessanterweise wurden bei den Zweitstimmen nur bei der FDP ganze 4 Stellen nach dem Komma ausgewiesen.
Immerhin waren auch mal zwischenzeitlich 88 Sitzplätze ausgewiesen, als die FDP draußen war.
Daher habe ich mir die Mühe gemacht, die letzten fünf Wahlkreise der Stimmenauszählung (3013 – 3017) etwas näher und zeitnah zu betrachten.
Auffällig ins Auge springt, dass gegen den allgemeinen Trend nur bei der AfD der Stimmenzuwachs bei den Erststimmen bei der Auszählung von 3013 und 3014 konstant bei 242.117 stagnierte,
dann bei 3015 um 113 nach oben ging. Zwischen 3015 und 3017 blieb es dann fest eingefroren bei 242.230.
Nullzuwachs bei zwei bzw. drei Wahlkreisen, bei der AfD, die in Thüringen insgesamt auf Platz 2 lag, wie ist das zu erklären?
Andere Frage, ist in Thüringen die Volkssolidarität auch noch bei den Rentnern so engagiert?
Früher war hierzulande jeder Rentner Mitglied bei der Volkssolidarität, und wenn man den Recherchen der Wahlforscher Glauben schenken kann,
dass die AfD überwiegend von der Alterskohorte bis 45 gewählt wurde, und bei den bis zu den 60jährigen gleich zog, stellt sich schon die Frage.
Nach meiner Einschätzung sind hier auch bei den über 60jährigen überwiegend AfD-Wähler zu verzeichnen. Beleg dafür scheint mir auch deren überwiegende Präsenz und Interesse bei den Wahlveranstaltungen. Logisch, der Rentner kann es sich leisten Gesicht zu zeigen.
Nun zu den letzten 5 Wahlkreisen (3013 bis 3017) der Zitterpartie.
Wähler: 2.386
Gültige Stimmen: Erststimme: 2.195 Zweitstimme: 2.342
Ungültige Stimmen: Erststimme: 191 Zweitstimme: 44
Wählervotum
Erststimme
CDU 419 (19,08%)
Linke 814 (37,08%)
SPD 306 (13,94%)
AfD 113 (5,15%)
Grüne 191 (8,70%)
FDP 200 (9,11%)
Zweitstimme
CDU 299 (12,77%)
Linke 879 (37,53%)
SPD 191 (8,16%)
AfD 530 (22,63%)
Grüne 150 (6,4%)
FDP 105 (4,48%)
Ungültige Erststimmen (letzten 5 ausgezählten Wahlkreise)
3013 zu 3014 = + 61
3014 zu 3015 = + 8
3015 zu 3016 = + 81
3016 zu 3017 = + 41
Insges. = + 191
Ergo: Durchschnittlich 38,2 ungültige Stimmen pro Wahlkreis bei den letzten fünf ausgezählten Wahlkreisen.
Durchschnittlich 7,2 ungültige Stimmen pro Wahlkreis insgesamt auf die 3017 Wahlkreise bezogen.
Ungültige Zweitstimmen (letzten 5 ausgezählten Wahlkreise)
3013 zu 3014 = + 13
3014 zu 3015 = + 3
3015 zu 3016 = + 19
3016 zu 3017 = + 9
Insges. = + 44
Ergo: Durchschnittlich 8,8 ungültige Stimmen pro Wahlkreis bei den letzten fünf ausgezählten Wahlkreisen
Durchschnittlich 4,5 ungültige Stimmen pro Wahlkreis insgesamt auf die 3017 Wahlkreise bezogen.
Fazit: Die Ergebnisse der Auszählung der letzten 5 Wahlkreise weisen überproportional einen hohen Anteil von ungültigen Stimmen aus.
Die letzten 5 Wahlkreise?
Die letzten Ergebnisse kommen fast immer aus den Großstädten, weil dort eben die meisten Stimmabgaben zu zählen sind.
Da Erfurt mit 210.000 Einwohnern die größte Stadt in Thüringen ist, liegt es mehr als nahe, hier Wahlkreise aus Erfurt zu vermuten.
Und genau da gab es viele ungültige Stimmen und dann hat es sogar noch irgendwo Feueralarm gegeben – 2 x sogar.
Ich sag's mal so - interessant ist das schon, oder?
Doch weiter im Text:
Am unterschiedlichen Votum zwischen Erst- und Zweitstimmen innerhalb der Parteien, lässt sich evtl. erkennen, wer den Kandidaten bevorzugt und die Partei abstraft oder favorisiert.
Auswertung der letzten 5 ausgezählten Wahlkreise (durchschn. Abweichung Wahlvotum pro Wahlkreis)
CDU 419 : 299 (24)
Linke 814 : 879 (13)
SPD 306 : 191 (23)
AfD 113 : 530 (83,4)
Grüne 191 : 150 ( 8,2)
FDP 200 : 105 (19)
Zum Vergleich das Gesamtergebnis (durchschn. Abweichung Wahlvotum pro Wahlkreis)
CDU 299.462 : 241.103 (19,34)
Linke 283.561 : 343.736 (19,95)
SPD 119.141 : 90.984 (9,33)
AfD 242.230 : 259.359 (5,68)
Grüne 71.678 : 57.485 (4,70)
FDP 59.007 : 55.422 (1,18)
Je geringer die Unterschiede zwischen Erst- und Zweitstimme innerhalb der Parteien sind, desto sicherer der Wähler mit seinem Votum oder überzeugender/ übereinstimmender der Kandidat mit seiner Partei?
Womit lassen sich die durchschnittlichen Abweichungen des Gesamtergebnisses in Bezug zu den letzten fünf Wahlkreisen innerhalb und zwischen den Parteien erklären?
Das ist halt so, die Wähler sind einfach unverlässliche Zeitgenossen.
Die machen was sie wollen und hören oftmals nicht auf die guten Ratschläge der „Potz-Öbersten“.
Aber der Brand im Rathaus irritiert mich dann doch.
Gab es nun irgendeine Verbindung zwischen Rathaus, dem Briefwahlbüro und der Auszählung?
Zwei Feuer-Fehlalarme innerhalb von knapp zwei Stunden im Rathaus von Erfurt haben am Sonntagabend die Stimmenauszählung nach der Landtagswahl verzögert.
Nach Angaben von Landeswahlleiter und Feuerwehr hatte die automatische Meldeanlage erst gegen 20 Uhr und dann noch einmal gegen 21.45 Uhr angeschlagen.
Die Feuerwehr rückte an, gab aber in beiden Fällen Entwarnung. Die Stimmenauszählung in den Erfurter Wahlkreisen dauert noch an.
Quelle: https://www.thueringer-allgemeine.de/regionen/erfurt/feuer-fehlalarm-unterbricht-stimme...
Das paßt ja wie die Faust auf's Auge!
Endlich ist der Nachweis der Evolution auch bei demokratischen Wahlen gelungen.
Einfache Zufälle (auslösende Brandmelder) können den Prozess der politischen Willensbildung (Stimmenauszählung in Briefwahlbüros) mutieren lassen.
Wenn das Darwin noch hätte erleben dürfen.
Und am Schluß noch eine informative Darstellung zum Thema: http://interaktiv.thueringer-allgemeine.de/landtagswahl-2019-thueringen-wahlkarte/
Nein, @Tempranillo.
Bitte schreibe jetzt nichts zu Sinn und Zweck der Demokratie in der westlichen Wertegemeinschaft.
Sonst komme ich am Ende noch auf die Idee Dir eine Kiste höherwertigen Rotwein einer spanischen Rebsorte anliefern zu lassen.
Abschließend einen herzlichen Dank an die Leserzuschrift.
mfG
nereus